Studie: Bauern düngen zu viel
Wissenschaftler, Ministerium und Landwirte suchen Lösungen für steigende Nitratbelastung des Grundwassers
Kiel
Durch die intensivierte Rinderfütterung mit Mais und die Zunahme der
Biogasanlagen, die bevorzugt Mais als Gärsubstrat einsetzen, hat sich
die Maisanbaufläche in Schleswig-Holstein
zwischen 2003 und 2012 von 86 400 auf 181 000 Hektar nach Angaben des
Agrarministeriums mehr als verdoppelt. Grenzwerte für das Ausbringen
pflanzlicher Gärreste aus Biogasanlagen sind für Professor Friedhelm
Taube von der Kieler Christian-Albrechts-
Universität zwar ein wichtiger – keineswegs jedoch der einzige nötige
Schritt, um der sich verschärfenden Nitratbelastung des Grundwassers
Herr zu werden. Mehr Kontrollen mit Kostenbeteiligung der Landwirte,
kürzere Verwendungszeiten und eine bessere Beratung zählen zu den von
ihm empfohlenen Instrumenten.
„Noch gigantische Reserven“ sieht der Kieler Professor und
Sachverständige der Bundesregierung etwa darin, dass die Landwirte ihren
Umgang mit mineralischem Dünger optimieren. Die Forschung wisse seit 20
Jahren, dass dessen Verwendung längst nicht in dem einst empfohlenen
Umfang notwendig sei. „Doch in der Praxis halten sich noch immer
erhebliche traditionelle Elemente“, beklagt der Wissenschaftler. Zum
Beispiel sei längst erwiesen, dass Maisfelder allein mit Gärresten und
Gülle ohne Ertragsverlust gedüngt werden könnten. Forschungen hätten
ergeben: 70 Prozent der Maisbestände in Schleswig-Holstein würden sogar mit zu viel Stickstoff versorgt.
Durchaus reichen Taube zufolge auch eingeschränkte Zeiten. Er
fordert, dass das Ausbringen von Gülle und Gärresten auf die
Hauptwachszeit zwischen März und Juni beschränkt bleiben müsse. Zwar ist
es seit zwei Jahren verboten, die Stoffe nach der Ernte der Hauptfrucht
zu benutzen – „doch es gibt in Schleswig-Holstein immer noch etliche Bauern, die es trotzdem tun“, kritisiert der Wissenschaftler.
Zwar müssen die Höfe eine eine Bilanz darüber erstellen, wieviel
Dünger sie einsetzen und wieviel Stickstoff ihre Erträge enthalten. Es
würden aber nur ein Prozent der Betriebe kontrolliert – und bei 30
Prozent der Kontrollierten hätten sich Fehler herausgestellt, moniert
Taube. Er empfiehlt eine Beratungspflicht für den Umgang mit
Düngemitteln zumindest für Bauern, bei denen Mängel aufgedeckt werden.
Auch gelte es, bei den Ackerbauern in der Marsch und im Östlichen
Hügelland Akzeptanz für das Düngen mit Gülle und Gärresten zu schaffen.
Dort beobachtet er bisher eine einseitige Bevorzugung von Mineraldünger.
Nur, wenn sich im Westen und im Osten des Landes mehr Abnehmer finden,
sieht Taube eine Lösung für die Gülle- und Gärstoffüberschüsse auf der
Geest. Mittelfristig wirbt er sogar dafür, zur Entzerrung der
Problematik die – meist mit Biogasanlagen und Maisanbau kombinierte –
Milchviehhaltung in der Mitte des Landes nicht zu erweitern. Stattdessen
solle sie zum Teil in die traditionellen Ackerbauregionen in Marsch und
Östlichem Hügelland auswandern. Das sei aber ein langfristiger Prozess.
Umwelt- und Agrarminister Robert Habeck (Grüne) schließt sich Taube in soweit an als er feststellt: „Die Landwirte in Schleswig-Holstein
müssen effizienter düngen – dann können sie auch bei Düngemitteln
sparen“. Derzeit werde zu viel gedüngt. „Das gefährdet das Trinkwasser
künftiger Generationen“, warnt der Minister. Zugleich betont sein Haus,
dass die Trinkwasser-Qualität im Land derzeit
insgesamt gut sei. Allerdings bestehe die Gefahr, dass es bei
anhaltenden Nitrateinträgen auch zu Grenzwertüberschreitung in tieferen
Grundwasserschichten kommt – und damit das Trinkwasser beeinträchtigt
wird. Neben mehr Beratung und einer von ihm auf Bundesebene unterstützen
Verschärfung der Düngeverordnung setzt Habeck auch auf die Allianz für
Gewässerschutz, die er mit dem Bauernverband verabredet hat. Ein
Baustein: Landwirte stellen freiwillig breite Gewässerrandstreifen ohne
Düngung zur Verfügung, für die sie eine Entschädigung bekommen.
Heute wollen die Partner der Allianz bei einem Treffen das weitere Vorgehen abstimmen. Nach Auskunft von Bauernverbands-Sprecher
Klaus Dahmke werde dabei auch über Taubes Studie zum Umgang mit den
Gärrückständen diskutiert. Für Dahmke geht es „vor allem um eine Frage
der räumlichen Verteilung“. Aufs ganze Land bezogen, erkennt er kein
Flächenproblem. Zugleich verweist er darauf, dass mit herkömmlicher
Gülle weniger gedüngt werde als noch vor wenigen Jahren – die Grenzwerte
seien auf 170 Kilogramm pro Hektar heruntergestuft worden. „Wenn in
Frage gestellt werde, ob die Landwirte das überall einhalten, soll die
Verwaltung das öfter überprüfen.“ Grundsätzlich ist ihm wichtig: „Gülle
ist wirtschaftlich hochwertig. Mich stört die oft geäußerte Sichtweise,
dass es dabei um Entsorgen gehe.“
Frank Jung