Theoretisch, aber nicht praktisch
Die neue Windkraft-Studie des Umweltbundesamtes zur On- und Offshore-Technik liefert wenig brauchbare Erkenntnisse.
Frank Jung
An Land sei so viel mehr drin, dass man Offshore links liegen lassen
könne: Natürlich macht eine solche Botschaft, wie sie das
Umweltbundesamt mit einer neuen Studie verkündet, erstmal nachdenklich.
Doch bringt sie unterm Strich wenig brauchbare Erkenntnisse. Denn die
entscheidende Einschränkung liefert die Analyse ja selbst mit:
Theoretisch sei es möglich, 50 000 Quadratkilometer Deutschlands mit
Windrädern zu bestücken.
Aber eben theoretisch und nicht praktisch. Sicher sind die Bürger
bereit, für die Energiewende eine deutlich dichtere Verspargelung der
Landschaft in Kauf zu nehmen, zumal wenn dies den Strompreis weniger
belastet als Offshore-Windparks. Aber bis ins
Uferlose reicht das nicht. Für 50 000 Quadratkilometer lässt sich keine
Akzeptanz ausmachen, nicht annähernd. Entspräche dieses Ausmaß doch 13,8
Prozent der Bundesrepublik. Damit sehe Deutschland komplett anders aus
als heute. Schleswig-Holstein reserviert mit der
kürzlich beschlossenen Verdoppelung seiner Windeignungsflächen gerade
mal 1,8 Prozent des Landes für Mühlen. Diese Schwelle gilt selbst dem
Bundesverband Windenergie, Lobby-Organisation der Onshore-Branche,
als das, was heute vermittelbar ist. Vor allem hat sich die
Landesregierung diese Zahl mit ihrer Ausweitung der Eignungsflächen zu
eigen gemacht. Deshalb verwundert es, wenn sich der Energiewendeminister
nun so äußert, als sehe er landseitig weitere Luft nach oben. Zumal
Investoren bisher nur zaghaft von den neuen Standorten Gebrauch machen.
Dieses Umsetzungsproblem hätte staatlicherseits mehr Beachtung verdient
als rein rechnerische Potenzialstudien.
Nach wie vor erscheint es unrealistisch, auf Offshore zu verzichten.
Immerhin warten noch 75 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs
darauf, von konventionell auf erneuerbar umgestellt zu werden. Große
Mengen lassen sich nirgendwo verlässlicher erzeugen als auf See. Ohne
Förderung irgendeiner Art wird es in der Anfangsphase nicht gehen.
Mittelfristig muss Offshore dann drastisch preisgünstiger werden. Aber
die dazu nötige Lernkurve verläuft wie bei jeder neuen Technik umso
schneller, je zügiger in hoher Stückzahl gebaut wird. Immer wieder neue
theoretische Einwände bewirken das Gegenteil.