Das eisige Hoch über Skandinavien
Schleswig-Holsteiner erleben einen der kältesten Märzmonate seit Beginn der Wetteraufzeichnung
Kiel
Wintermütze auf, Handschuhe an, Schal umbinden, jetzt noch in den
Lodenmantel schlüpfen und den Kragen hochschlagen – nur so gewappnet
können sich die Schleswig-Holsteiner derzeit
nach draußen wagen. Ende März 2013: Ostern steht vor der Tür, und immer
noch hält klirrende Kälte den Norden fest im Griff. Und ausgerechnet an
der Küste verzeichnen die Wetterexperten Temperaturen, die zeigen, „wie
flächendeckend und massiv dieser Kaltlufteinbruch war“.
„Wir erwarten, dass der März 2013 einer der kältesten Märzmonate in
den vergangenen 150 Jahren wird“, sagte Sven Taxwedel (36), Diplom-Meteorologe
bei Wetterwelt in Kiel, gestern unserer Zeitung. Zwei Schlaglichter
zeigten dies besonders deutlich: In Lübeck sackte das Thermometer am 24.
März auf minus 10,7 Grad Celsius, es war der niedrigste März-Wert
in der Hansestadt seit 1889. Oder Helgoland: Hier wurden bereits am 11.
März minus 4,1 Grad und am 23. März noch einmal minus 3,5 Grad gemessen
– die niedrigsten März-Werte seit 1958.
Wird also nichts aus der stets vorhergesagten vom Menschen gemachten
Erwärmung? „Doch, aber der Klimawandel wird zusätzlich von vielen
natürlichen Faktoren überlagert“, sagt Taxwedel.
Der Meteorologe überrascht jedoch auch damit: „Die jetzige Kaltphase in Schleswig-Holstein
könnte genau ins Bild einer globalen Erwärmung passen.“ Und das geht
so: Das Eis am Nordpol schrumpft, damit ist der Temperaturgegensatz zu
südlicheren Breiten schwächer. Damit aber weht auch nicht mehr der
relativ warme und starke Westwind über den Nordatlantik nach Schleswig-Holstein
wie dies früher der Fall war. Vielmehr setzt sich über Skandinavien ein
Hochdruckgebiet fest. Somit dreht schon weit vor der Küste Nord- und
Mitteleuropas der relativ warme Westwind nach Norden ab. Stattdessen
kommt bitterkalte Luft hinter dem Hochdruckgebiet aus dem Nordosten über
Skandinavien oder Nordrussland zu uns zurück.
Das Wichtigste: Wie sind die Aussichten? „Kalt“, muss Meteorologe
Taxwedel voraussagen und verweist auf die aktuell sehr festgefahrene
Wetterlage. „Diese dürfte uns bis weit in die nächste Woche – oder noch
länger – zumindest in den Nächten weitere deutliche Minusgrade
bescheren.“
Wolfgang Blumenthal