Der Wert des Windes
Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein können Wertschöpfung von vier Milliarden Euro generieren und weite Teile der Wirtschaft profitieren lassen
Husum/Flensburg
Die Windenergie in Schleswig-Holstein könnte
in den kommenden Jahren mehr als vier Millarden Euro an Wertschöpfung
generieren – und das allein an Land. Das ist zumindest das Ergebnis der
an der Universität Flensburg von Christiane Kutz erstellten Masterarbeit
„Regionalökonomische Effekte der Nutzung von Windenergie in Schleswig-Holstein“,
die erstmals in diesem Umfang mit wissenschaftlichen Methoden erhobenes
Datenmaterial zur Windenergie hierzulande bereitstellt.
Ermittelt hat Kutz zunächst den Status quo der Wertschöpfung für das
Jahr 2011, in dem nach Erhebungen der Landwirtschaftskammer 115
Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 285 MW (Megawatt) neu
installiert wurden. Ende 2011 waren zwischen Nord- und Ostsee damit
insgesamt 3145 Megawatt Windleistung am Netz. Durch die Neuinstallation
sowie den Betrieb und die Wartung der bestehenden Anlagen entstand den
Berechnungen zufolge im fraglichen Jahr eine Bruttowertschöpfung von 244
Millionen Euro.
Auf der Basis dieses Wertes hat die ehemalige Studentin, die ihren
Master mittlerweile in der Tasche hat, drei Szenarien für die zehn
Folgejahre entworfen und durchgerechnet, mit unterschiedlichen Annahmen
zum Windenergieausbau. Szenario A geht von einer Verdoppelung der
installierten Leistung auf 6300 MW aus, Szenario B von einer Steigerung
auf 7000 MW und Szenario 3 von einem noch stärkeren Zubau auf 11 700 MW.
Bei der Netzwerkagentur Windcomm Schleswig-Holstein
hält man Variante B für naheliegend: Sie decke sich mit eigenen
Berechnungen, die sich aus der im vergangenen Jahr von der
Landesregierung beschlossenen Erweiterung der Windeignungsflächen auf
knapp 26 000 Hektar ergeben, sagt Windcomm-Projektmanager
Holger Arntzen, der die Masterarbeit gemeinsam mit dem Organisator des
Studiengangs „Energy and Evironmental Management – Industrial“,
Professor Dr. Olav Hohmeyer, begleitet hat.
Für moderne Windkraftanlagen werde heute ein durchschnittlicher
Flächenbedarf von vier bis fünf Hektar pro Megawatt veranschlagt. „Dazu
kommt noch einiges an Repowering, so dass ein Zubau auf 7000 MW binnen
zehn Jahren realistisch ist“, so Arntzen, der auch selbst bei Hohmeyer
studiert hat. Geht man also von 7000 Megawatt Windleistung im Jahr 2021
aus, so würde sich nach Berechnungen von Christiane Kutz die direkte und
indirekte Bruttowertschöpfung in diesem Zeitraum mehr als verdoppeln:
von den genannten 244 in 2011 auf knapp 600 Millionen Euro in 2021 –
jährlich. Über die zehn Jahre addieren sich diese Millionenbeträge auf
4,14 Milliarden Euro.
„Wir reden hier nicht von Investitionen, sondern von echtem
Mehrwert“, betont Holger Arntzen. „Wertschöpfung bezeichnet die
Umformung, Umwandlung, Weiterverarbeitung oder Veredelung von
vorhandenen Ressourcen zu neuen Produkten. Sie ist eine Maßgröße für die
Leistung eines Unternehmens beziehungsweise einer Wirtschaftseinheit“,
so die Definition in einer Windcomm-Broschüre,
die die wesentlichen Ergebnisse der Masterarbeit zusammenfasst. In der
Windindustrie reiche die Wertschöpfungskette „von der Idee eines
Windparks bis zum Betrieb und zur Wartung sowie schlussendlich dem Abbau
oder Repowering einer WEA“, heißt es dort ebenfalls. Als Hauptfaktoren
nennt Arntzen die Arbeitseinkommen der Arbeitnehmer, den Anteil der
Steuern, der im Land verbleibt, sowie den Gewinn der hierzulande tätigen
Unternehmen.
Interessant auch die Anteile der einzelnen Wertschöpfungsbereiche. So
wird Kutz zufolge eine – aus der Entwicklung logische – Verlagerung aus
der Neuinstallation (von der Planung bis zu den Bauarbeiten) zum
Windparkbetrieb stattfinden. Betrug das Verhältnis 2011 noch 60 zu 184
Millionen, so sind für 2021 rund 160 Millionen an Wertschöpfung aus der
Neuinstallation und 440 Millionen Euro aus Service, Wartung,
Versicherung, Betriebsführung et cetera veranschlagt.
Die Gewerbesteuer ist ein weiterer Aktivposten der Windenergie im Lande. So betrug deren in Schleswig-Holstein
verbleibender Anteil im vergangenen Jahr rund 37 Millionen Euro, davon
31 Millionen für die Gemeinden und sechs Millionen für das Land. Im Jahr
2021 werden es den Prognosen zufolge 83 Millionen Euro und damit mehr
als doppelt so viel sein. Die Beschäftigung in Neuinstallation, Betrieb
und Wartung steigt von 4535 Arbeitsplätzen (wissenschaftlich
ausgedrückt: Personenjahren) in 2011 auf 11 000, davon knapp 7000 im
Bereich Betrieb und Wartung.
Bei ihrer Arbeit hat sich Christiane Kutz eines Mengenmodells bedient, einer sogenannten Input-Output-Analyse,
wie sie in der modernen Wirtschaftsforschung gebräuchlich ist und von
Professor Hohmeyer für die Windenergie weiterentwickelt und angepasst
wurde. In die Berechnungen einbezogen wurde nur die Onshore-, nicht die
Offshore-Windenergie sowie ausschließlich das, was in Schleswig-Holstein erwirtschaftet wurde und innerhalb der Landesgrenzen verbleibt.
Alle Ergebnisse der Masterarbeit basieren auf dem Status quo 2011.
Änderungen der politischen Rahmenbedingungen, etwa des Erneuerbare-Energien-Gesetzes,
würden sich auf die Prognosen auswirken. Außen vor gelassen wurde
außerdem ein möglicher technologischer Fortschritt in der Windindustrie
sowie eine mögliche Steigerung der Arbeitsproduktivität.
Heike Wells