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Lo

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Beiträge: 256


New PostErstellt: 22.02.06, 23:25     Betreff: Auf der Flucht.

Draussen ist es kalt.
Der eisige Ostwind treibt hauchfeine Scheeflocken vor sich her.
Nur noch wenige Stunden in diesem Haus, das mir seit Jahren zur liebgewonnen Heimat geworden ist. Nur noch die die eine, vermutlich unruhige Nacht in dem vertrauten Bett, in den Kissen, die meine Träume kennen.
Nur etwas Gepäck mit warmer Kleidung, Waschzeug und den Dingen, die man braucht, wenn man in die Fremde muss.
Ich blicke mich in der Wohnung, in meiner Wohnung um.
Jedes Möbelstück, jedes Bild: alles hat seine Geschichte. Ich präge mir alles ein.
Will mich an alles erinnern können, wenn ich in der Fremde bin.
Morgen werde ich das alles nicht mehr sehen.
Eine leise Wehmut ergreift mich. Ich habe einen Kloß im Hals und mir wird bewusst, wie lange ich schon nicht mehr geweint habe. Es gelingt mir auch jetzt nicht.
Ich schaue auf das Gepäck. Das wird alles sein, was ich mitnehmen werde.
Es geht nicht anders.
Die ersten Vorboten des Grauens haben schon die Stadt erreicht und sind hörbar.
Überall diese furchtbaren Geräusche. Und sie kommen näher.
Ich werde versuchen, fort zu sein, bevor alles zu spät ist.
Richtung Norden will ich mich durchschlagen.
An die Küste, auf ein Schiff, übers Meer auf eine friesische Insel.
Hier soll man noch sicher sein, sagt man. Aber, wer weiss das schon so genau?
Und ich bin mir gewiss: es wird nicht für immer sein.
Es werden wieder bessere, ruhigere Zeiten kommen.
Ich werde wieder zurückkehren. In mein Haus.
Es wird alles wieder sein, wie früher.
Vielleicht lässt das Grauen auch Spuren zurück. Mag sein.
Zersplittertes Glas, Reste von Konfetti und Luftschlangen, zertretene Kamelle am Strassenrand, leere Flaschen in den Vorgärten. Das alles will ich ertragen.
Denn ich weiss: es wird alles wieder gut.
Spätestens am Aschermittwoch.

Ab morgen bin ich auf der Flucht.

lo




Lo. Gestern dicht - heute Dichter.

http://spiegelei.twoday.net/
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