|
|
Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"
* 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des "Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO . Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste, Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
* Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird. * Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet. Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten. *
|
|
|
Autor |
Beitrag |
Manuel Franzmann
(Administrator)
Beiträge: 132
|
Erstellt: 01.09.04, 19:00 Betreff: Re: Änderung des Lohngefüges bei einem Grundeinkommen |
|
|
"Unfreiwillige Arbeitslosigkeit entsteht nicht durch Technik, sondern durch schlechte Politik, insbesondere auch bei der Lohnentwicklung." Welche Politik wäre denn die richtige? Etwa das Senken der Lohnnebenkosten und die Verbilligung der Ware Arbeitskraft, wie sie gegenwärtig Land auf Land ab gepredigt wird? In meinen Augen wäre es eine Illusion zu glauben, die Massenarbeitslosigkeit sei bloß die Folge eines Lebens über den Verhältnissen seit Mitte der 1970er Jahre. Was, wenn das nicht stimmt, sondern tatsächlich die Rationalisierungsdynamik ein Niveau erreicht hat, daß grundsätzlich die Zahl der neugeschaffenen Arbeitsplätze die Zahl der wegrationalisierten nicht mehr ersetzen kann? Soweit ich das beurteilen kann, sind in den Wirtschaftswissenschaften gegenwärtig überhaupt noch nicht die geeigneten analytischen Instrumente entwickelt, diese Frage empirisch befriedigend zu klären, so daß wir gesellschaftlich Gefahr laufen, der Illusion der Möglichkeit einer Rückkehr zur Vollbeschäftigung hinterherzulaufen. Wenn man empirisch die Frage klären möchte, ob die Rationalisierungsdynamik ein Schrumpfen des Arbeitsvolumens zur Folge hat (das ja bei den meisten Industrienationen tatsächlich schon seit Jahrzehnten zu konstatieren ist), so daß nicht mehr für alle Erwerbsarbeit vorhanden ist und ein Abschied von Erwerbsarbeit als Normalmodell zwingend geboten scheint, dann muß man aus meiner Sicht über die einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen, statistischen Indikatoren hinaus auch den konkreten Arbeitsplatzbestand analysieren und dabei die unausgenutzten Rationalisierungspotentiale einbeziehen. Dann muß man sich genau anschauen, welche Arbeitsplätze angesichts der Rationalisierungspotentiale überhaupt noch notwendig sind und naturwüchsig nachgefragt werden und welche Arbeitsplätze nur noch aufgrund politischer Stützmaßnahmen (etwa einer staatlich subventionierten Verbilligung von Arbeitskraft) aufrechterhalten werden. Meine These ist, daß wir es bereits in großen Teilen der Arbeitswelt mit Beschäftigungsverhältnissen zu tun haben, die eigentlich längst rationalisiert werden könnten, wenn es nicht politisch und gesellschaftlich immer noch die Bindung an Erwerbsarbeit als Normalmodell gäbe. Diese Bindung zeigt sich etwa bei Unternehmern daran, daß sie eben nicht offensiv rationalisieren und rationalisieren können, obwohl dies eigentlich ihre Aufgabe wäre (als Unternehmern sind sie aus meiner Sicht primär der Wertschöpfung verpflichtet). Sie müssen vielmehr in einer Gesellschaft, in der Erwerbsarbeit als Normalmodell gilt, zugleich auch Arbeitgeber sein, was ihre Rolle als Unternehmer gegenwärtig extrem restringiert. Entsprechend können sie im Prinzip nur dann Arbeitsplätze wegrationalisieren, wenn sie dies gegenüber der Öffentlichkeit mit Blick auf das Überleben des Unternehmens rechtfertigen können. Man muß sich einmal grundsätzlich klar machen, was das für eine enorme Bremse für die Entwicklung der Wertschöpfung bedeutet. Noch vor Jahren war es eine Selbstverständlichkeit, das hohe Lohnniveau in Deutschland mit dem hohen Qualifikationsgrad der Bevölkerung in Beziehung zu setzen. Man war sich damals also durchaus bewußt, daß man in Konkurrenz zu anderen Ländern und Volkswirtschaften stand, gründete aber das Selbstbewußtsein aus dem gesellschaftlichen Entwicklungsabstand zu anderen Ländern. Und in der Tat gibt es einen engen Zusammenhang zwischen dem Lohnniveau, dem Qualifikationsgrad und der Produktivität einer Volkswirtschaft. Wenn man diesen Zusammenhang jedoch beherzigt, dann muß es oberstes Ziel sein, den Unternehmern die Möglichkeit der radikalen Ausnutzung von Rationalisierungsmöglichkeiten zu geben und auch das Qualifikationsniveau der Bevölkerung weiter befördern. Beides ist ohne ein ausreichendes, bedinungsloses Grundeinkommen illusorisch. Nur ein solches Grundeinkommen befreite die Unternehmer grundsätzlich von ihrer Rolle als Arbeitgeber. Und wohin die gegenwärtige Hochschul-"Reform"-Politik führt, davon könnte ich ein Lied singen: zu einer Verflachung von Bildung und Ausbildung und entgegen anderslautender Absichtserklärungen zur fortschreitenden Beschneidung der Autonomie. Im übrigen tut eine Politik wie Hartz IV ihr übriges dazu, daß vorhandene Qualifikationspotentiale ungenutzt bleiben und Menschen in unproduktive Billiglohn-Jobs hineingedrängt werden, was langfristig natürlich auf eine fortschreitende Dequalifizierung der Bevölkerung hinauslaufen wird. Man merkt offenbar gar nicht, daß man sich den Ast eines hohen Qualifikationsniveaus der Bevölkerung und einer hochproduktiven Wirtschaft als Grundlage für das Lohngefälle zu anderen Ländern zunehmend absägt, obwohl man eigentlich das Gegenteil zu erreichen sich vornimmt. Ein ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen würde nicht nur die Unternehmer von ihrer Rolle als Arbeitgeber befreien und ihnen ermöglichen, radikal zu rationalisieren und die Wertschöpfung voranzutreiben. Es würde zugleich die strukturellen Bedingungen zur geistigen Fortentwicklung von Technologien und Rationalisierungsmöglichkeiten radikal verbessern, weil die für kreative Einfälle notwendige Bedingung der Muße in der Breite der Gesellschaft verfügbar wäre und auch Bildungsprozesse in einem Ausmaß ermöglichte, was bislang unbekannt war. Hier ist übrigens die "Open-Source-Bewegung" in der Softwareentwicklung ein instruktiver Fall, der ahnen läßt, was für Potentiale mit einem Grundeinkommen freigesetzt werden könnten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde zugleich ein in der Menschheitsgeschichte ungekanntes Ausmaß an Autonomie bereitstellen, und ohne Autonomie ist gewissermaßen das Schmiermittel der Kreativität. Mit besten Grüßen Manuel Franzmann
|
|
nach oben |
|
|
|
|