Neue Nüchternheit
Die Energiewende bekommt einen anderen Rahmen, für den Schleswig-Holstein einige Träume begraben muss
Helge Matthiesen
Wenn es ein Thema gibt, bei dem eine große Koalition nützlich sein
kann, dann ist es die Energiewende. Sie ist tendenziell so komplex, dass
ein politischer Grundsatzstreit in eine gefährliche Schieflage führen
könnte, aus der die Republik nur mit wirtschaftlichem Schaden
herauskäme. Ein sachlicher Kompromiss muss her. Denn auch an einer
anderen Stelle gibt es Konsens: So wie es bisher gelaufen ist, kann es
nicht weitergehen. Das unübersichtliche System aus Subventionen,
Umverteilungen und Ausnahmeregelungen hat zu finanziellen Belastungen
geführt, die für viele Menschen nicht zu tragen sind. Der Energiewende
droht der Absturz, weil es ihr an einem Plan fehlt.
Die Aufbruchstimmung des Anfangs weicht einer neuen Nüchternheit. Der
Kompromiss zwischen Union und SPD, so wie er sich jetzt andeutet, sucht
einen Ausgleich zwischen planwirtschaftlichen Eingriffen und
Marktmechanismen, zwischen den großen Investoren und den kleinen
Stromkunden. Er markiert einen Wendepunkt: Nach dem schwungvollen Start
kommen jetzt die Mühen der Ebene. Wenn sogar Politiker der Grünen dem
etwas abgewinnen können, dann liegen die Unterhändler nicht ganz falsch.
Schleswig-Holstein wird sicherlich Federn
lassen müssen. Es wird definitiv weniger Geld in den Norden fließen,
wenn sich die Förderung für Windenergie ändert. Da der Ausbau der
Anlagen auf See zurückgefahren wird, werden auch Arbeitsplätze in den
Produktionsbetrieben, bei der Hafenwirtschaft und in der Logistik
berührt sein.
Das Land muss seine eigenen Investitions- und Fördervorhaben
überprüfen. Noch vor zwei Jahren ging die Vorstellung um, der Wind sei
so etwas wie die Kohle des 21. Jahrhunderts und Schleswig-Holstein
mache sich auf den Weg in eine glanzvolle industrielle Zukunft. Jetzt
darf der Norden schon zufrieden sein, wenn wenigstens weiter investiert
wird. Das immerhin scheint auch in Zukunft der Fall zu sein.