Wissenschaftler warnen vor schweren Umweltbeeinträchtigungen durch Biomasse
Halle/Sönnebüll /was
Bioenergie kann als nachhaltige Energiequelle keinen wesentlichen
Beitrag zur Energiewende leisten. Dies ist das Ergebnis einer
Stellungnahme von Forschern der Leopoldina. Die 20 Mitglieder der
Arbeitsgruppe „Bioenergie“ an der renommierten Nationalen Akademie der
Wissenschaften in Halle an der Saale verglichen die Bioenergie mit
anderen erneuerbaren Energieressourcen wie der Photovoltaik, der
Solarthermie und der Windenergie. Sie kommen zu dem Schluss, dass die
Bioenergie mehr Fläche verbrauche und häufig mit höheren
Treibhausgasemissionen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden sei. Zudem
konkurriere sie mit der Herstellung von Nahrungsmitteln. Vorrang geben
die Experten daher der Einsparung von Energie sowie der Verbesserung der
Energieeffizienz.
„Wir brauchen nicht mehr Biogasanlagen in Schleswig-Holstein,
wir haben bereits genug“, sagte Landwirtschafts- und Energieminister
Robert Habeck (Grüne) unserer Zeitung. Es sei ein Punkt erreicht, bei
dem ein weiterer Bau „uns in der Energiewende nicht weiter hilft“. Für
Schleswig-Holstein sei klar, dass die Energie
von auf dem Festland stationierten Windkraftanlagen die preisgünstigste
und vernünftigste Variante sei, die den allergrößten Anteil an der
Energieversorgung haben werde. Der Anteil von Solarenergie sowie der
Bioenergie werde wesentlich geringer sein. „Dennoch hat die Bioenergie
eine strategische Bedeutung, weil sie potenziell über kurze Zeiträume
speicherfähig ist.“ Damit könne sie als einzige regenerative Energie
schwankende Belastungen im Stromnetz ein Stück weit ausgleichen. Zudem
seien Biogasanlagen zum Teil auch Wärmeanlagen, mit denen private und
öffentliche Gebäude beheizt werden können.
„Biogas ersetzt derzeit zwei Atomkraftwerke“, hebt Hans-Ulrich Martensen, Sprecher des Fachverbands Biogas in Schleswig-Holstein,
die Bedeutung der Biogasanlagen hervor. Eine allgemeine Sättigung im
Norden kann er nicht erkennen. „Im Norden des Landes ist das sicherlich
so, dort stehen ungefähr zwei Drittel aller Anlagen. Aber in Kreisen wie
Dithmarschen oder Steinburg werden noch einige größere Biogasanlagen
gebaut werden, dort ist noch großes Potenzial.“ Wenn dahinter eine
ordentliche Wärmeversorgung stünde, sei das „sowohl ökonomisch als auch
ökologisch sinnvoll“.
Eine mögliche Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung in Schleswig-Holstein
bezeichnete Martensen als „Blödsinn“. Bis 2008 habe es im Norden rund
800 000 Hektar Stilllegungsflächen gegeben. „Auf dieser Grundlage ist
doch überhaupt erst die Basis zur Herstellung von Biomasse für
Biogasanlagen geschaffen worden.“
Klaus Dahmke, Pressesprecher beim Landes
-Bauernverband, hält den Boom bei der Biomasse
-Erzeugung
für „beendet“. Er sei selbst erstaunt gewesen, als er erfahren habe,
dass aktuell zum ersten Mal seit Jahren die Maisanbaufläche im Land
zurückgegangen sei. Einer Kehrtwende bei der Beurteilung von Biomasse
sieht Dahmke gelassen entgegen. Die Politik habe vor Jahren diesen Weg
vorgegeben, Landwirte hätten die sich ihnen bietenden Möglichkeiten
durch Förderungen und Garantien ausgeschöpft. „Die Bauern haben Verträge
über 20 Jahre für die Abnahme von Gas und Wärme abgeschlossen, danach
können wir uns gern weiter unterhalten.“ Dennoch gibt Dahmke zu: Die
Idee der Erzeugung und Verwertung von Biomasse sei „übersteuert“
gewesen. „Im Nachhinein ist man immer schlauer.“