Eine Milliarde Euro für die Elektro-Revolution
Steuerentlastungen und Sonderrechte für E-Mobile / Kritik von Ökonomen und Wettbewerbshütern
Berlin /sh:z /dpa
Die Bundesregierung will die Einführung von Elektro-Autos
mit zusätzlichen Steuerentlastungen und Sonderrechten im Straßenverkehr
ankurbeln. Das geht aus dem gestern in Berlin bekanntgewordenen
„Regierungsprogramm Elektromobilität“ hervor. Unter anderem ist eine
Verdopplung der Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos
auf zehn Jahre geplant. Vorgesehen sind ferner besondere Parkflächen
sowie Änderungen bei der Dienstwagenbesteuerung. Die Forschung soll bis
2013 mit einer Milliarde Euro gefördert werden. Das Maßnahmenpaket soll
in Kürze – „zeitnah“ nach der für heute geplanten Vorlage von
Expertenvorschlägen – beschlossen werden. Die Autoindustrie fordert seit
Monaten eine Anschubfinanzierung der noch als teuer geltenden E-Autos.
„Die Bundesregierung beabsichtigt, durch Setzen von Rahmenbedingungen
dazu beizutragen, dass sich Deutschland zu einem globalen
Spitzenstandort der Elektromobilität entwickelt“, heißt es in dem
Regierungsprogramm. Derzeit sind ausschließlich reine Elektro-Pkw
für fünf Jahre von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. In Zukunft sollen
nach den Plänen der Regierung alle bis zum 31. Dezember 2015 erstmals
zugelassenen Elektrofahrzeuge für zehn Jahren von der Steuer befreit
werden.
Die Dienstwagenbesteuerung soll so geändert werden, dass E-Autos
bei der Anschaffung nicht weniger attraktiv sind als herkömmliche
Wagen. „Ziel ist dabei ein vollständiger Abbau der zurzeit bestehenden
steuerlichen Wettbewerbsnachteile für Elektrofahrzeuge gegenüber
vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.“ Im Straßenverkehr sind
dafür neben Sonderparkflächen auch Lockerungen von Zufahrtsverboten
geplant.
Insgesamt will der Bund bis zum Jahr 2020 eine Million E-Autos und bis 2030 mindestens sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen. Der Strom für E-Autos soll aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden.
Merkel bekräftigte am Wochenende, sie wolle Deutschland zum
„Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität“ machen. Dies sei „die
Chance, unabhängig vom Öl zu werden“. Und gerade für große
Ballungsgebiete böten Elektroautos die Chance auf weniger
Schadstoffemissionen.
Doch gerade dieser Ansatz der Kanzlerin ist umstritten. So spricht
sich die Monopolkommission, die die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen
berät, gegen öffentliche Gelder zur Förderung von Elektroautos aus. Es
sei „völlig unklar, ob Elektroautos eine Zukunft haben oder sich eine
andere Technologie durchsetzen wird“, sagte der Vorsitzende des
Gremiums, Justus Haucap. Es sei auch „kein Marktversagen zu erkennen,
das eine solch drastische Subvention rechtfertigen könnte“.
Kritik kommt auch von den Wirtschaftsweisen. „Ich halte nichts davon,
wenn der Staat sich Bereiche aussucht, die seiner Ansicht nach besonders
zukunftsträchtig sind und dann gezielt bestimmte Produkte oder
Technologien fördert“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats,
Wolfgang Franz. Das verzerre den Wettbewerb.
Kommentar von Seite 2:
Im Schritt-Tempo zum E-Motor
Bundesregierung plant umstrittenes milliardenschweres Förderpaket
Till H. Lorenz
Es ist nur ein erster Schritt, den die Bundesregierung mit ihrem
geplanten Förderpaket zur Elektromobilität macht. Und er kommt spät.
Seit Jahren wird von der deutschen Politik über die Zeit nach dem Öl
diskutiert. Da werden Benzingipfel abgehalten, steigende Spritpreise in
aller Regelmäßigkeit verdammt und zaghafte Versuche unternommen,
alternative Treibstoffe auf den Markt zu bringen. Dass die Zeit des Öls
aber eines Tages enden wird und es daher nicht mit der verpfuschten
Einführung eines E 10-Treibstoff getan ist, scheint auch Berlin
inzwischen begriffen zu haben.
Gewiss, niemand kann sagen, ob die Batterie als Energiequelle der
Weisheit letzter Schluss ist. Viele Experten setzen langfristig bereits
auf die Brennstoffzelle. Dass alle künftigen Lösungen aber auf
Elektromotoren aufsetzen, steht außer Frage. Und so geht es bei
Investitionen in diesem Bereich auch weniger um Umweltschutz. Zumal der
Strom für die E-Autos dafür ohnehin erst einmal
aus erneuerbaren Energien stammen müsste. Es geht vorrangig um die
Sicherung von Arbeitsplätzen, es geht um die Sicherung der gesamten
deutschen Industrie. Denn der Umstieg auf die E-Mobilität ist nicht weniger als die tiefgreifendste Veränderung unserer Gesellschaft seit gut 140 Jahren.
Gewiss, nicht wenige werden sich über die Kosten beklagen, die
dadurch kurzfristig für den Steuerzahler entstehen. Sie werden ihre
Meinung aber ändern, wenn die großen Autobauer hierzulande mit
Massenentlassungen drohen, weil ihnen die Konkurrenz aus Asien
sprichwörtlich davon fährt. Die Kosten dieses drohenden Desasters
dürften den Steuerzahler schmerzhafter treffen als ein paar
Steuererleichterungen und Forschungsgelder. Nicht ohne Grund pumpt die
Hüterin der freien Marktwirtschaft, die USA, bereits weit größere Summen
in den E-Mobil-Markt, als es die Bundesregierung plant.
Der erste verhaltene Schritt von Berlin ist angesichts dessen also zu
begrüßen und absolut richtig – doch viele um uns herum rennen bereits.