Dann kommt hier der Marathonbericht. Womit fange ich denn mal an? Die Organisation war sehr ordentlich. Bereits um 6 Uhr waren alle Anmeldetische besetzt. Es bedarf aber einer kurzen Effizienzmaßnahme. Ich stelle mich nicht um 6 Uhr hinten an, wenn nur ein Tisch sich für Marathonisti zuständig fühlt. Also habe ich unser Team wieder standesgemäß vertreten und habe eine zweite Reihe aufgemacht und den bislang nur zuschauenden 10 Leuten an den 5 freien Tischen (warum waren die alle schon um 6 Uhr da?) zur Arbeit verholfen. Ich habe versucht höflich zu sein, aber nach 6:22h Fahrtzeit und etwas unter 7h kannte man mich noch. Nächstes Mal nehme ich Geld für meine Strategieberatung. J
Nicht nur bei der Anmeldung konnte ich die Kölsche Gelassenheit feststellen. Der Plan war zwar ein Start um 6:30 Uhr, aber man durfte - getreu dem Motto: first comes, first serves - auch schon eher los. Der erste ging schon um 6:12 Uhr auf die Piste, hatte es besonders eilig. Habe ich dann, nachdem ich um 6:22 Uhr gestartet war, aber schon um 6:25 Uhr wieder gesehen. Hinterrad platt noch vor dem Ortsausgangsschild, was für eine Heißdüse.
Ohne den eigentlich vorgsehenen Massenstart gab es dann gar kein Grüppchen. Super, war die schwierigste Aufgabe für mich - Einordnen in eine Gruppe - bereits zu meinen Gunsten entschieden. Der Plan war gemütlich ohne den Stress einer Gruppe loszuradeln. Wäre da nur nicht Mr. Hyde. Nachdem ich den Frühstarter am Wegesrand liegen gelassen habe, konnte ich noch mehrere 2er Gruppen überholen. Da ich dann rollte, habe ich einfach weitergetreten.
Kurz vor dem ersten langen (sehr langen), aber flachen Anstieg kam dann ein 70jähriger von hinten angefahren und quatscht mich an. Darf man das auf einer RTF? Ich möchte mich das nächste Mal als „nicht sprechend“ anmelden. Das sollten die Organisatoren verbessern. Vollkommen respektlos, zumal ich keine Sprechzeit vereinbart hatte. Nun ja, er hatte ein S04-Outfit, ich konnte ihn daher basierend auf meinen Erfahrungen mit anderen dieser bemitleidenswerten Spezies einordnen. Sein Gesprächsinhalt war ein Absolvieren des Marathons unter 7h, ich dachte kurz, könnte ja in meinen Plan passen. Aber da war ja noch Mr. Hyde, der hatte da etwas gegen. Als der bemitleidenswerte S04-Anhänger dann irgendetwas von Ortskenntnis und möglichen Abkürzungen faselte, habe ich genügend Watt in die Kurbel eingeleitet, um ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ihn auf die hinteren Plätze zu verweisen. Den musste ich schon mal nicht mehr sehen, dachte ich.
Bleiben wir kurz bei „Mr. Abkürzung“. Er hat es geschafft, ohne mich zu überholen, jeweils nach den ersten drei Verpflegungen vor mir zu sein. Unglaublich, der P….. hat abgekürzt. Seine kläglichen Versuche sich in den Windschatten zu hängen, habe ich empathisch wie ich nun mal bin, gnadenlos vereitelt.
Bis KM 70 war ich nahezu alleine unterwegs. Nur ab und an, bin ich an vereinzelten Graupen oder einem Pärchen vorbeigezogen. Leider nichts halbwegs Akzeptabeles dabei. Aber dann, an dem relativ graden Stück am Fluss entlang nach Verpflegung 3 lief ein 10er Trupp auf mich auf. Ein Campanaist vorneweg. Hoffnung keimte in mir, dass ich nicht ganz alleine bin. Also drangehangen an den Trupp und nach zwei weiteren Kilometern links vorbei und davor gesetzt. Da war ich wohl etwas übermotiviert, die wollten nicht spielen. Tempoverschärfung ging mit denen nicht. Also habe ich mich versucht zu integrieren, soweit ich das kann. Es war wohl mehr ein: Ich versuche nicht aufzufallen und verstecke mich. Das hat dann auch einigermaßen geklappt. Die waren eigentlich nicht viel anders als wir. 2-3 aus dem Trupp hat, wenn die nach vorne kamen, ein ordentliches Pfund in die Kurbel gedrückt, dann gings es mit mehr als 45 km/h durch die paar flachen Passagen. Bergrauf gab es keine Formation, sondern jeder hat für sich versucht, schnell raufzukommen, gewartet wurde nicht. Die Gruppe war wild zusammengewürfelt, aber selbst diejenigen, die sich kannten, haben nicht aufeinander gewartet. So haben wir dann unterwegs drei Leute verloren.
