Wenn ich an die beginnende Grünkohl- und Eisbeinsaison in Deutschland denke, kann ich mir bei folgendem Absatz ein Schmunzeln nicht verkneifen:
Es ist für den Touristen nicht reizlos, seine Studien auch auf die Küche auszudehnen, sofern er einen robusten Magen hat. Letzteres ist nicht unnötig, da die aus dem Lande herausgeborenen Speisen darauf abgestimmt sind, gut zu sättigen und "vorzuhalten", was gleichbedeutend mit schwerer Verdaulichkeit ist. Dies wird vor allem durch überreichliche Zugabe von Fett erreicht. Zum Glück ist dies im größten Teil des Landes Olivenöl, das an sich leichter verdaulich wäre, jedoch in größeren Mengen unzuträglich werden kann.
Folgendem Satz stimme ich uneingeschränkt zu:
Die Weine werden in Spanien zwar mit Maßen, aber unverdünnt getrunken; mit der einleuchtenden Begründung: niemand darf degradiert werden, ohne ein Verbrechen begangen zu haben.
Zum Camping wird bemerkt, dass in Spanien überall gezeltet werden darf, wenn gewisse Regeln eingehalten werden (nicht mehr als drei Zelte bzw. 10 Personen an einem Ort usw. - gut, dass auf Formentera Campingverbot gilt), aber jetzt kommt's:
An der Meeresküste untersteht das Campen (wie übrigens auch das Baden) der Aufsicht der Guardia Civile (mit den schwarzen Lackhelmen). Die Einholung der Genehmigung spielt sich meist so ab, daß im Laufe des Abends eine Doppelstreife (keine Angst!) an die Tür klopft und freundlich fragt, ob man die Nacht über hier bleiben will und wieviel Personen man zählt. Sie muß das wissen wegen des Küstenschutzes (Schmuggler).
Haha. Ich hab die Lackhüte auch in schlechter Erinnerung, obwohl ich kein (professioneller) Schmuggler war (Zigaretten und Alkohol waren mein Spezialgebiet - das Übliche eben, hat aber nur den deutschen Zoll interessiert).
Nach einer (sehr) kurzen Erwähnung des Bürgerkriegs kommt dieser Absatz (und ich muss mich korrigieren: der Reiseführer ist zwar 1971 erschienen, die zitierten Stellen stammen aber aus der Neuauflage 1977 - beginnender Alzheimer? Ich meinte, das Teil Anfang der Siebziger erstanden zu haben):
Inzwischen sind die dem Land geschlagenen Wunden vernarbt, und aus dem unterentwickelten Spanien wurde unter seinem Caudillo (Staatschef) Franco einer der wichtigsten Industriestaaten Europas mit einer wesentlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse seiner Bewohner, wobei eine breite Mittelstandsschicht (Besitzbürger) entstanden ist, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung umfaßt. Durch ein Gesetz vom Jahr 1947 wurde Spanien erneut als Monarchie konstituiert, und 2 Tage nach dem Tod von General Franco am 20. November 1975 wurde der damals 37-jährige Thronprätendent Juan Carlos de Borbon als Juan Carlos I. zum spanischen König ausgerufen und zum Generalkapitän (Oberbefehlshaber) aller Waffengattungen ernannt. In der neuen spanischen Ära bildet sich langsam aber sicher eine liberale Regierungsform heraus, unter Wahrung der Einheit der Nation. Der neu enstandene Mittelstand, der "etwas zu verlieren" hat, dürfte eine radikale Kehrtwendung ausschließen, sofern sich das "musterhafte" Ausland mit seinen selbstgerechten und oft unqualifizierten Ratschlägen und Einmischungen zurückhält und den spanischen Stolz nicht weiterhin verletzt. Denn Spanien und die Spanier unterliegen Gesetzen, die den Klichees mitteleuropäischer Musterdemokraten (die in Spanien am liebsten einen "Umsturz" gesehen hätten) durchaus nicht immer entsprechen.
Kein Wunder, dass so ein Reiseführer jahrzehntelang bei mir in der Kuriositätenabteilung des Bücherschranks schlummerte.
@ Gerdi Ob man von dem ganzen Mist damals etwas mitbekommen hat, hängt wohl auch damit zusammen, ob und wie der spanische Bürgerkrieg z.B. in der Schule behandelt wurde (wg. Legion Condor wurde das genauso ungern behandelt wie die gesamte Nazizeit), und wie und wo man erstmals nach Spanien kam. Ich jedenfalls hatte eigentlich von Spanien die Schnauze schon voll, als ich in Port Bou von den gestrengen Lackhüten nach meinem Begehr in Spanien befragt wurde - genau dort, wo Walter Benjamin 1940 auf der Flucht vor den Nazis Selbstmord verübte, weil er nicht nach Spanien reingelassen wurde. Gott sei Dank hab ich dann schnell gemerkt, dass es auch "andere" Spanier gibt. Und als der erste Spanier, der mich mit "Bon dia" begrüßte, behauptete, er wäre Katalane, war ich erstmal reichlich verwirrt ...
Extra für Gerdi und für Akkku;-) eine unverfänglichere Münze, die ich vor Jahren im "Loch" am Cap gefunden habe - "natürlich" mit Menorcamotiv.
Lothar