Klimawandel ist die beste Reklame für Küstenschutz
Husum
Landgewinnungsprojekte gibt es in Schleswig-Holstein
seit der Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer im Jahr 1985 nicht
mehr – Tier- und Pflanzenwelt sollten fortan ungestört gedeihen können.
Heute geht es darum, wenigstens die bestehenden Flächen zu sichern und
vor dem Meer zu schützen. Fast ein Viertel des Landes liegt in den
Niederungen an den Küsten, rund 350 000 Menschen leben dort. Und
mittlerweile gut 60 Millionen Euro stellen Land, Bund und Europa
jährlich für den Schutz dieser Gebiete bereit. Mit Erfolg: Nennenswerte
Landverluste hat es laut Kieler Umweltministerium zuletzt Mitte der
80-er Jahre auf Sylt gegeben.
Trotz angespannter öffentlicher Haushalte ist für das Geld aus Berlin
und Brüssel erstaunlich wenig Überzeugungsarbeit nötig. Im Bundestag
etwa üben die süddeutschen Parlamentarier klaglos Solidarität mit ihren
norddeutschen Kollegen. „Die Diskussion über den Klimawandel hat das
Bewusstsein für die Bedeutung des Küstenschutzes erheblich geschärft“,
sagt der Sylter Abgeordnete Ingbert Liebing, Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises
Küste im Bundestag. Und der frühere Kieler Wirtschaftsminister Dietrich
Austermann, der in den 80-er und 90-er Jahren einflussreicher
Haushaltspolitiker im Bundestag war, berichtet: „Der Küstenschutz ist
schon immer als gesamtstaatliche Notwendigkeit angesehen worden.“ Im
vergangenen Jahr hat der Bund sogar ein Sonderprogramm bis 2025
aufgelegt, aus dem Schleswig-Holstein seither
jährlich fünf Millionen Euro zusätzlich erhält. Auch die EU hat dieses
Jahr noch dreieinhalb Millionen für den Norden draufgelegt.
Werbung wird Ministerpräsident Carstensen jedoch bald für die
Küstenschutzabgabe machen müssen. Weil die Koalition in Kiel nicht mehr
genug Geld hat, um den Landesanteil von rund 25 Millionen Euro komplett
zu zahlen, will sie ab 2012 die Nutznießer von Deichausbesserungen,
Sandvorspülungen oder Sielreparaturen zur Kasse bitten. Wer betroffen
sein wird und wie teuer es wird, ist noch unklar. Klar ist: Die Abgabe
wird auf erheblichen Widerstand stoßen.
Henning Baethge