Unfälle, Schiffshavarien, Terrorgefahr: Noch
gibt es kein Schutzkonzept für die Anlagen auf hoher See – das will die
Bundesregierung nun ändern
Husum/Berlin
Die Bundesregierung treibt den Ausbau von Windkraftanlagen auf dem
Meer voran – doch sie hat bisher kein Sicherheitskonzept für die Parks
auf hoher See. Das ist jetzt auf einer Fachtagung der Unionsfraktion im
Bundestag deutlich geworden. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf“,
mahnte der nordfriesische CDU-Abgeordnete
Ingbert Liebing. Sein Parteifreund und Verkehrsstaatssekretär Enak
Ferlemann kündigte an, dass sein Ministerium ein Konzept entwickeln
werde.
Noch drehen sich erst rund 50 Rotoren in Nord- und Ostsee vor
Deutschlands Küste. Aber bald wird das ganz anders aussehen: Wenn allein
die bereits genehmigten 27 Windparks gebaut werden, ragen in ein paar
Jahren fast 2000 Masten aus dem Meer, viele mehr als hundert Kilometer
vom Festland entfernt. Daraus resultieren zahlreiche
Sicherheitsprobleme.
So ist unklar, wie im Notfall die Rettung von Technikern oder
Wartungskräften gewährleistet wird. Bisher sind die Betreiber zuständig.
„Viele Investoren unterschätzen aber, wie rau das Klima da draußen
ist“, sagte Ferlemann. Die Wellen schlagen schon mal 15 Meter hoch bis
auf die Plattformen der Anlagen – die Firmen seien da mit
Bergungsmaßnahmen überfordert. Zudem fehlt es an Flugregeln für
Hubschrauber im Luftraum über den Rotoren. „Wir brauchen hier eine
staatliche Verantwortung“, resümierte der Verkehrsstaatssekretär. Sein
Ressort sei dazu bereit, brauche dann aber mehr Geld, um
Rettungshelikopter betreiben zu können.
Auch die Gefahr von Schiffshavarien droht zu steigen. Zwar sind die
Windräder so konstruiert, dass sie bei einem Aufprall nachgeben und die
Schiffshaut nicht verletzen sollen. Zudem müssen größere Schiffe einen
Abstand von rund vier Kilometern zu den Anlagen einhalten. Doch wenn sie
manövrierunfähig abdriften, nützt diese Vorschrift nichts. Der
Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordsee, Nordfrieslands
Landrat Dieter Harrsen, fürchtet daher: „Die zusätzlichen Offshore-Parks erhöhen die Gefahr einer Kollision und Ölverschmutzung.“
Experten fordern daher eine Radarüberwachung der Windfarmen – nicht
zuletzt, weil die Anlagen Terroristen anziehen könnten. „Ein Umspannwerk
auf dem Meer ist ein lohnendes Ziel für einen Angriff, weil so ein Teil
der Stromversorgung des Landes lahmgelegt werden kann“, warnte CDU-Mann
Liebing. Er verlangt daher nicht nur die Kontrolle per Radar, sondern
auch eine schlagkräftigere Organisation der Küstenwache: „Wir brauchen
eine einheitliche Bundesküstenwache.“
Bisher sind die deutschen Seeschutzkräfte auf vier verschiedene
Ministerien verteilt. Doch obwohl die Bundesregierung in ihrem
Koalitionsvertrag eine Bündelung der Kompetenzen unter einer Leitung
vereinbart hat, wollen Ferlemann und sein Minister Peter Ramsauer (CSU)
davon nichts wissen: „Das Netzwerk, das wir haben, funktioniert
hervorragend“, sagt Ferlemann. Für Liebing zeugt es dagegen von
„organisierter Unverantwortlichkeit“, wie er sagt: „Im Notfall braucht
man eine klare Zuständigkeit.“
Henning Baethge