Kein Anschluss unter diesem Meer
Lieferengpässe und Geldmangel: Der Ausbau der Netzanbindung für die geplanten Nordsee-Windparks gerät ins Stocken
Berlin/Kiel
Auf der Internet-Seite des
Stromnetzbetreibers Tennet liest es sich gut: „Tennet sorgt für
Anschluss auf hoher See“, wirbt das holländische Staatsunternehmen, das
auch für die Anbindung von Deutschlands Nordsee-Windparks
zuständig ist. Die Wirklichkeit könnte bald anders aussehen: Weil es
„massive Probleme bei der Beschaffung des notwendigen Kapitals“ gebe,
sei „die Errichtung von Anschlussleitungen für Offshore-Windparks in der bisherigen Form nicht länger möglich“, schreibt Tennet-Chef
Martin Fuchs in einem Brandbrief an das Bundeskanzleramt, das Umwelt-
und das Wirtschaftsministerium. Zudem beklagt er Lieferengpässe bei
Herstellerfirmen.
Zwar beschwichtigte Tennet-Sprecherin
Cornelia Junge gestern, der Alarmruf gelte nur für neue Vorhaben. Alle
laufenden Projekte würden „unverändert durchgeführt“. Auch Schleswig-Holsteins
Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) zeigte sich zuversichtlich.
Sein Sprecher sagte, die Bundesnetzagentur habe erklärt, dass die vor
der Westküste geplanten Windparks „auf der sicheren Seite sind“. Hier
sollen in den nächsten fünf Jahren laut de Jagers Energiekonzept sieben
Windparks mit einer Gesamtleistung von 3000 Megawatt entstehen – drei
vor Helgoland, vier vor Sylt (siehe Karte).
Der Ausbau vor der Westküste Schleswig-Holsteins dauert länger
Allerdings wird es zu Verzögerungen kommen. So können etwa die beiden geplanten Offshore-Parks
„Nordsee Ost“ und „Meerwind Süd/Ost“ nicht wie bisher vorgesehen 2013
in Betrieb gehen, sondern voraussichtlich erst 2014. Denn die zugehörige
Konverterplattform „Helwin 1“ wird nun ein Jahr später als beabsichtigt
fertig – erst Ende 2013. „Bei Helwin 1 gibt es Verzögerungen“, räumte
Junge gegenüber unserer Zeitung ein. Die Konverterstation wandelt den
auf dem Meer produzierten Drehstrom in Gleichstrom um, weil der besser
über weite Entfernungen zu transportieren ist. Auch der Windpark
„Amrumbank West“ kann voraussichtlich erst später als zum bisher
angepeilten Jahr 2014 ans Netz gehen, weil deren Konverterstation
frühestens 2015 fertig wird. Und für die Anlage „Butendiek“ vor Sylt
gibt es noch gar kein konkretes Anbindungsprojekt.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zeigte sich gestern
gesprächsbereit gegenüber Tennet: „Die geschilderten Probleme sind uns
bekannt“, sagte eine Sprecherin. Das Ressort „arbeite intensiv daran“,
sie zu lösen. Unter anderem will Rösler den Einstieg von Investoren in
den Offshore
-Ausbau dadurch attraktiver machen,
dass er die Haftung für Netzbetreiber begrenzt. Allerdings sieht der
Minister auch Tennet in der Pflicht: „Zu den beklagten Kapitalengpässen
gilt im Grundsatz, dass der hinter Tennet stehende niederländische Staat
für eine ausreichende Finanzierung verantwortlich ist“, ließ Rösler
erklären. Die Flensburger Grünen
-Energieexpertin Ingrid Nestle forderte Rösler auf, Teile des Offshore
-Netzausbaus
auszuschreiben, „weil Tennet es allein nicht schaffen kann“. Notfalls
müsse auch der Bund mit einer Kapitalspritze einsteigen.
Henning Baethge