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Dauerschreiber


Beiträge: 136


New PostErstellt: 21.10.05, 19:55     Betreff: Das soziale Netz

Zwei an einem Tag
Wie aus einem Netz eine Haengematte wird
Kurt W. Seifert



Wie beschreibt man eigentlich ein Netz?
Ich meine kein Fischernetz mit dem man Meerestiere fängt und auch kein Netz mit dem man im Trüben fischt, ebensowenig ein Einkaufsnetz in dem all die Lebensmittel zur Ernährung der (Solidar) Familie nach Hause gebracht werden. Ich meine ein Sicherungsnetz, wie ich es neulich in einem Zirkus gesehen habe und das diente zum auffangen Gestürzter oder sollte dazu dienen.
Kurzbeschreibung:
Ein Netz ist eine Menge Löcher, die durch Seile zusammengehalten werden.

Das Zirkuszelt war zwar schon etwas alt – ich schätzte es auf ca. 56 Jahre - es war auch schon recht brüchig geworden; die Farbe der Zeltbahnen konnte man aber noch gut erkennen: Schwarz, Rot und Gold. Es hatte bessere Zeiten gesehen, das konnte man ihm ansehen. Jetzt allerdings klafften überall Lücken und Löcher, die kaum zu stopfen waren. Drinnen spielte die Musik tröstliche Weisen.
Allerdings standen viele Musiker tatenlos daneben, denn für sie gab es keinen Platz auf der kleinen Buehne, obwohl der Zirkusdirektor, als er den Zirkus übernahm, vollmundig versprochen hatte, dass er innerhalb zweier Jahre die Bühne so vergrössern könne und es auch tun würde, dass mindestens 50% der herumstehenden Musiker einen Platz zum Aufspielen finden würden. „Sollte mir das nicht gelingen“, hatte er gesagt, „werde ich das Unternehmen an einen Nachfolger übergeben und mich aufs Altenteil zurückziehen“.
Die Bühne war in den zwei Jahren weiter abgebröckelt, es hatten weniger Musiker Platz und der Direktor hatte sein Gedächtnis verloren, denn er war immer noch am Ruder. Sein roter Mantel hatte zwar an Glanz verloren, der grüne seiner Frau auch, aber warum sollte er sich um Farben kümmern, wenn das immer höhere Eintrittsgeld zwar zähneknirschend aber bezahlt wurde.
Der Direktor freute sich über ein volles Zelt, zahlte der eine Teil der Zuschauer doch für einen grösseren Teil nichtzahlender mit, der Zustimmung der Nichtzahler konnte er sich immer sicher sein. Sorgen musste er sich auch nicht zu machen, der Herr Direktor, zwar war das Unternehmen schon lange nicht mehr gesund und stand auf tönernen Füssen, doch warum mit dem Schicksal hadern, wenn die eigenen Einkünfte und die seines Hilfspersonals immer noch reichlich flossen? Schliesslich konnte er das Eintrittsgeld weiter ohne mehr Leistungen, sprich Ideen für neue Programme, erhöhen. Die Eintrittskarten waren eben eines höheren Mehrwerts und dadurch teuer.
Die Kapelle spielte „Oh mein Papa“ und die Clowns traten auf. Zunächst bewarfen sie sich mit fettem Kohl – die Menge der Zuschauer brüllte vor Lachen. Nach einiger Zeit hatten sie - die Clowns - genug davon und fingen an, sich mit einem Ger hart gegenseitig zu stechen, bis ein grosser Teil von ihnen ausblutend am Boden lag. Nun wurde der eine Teil der Zuschauer nachdenklich, konnte oder wollte aber nichts unternehmen, der andere Teil lachte weiter.
Die Vorstellung wurde fortgesetzt.
Trapezkünstler, eine grosse Truppe, sollte auftreten.
Ein Sicherheitsnetz, geflochten aus vielen roten und grünen, unter Verwendung von schwarzen und gelben Seilen, wurde zwischen einem roten und grünen Eckpfeiler aufgehängt, denn ein eventueller Absturz aus der Zirkuskuppel sollte nicht allzu schmerzhaft sein.
Die Artisten, Flieger und Fänger, erklommen den Zenit des Zeltes. Die Trapeze fingen an zu schwingen, von tief nach hoch, von hoch nach tief. Die Flieger flogen, die Fänger fingen sie auf. Angst hatten sie nicht, denn das aufgespannte Netz gab ihnen Sicherheit. Da das Trapezequipment zu alt war, verlängerten sich jedoch die Halteseile, die Abstände zwischen Flieger und Fänger stimmte nicht mehr und die ersten stürzten ab und dann folgte Absturz auf Absturz. Probleme gab es zunächst keine, denn das Sicherheitsnetz fing die Gestürzten auf; es war gross und engmaschig genug. Doch anstatt sich auf sicheren Boden zu begeben, blieben sie Gefallenen einfach liegen und machten keine Anstalten sich aus dem Netz zu befreien. Der letzte - ein Fänger - hatte nun auch keine Lust mehr, liess sich fallen........und blieb liegen.
Nun wäre es an der Zeit gewesen, dass der Direktor die Vorstellung abbricht, doch der – er war mediengeil – gab lieber Interviews und erklärte mit wohlgesetzten Worten, dass die Schuld nicht Fehlbehandlung des Materials lag, sondern dass sein Vorgänger der Schuldige sei, er habe ihm den Zirkus und das Equipment marode übergeben.
Führungslos ging die Vorstellung weiter. Seiltäenzer traten auf und wieder war das Sicherheitsnetz ausserordentlich wichtig, denn um die Vorstellung zu retten, wurden die Kapriolen die über den Köpfen der Zuschauer veranstaltet wurden, immer waghalsiger und abenteuerlicher. Es kam wie es kommen musste, die Abstürze häuften sich und wurden schmerzhafter, denn die Trapezartisten waren liegengeblieben und auch die Drahtseiltänzer bewegten sich nicht mehr.
Die Vorstellung war geschmissen.
Das grösste Problem bestand darin, dass das Netz nun überfüllt war, tief durchhing, die roten und grünen Eckpfeiler sich hilflos bogen und es krachte im Gebälk; die Künstler, verletzt oder unverletzt jedoch, schliefen oder leckten ihre Wunden.
Aus dem Sicherheitsnetz war eine Hängematte geworden.
Die Vorstellung war nicht gut, wirklich nicht, doch wenn die Zuschauer die Wahl haben, der Zirkus will nach der verpfuschten Darbietung vorzeitig abreisen aber ganz schnell wiederkommen, werden sie wieder hingehen aber nachher sagen: „Ich war nie da, oh nein!“

Eines habe ich beim Schreiben dieses, was immer es sein mag, gelernt:
es ist einfach aus einem Sicherheitsnetz, das der Allgemeinheit dienen soll, eine Hängematte zu machen in der man sich getrost ausruhen kann, es ist jedoch kaum möglich eine Hängematte wieder ein Netz für alle umzubauen.

Quelle:
Nicht vorhanden,
ist versiegt.
Copyright:
Bitte beim Zirkusdirektor nachfragen.


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