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Dilla´s & Eva´s grenzwissenschaftl. & polit. Forum
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Autor |
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Eva S.
Administrator
Beiträge: 6554
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Erstellt: 24.04.09, 03:02 Betreff: Re: Vorschlag zu einer Verfassungsreform |
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Soziale Grundrechte wären ein deutliches Mehr an Gleichheit, um der Freiheit auf die Sprünge zu helfen. Schon die französische Jacobinerverfassung (1793) ergänzte die bürgerlichen Freiheitsrechte um solche sozialen Grundrechte. Sie kannte ein Recht auf Unterhalt und ein Recht auf Bildung. Die frühen sozialistischen Bewegungen des vorletzten Jahrhunderts sahen in sozialen Grundrechten die Menschenrechte der Arbeiter im Kampf um einen angemessenen Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand. Die Weimarer Verfassung der ersten Deutschen Republik enthielt "soziale Grundrechte" zwar als Richtlinien der Politik, nicht aber als einklagbare Ansprüche der Menschen. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1949) der Generalversammlung der Vereinigten Nationen erstrebt eine Welt, in der alle Menschen auch und gerade "Freiheit vor Not und Furcht" genießen. Doch Resolutionen der Generalversammlung sind ohne rechtliche Bindung und haben lediglich moralisches Gewicht.
Auch in der Bundesrepublik gab es nach den Jahren des Wirtschaftsbooms und der Vollbeschäftigung eine Diskussion um die sozialen Grundrechte. Eine vom Deutschen Bundestag beauftragte Expertenkommission kam 1981 nach zweijähriger Beratung zu der Schlussfolgerung, dass soziale Ergänzungen des Verfassungstextes sinnvoll seien. Die Empfehlungen wurden nie umgesetzt.
Auch 1990 im Zuge der Wiedervereinigung und der Diskussion zu einer gesamtdeutschen Verfassung fand sich keine Mehrheit für soziale Grundrechte in der "Gemeinsamen Verfassungskommission". 1994 brachte die Fraktion der PDS/Linke Liste in den Deutschen Bundestag einen Verfassungsentwurf für das wiedervereinigte Deutschland ein, über den das gesamte Volk in einer bundesweiten Abstimmung entscheiden sollte. Der Vorschlag beinhaltete eine lange Reihe von konstruktiven Ansätzen zur Festigung des sozialen Gehaltes einer neuen Verfassung. Der Bundestag ließ die Vorlage nicht passieren. Sie kam nie beim Volk an.
Die Fraktion der PDS aus der 14. Wahlperiode erarbeitete einen Antrag, der die Freiheitsrechte der Verfassung um soziale Grundrechte ergänzen sollte. In allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sollte der Mensch geschützt werden vor Armut, Wohnungslosigkeit, dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem Ausschluss von Bildung und Kultur. In dieser Wahlperiode haben wir dieses Ideen-Erbe wieder aufgegriffen. Wir haben es auch aktualisiert.
Wir haben es angepasst an einen Kapitalismus, der zunehmend rücksichtsloser und unkontrollierter agiert und die Gesellschaft in eine globale Krise gestürzt hat.
Eine fachübergreifende Arbeitsgruppe der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag hat Ihnen nun einen umfassenden Katalog sozialer Grundrechte zur Diskussion vorgelegt. Ebenso wie die Freiheitsrechte sollen die neuen, sozialen Grundrechte echte, einklagbare Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger gegen den Staat schaffen.
Der Katalog umfasst ein Grundrecht auf Arbeit, ein Grundrecht auf soziale Sicherung, ein Grundrecht auf bezahlbaren Wohnraum, ein Grundrecht auf gesundheitliche Daseinsvorsorge und ein Recht auf Migration. Ich zitiere einmal aus dem möglichen neuen Verfassungstext:
Ein neuer Artikel 3 b könnte so lauten: "Artikel 3b (Recht auf soziale Sicherheit)
(1) Jeder Bedürftige hat einen Anspruch auf gegenleistungs- und diskriminierungsfreie Sicherung des Existenzminimums. Dabei müssen die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein und die Teilhabe am Leben der Gemeinschaft gewährleistet sein.
(2) Der Staat ist verpflichtet, kollektive Sicherungssysteme für die Wechselfälle des Lebens zu schaffen. Diese sind solidarisch zu finanzieren."
Ein neuer Artikel 3 c könnte in Auszügen so lauten: "Artikel 3c (Recht auf angemessenen Wohnraum)
(1) Alle Menschen haben das Recht auf einen angemessenen Wohnraum und das Recht auf Versorgung mit Wasser und Energie."
"Ein neuer Artikel 3 d sieht einen Anspruch auf gesundheitliche Daseinsvorsorge vor: (1) Alle Menschen haben das Recht auf gesundheitliche Daseinsvorsorge.
(2) Das Recht ist durch einen sozial gerechten, solidarisch finanzierten und diskriminierungsfreien Zugang zu den Leistungen der medizinischen Vorsorge, Versorgung und Nachsorge und zu Pflegeleistungen zu gewährleisten.
(3) Der Staat ist zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebens-, Arbeits-, Wohn- und Umweltbedingungen verpflichtet."
Ich zitiere weiter:
"Artikel 3 e (Recht auf Bildung)
(1) Alle Menschen haben das Recht auf Bildung. Das Recht umfasst die unentgeltliche, integrative vorschulische Bildung, Schulausbildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Hochschulbildung und die allgemeine kulturelle und politische Bildung und Weiterbildung."