Kurz vor der Verpflegung 4 (warmes Essen: Nudeln mit Gulsch) waren die allerdings so im Tunnel, nachdem wir eine fiese Kuppe mit Wellen raufgesprintet waren, dass die bei der Abfahrt mit knapp 70 km/h an der Abzweigung vorbeischossen. Drei von den Blinden (zwei davon hinter mir) haben mich noch gehört, da war die Gruppe dann auf 4 Teilnehmer zusammengeschrumpft. Die anderen drei waren froh, dass ich die noch verbleibenden 10 KM bis zur Verpflegung vorne gefahren bin. Das warme Essen habe ich ausgelassen, das Gulasch war ordentlich gewürzt und es standen noch mehr als 1.000 Höhenmeter auf dem Programm. Mit 2 Minuten Verzögerung traf dann der Rest von dem Troß ein, kurz davor - wohl wieder über eine Abkürzung - der S04-Gläubige.
Der Atem ging bei mehr als der Hälfte der Gruppe schwer und kam nur stoßweise. Konsens war wohl die Vornahme einer längeren Pause. Einer wollte aber vorfahren, also habe ich mich erbarmt und bin mitgezogen. Sehr gute Idee von mir, der wollte partout nicht vorne fahren, hatte aber zwei Flaschen mit (komisch). Also habe ich den gezogen, an einigen Anstiegen habe ich auch rausgenommen bzw. auch mal gewartet. So waren wir dann knapp 40 KM nur zu zweit unterwegs. Die Landschaft war absolut traumhaft, nicht nur die Schleife für die Marathonisti. Bei der nächsten Verpflegung gab es einen Blick auf einen wunderschönen See. Das entschädigte auch für die mittlerweile Laktat geschwängerten Beine.
Bei KM 150 war der Troß dann wieder herangefahren, unmittelbar an einer fiesen Rampe, die auch von der Langstrecke (151 KM) zu nehmen war. Mein treuer Windschatten flog dann endgültig raus, seinen Kumpel schien das nicht zu stören. Der war schon im Delirium und stammelte nur noch, hat sich auch nicht mehr an die Spitze des Feldes gesetzt. Relativ zügig wurden dann die Mittel- und Langstreckenfahrer rechts liegen gelassen. Die beiden armen Mitstreiter vom Bergfloh - nur mitgenommen worden, um abgehängt zu werden - habe ich nicht gesehen. Aber den dicken Hintern, der sich da vor mir auftat, erkannte ich trotz einer Verkleidung - Strava in Orange - natürlich sofort. Der gehört dem Bergfloh. Mein Anblick hat dann kurz seine Lebensgeister erweckt und er wollte doch mit den schnellen Jungs spielen. Allerdings hat er uns dann doch ziehen lassen, weil er wegen der Antibiotika Muskelkrämpfe (?) bekommen hat.
Exkurs für die lieben Leser: Natürlich sind Antibiotika nicht ursächlich für das Entstehen von Muskelkrämpfen. Antibiotika weisen eine diuretische Wirkung auf und können somit eine Elektrolytverschiebung verursachen. Die Elektrolytverschiebung, insbesondere ein Magnesiummangel führt dann zu Muskelkrämpfen. Man hätte dem Krampf also durch gezielte Elektrolytaufnahme entgegen wirken können. Ähnliches lässt sich für den Zusammenhang von Antibiotika und Sonnenbrand begründen.
Auf den letzten 10 KM war die Luft bei der Truppe raus. Irgendwie wollte keiner mehr so richtig. Vor mir tauchte dann ein „Profi“ (?) im Einteiler auf. Der fand es total unlustig, dass wir an ihm vorbeigezogen sind. Da fährt er doch an der nächsten roten Ampel an uns vorbei, ein klarer Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Das konnte nicht ungestraft bleiben, Mr. Hyde sprang nun doch aus der Hose. Die Gruppe musste ich leider verlassen, hier galt es ein Exempel zu statuieren. Das wurde auch vollstreckt, Einteiler (oder Einzeller) überholt und angepöbelt.
Am Ziel Gerti und Matthias getroffen. Irgendwann trudelte dann auch Mr. Strava ein, dessen Bruder war auch noch da. Toll so viele Bekannte zu treffen. Dazu kannten mich noch die von der Anmeldung. Ich war der erste Rückkehrer von der Marathontour. Hatte danach aber auch fertig.