... nicht in Sant Francesc, hätte so ähnlich aber auch dort passiert sein können:

Bevor ich nach Hause fahre, halte ich fast täglich am SYP, der sich vor einiger Zeit seiner baskischen Wurzeln erinnerte und nun Eroski Center heißt, um mich mit den nötigen Lebensmitteln einzudecken: frisches Fleisch, Fisch, Gemüse, Getränke.

So kommt es, dass ich eine Lieblingskassiererin habe: Marylis, ein Name wie Musik - jung, unverschämt gut aussehend, schüchtern, mit einem bezaubernden Lächeln, kurz gesagt como un sol.

Und dieses Lächeln sagt doch glatt gestern abend: "El Gordo." Ich dreh mich um, keiner da. Also bin ich gemeint. Das ist ja wohl die Höhe, der Gipfel, eine Frechheit. Da flirtet man, schmachtet man, lässt seinen ganzen Charme spielen, zieht den Bauch ein, und dieses blöde spanische Weibsstück bezeichnet mich als El Gordo - Dicker.

Bevor ich vollends beleidigt von dannen ziehe, fällt bei mir die Peseta. Marylis hat einen Block mit Lotterielosen in der Hand. Diese kleine, süße, niedliche Kassengöttin möchte mir ein Los der großen Weihnachtslotterie, wegen des riesenhaften Hauptgewinns El Gordo genannt, verkaufen.

Das ganze Land ist im Lotteriefieber, 97 % der Spanier spielen mit. Kein Wunder bei einem Hauptgewinn von sagenhaften 380 Millionen Euro. Allerdings geht diese Summe nicht an eine Person - man müsste 38 000 Euro anlegen, um alle Lose einer bestimmten Nummer zu kaufen -, sondern in eine Stadt oder Region.

Da werden Losnummer ausgetüftelt, eigener Hochzeitstag dividiert  durch die Quersumme des Hochzeitstages von Kronprinz Filipe und seiner Laetizia, gegebenenfalls multipliziert mit der Anzahl der eigenen Scheidungen - oder so ähnlich. Und diese Losnummer muss man dann irgendwie ergattern, allerdings unter Beachtung des Umstands, dass im letzten Jahr auffallend viele Gewinne in die Region Valencia gingen, der Hauptgewinn jedoch nach Katalonien. Also muss man sich auch noch über Freunde und Bekannte jeweils ein Glückslos von dort besorgen. Es ist also die reinste Wissenschaft. Und (fast) jeder kennt jemanden, der schon einmal abgesahnt hat. Ein nicht ganz kleiner Gewinn ging vor einigen Jahren auch nach Formentera.

Am 22. Dezember sitzt dann ganz Spanien vor dem Fernseher, wenn die Gewinnnummern ausgelost und von Waisenkindern mit glockenhellen Stimmen vorgesungen werden. Man hofft auf einen Multimillionen-Geldregen, wie er im letzten Jahr über Vic/Katalonien niedergegangen ist. Oder denkt an Cala Ratjada/Mallorca vor zwei Jahren: 30 Millionen Euro für 150 Kellner, Zimmermädchen und die Eltern einer Grundschule.

Ich musste das Angebot von Marylis leider ablehnen: die Losnummer ist falsch, absolut nicht meine Glückszahl. Ich muss also weiter suchen.

Und um Lästermäulern zuvor zu kommen: Die Schwärmerei für Marylis bleibt natürlich rein platonisch. Der Laden heißt schließlich Eroski Center und nicht ...

Lothar