Ein neuer Artikel 9 könnte den Arbeitnehmern neue demokratische Rechte verleihen:
"Artikel 9 Abs.4 (Streikrecht)
(4) Das Streikrecht ist gewährleistet. Es umfasst auch das Recht zum politischen Streik"
Diese Vorlagen sind im Augenblick noch gute Ideen auf geduldigem Papier. Würden sie aber in den Verfassungstext Einzug halten, hätte sich unsere Gesellschaft bald tiefgreifend geändert. Der Staat wäre dann verpflichtet, seine politischen und finanziellen Ressourcen auch zur Durchsetzung der sozialen Grundrechte zu verwenden. Er wäre nun nicht allein der Hüter der formalen Freiheit. Er wäre demnach verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Freiheit real wird, indem die Menschen die materiellen Mittel für den Gebrauch der Freiheit erhalten. Er müsste sich daran machen, Millionen von Menschen aus ihrer ganz realen Unfreiheit zu befreien. Er müsste für Freiheit sorgen: vor existentieller Bedrohung, vor Unbildung, vor Armut und vor Entwürdigung."
Und dann werden Menschen die Verfassung aufschlagen und in ihr die gesellschaftliche Wirklichkeit lesen. Sie werden vielleicht einen Text wie den Folgenden lesen:
"Artikel 3a (Recht auf Arbeit)
(1) Im Mittelpunkt des Arbeits- und Wirtschaftslebens steht das Wohl der Menschen.
(2) Alle Menschen haben das Recht auf eine frei gewählte oder angenommene Arbeit."
Das werden Menschen aber nicht nur lesen. Sie werden auch sagen, dass die Utopie keine reine Utopie mehr ist. Sie werden sagen, dass die Utopie sich zu verwirklichen begonnen hat. Man wird in dieser Zukunft - wie Bloch es nannte - endlich den aufrechten Gang erlernen.
Aufrecht geht der Mensch nur als Gleicher unter Freien.
Das ist die große Utopie, die wir uns denken müssen, die wir ergründen müssen. Soziale Grundrechte sind ein großer Schritt in eine gerechtere Zukunft, die wir uns vorstellen müssen. Gegen diesen großen Schritt stehen nur schwache Argumente. Sie entspringen entweder einem Mangel an Phantasie oder einem Überfluss an persönlichem Wohlstand. Die ersten Kritiker können sich keine gerechte Zukunft vorstellen. Die zweiten wollen nicht.
So alt wie die Diskussion zu sozialen Grundrechten sind auch die zwei Gegenargumente, mit denen gegen soziale Grundrechte stets zu Felde gezogen wurde. Erstens: Soziale Grundrechte seien ein Widerspruch zum Leistungsprinzip. Zweitens: Soziale Grundrechte seien außerdem nicht bezahlbar oder zwängen den Staat zumindest, zu ihrer Finanzierung wirtschaftliche Freiheiten zu beschneiden und unternehmerische Gewinne durch hohe Steuern zu schmälern.
Ist die freie Profitgier von Wenigen mehr wert als der Anspruch von Vielen auf reale Freiheit? Darf man in einem freien Land die Erlangung von Reichtum höher schätzen als den humanen Wunsch nach Selbstverwirklichung? Was ist das für ein Staat, der die Freiheit der Vielen nicht erfüllen mag, weil er die Egoismen einiger Weniger als unabweisbar ansieht? Genießt die Freiheit der Wirtschaft tatsächlich Vorrang vor der Freiheit der Menschen? Sicher nicht.
Soziale Grundrechte sind finanzierbar, wenn die Politik sie finanzieren will. Soziale Grundrechte sind auch kein Widerspruch zum Leistungsprinzip, sondern sie würden nur dazu beitragen, dass dieser Begriff endlich auch einen überzeugenden Inhalt hätte. Frei von Armut und Angst könnten die Menschen überhaupt erst beginnen, sich selbstbestimmt zu verwirklichen, unter gerechten Umständen miteinander fair zu wetteifern, sich mit ihren Leistungen zu messen.
Was geschieht, wenn Menschen nun auch von Armut und Angst befreit werden? Wer keine Angst vor Armut mehr kennt, der wird auch die Gier und die Habsucht leichter abstreifen. Wer seine Angst verliert, dem fällt Missgunst und Hass viel schwerer. Dies wäre keine Welt aus besseren Menschen. Es wäre "nur" eine bessere Welt, in der die Bösartigkeit nicht mehr recht lohnt und es leichter fällt, gerecht zu sein.
Wir reden heute also nicht nur über irgendeine gut gemeinte verfassungsrechtliche Initiative, sondern stellen uns - ganz im Bloch`schen Sinne - der Pflicht, uns im Kopf eine Welt zu denken, die wir in der Realität noch nicht erfahren können.
Wir haben Visionen. Und das gibt Anlass zur Hoffnung, dass alle Teilnehmer unseres Treffens in allerbester geistiger Verfassung sind - die beste Voraussetzung für eine spannende Konferenz!
Vielen Dank
Quelle: http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1306625181
Erst einmal ohne Kommentar meinerseits.
Liebe Grüße, Eva
Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern als ihr treu zu bleiben. (Friedrich Hebbel) ----------------------------------------------------------------------------- Bezweifle niemals, dass eine kleine Gruppe fürsorglicher, engagierter Leute die Welt verändern kann; tatsächlich sind es die Einzigen, die es je haben." (Margaret Mead)
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