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Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"
* 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des "Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO . Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste, Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
* Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird. * Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet. Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten. *
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Autor |
Beitrag |
Manuel Franzmann
(Administrator)
Beiträge: 132
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Erstellt: 20.10.04, 17:10 Betreff: Re: Parteien/Politiker gewinnen |
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Liebe Marion, kurz ein paar Kommentare zu einigen Ihrer Ausführungen. "Ja, genau deshalb und weil man es m.E. auch nicht den regulierenden Kräften des Marktes überlassen kann, wie sich der erste Arbeitsmarkt zukünftig entwickeln soll. Ein geschwächter erster Arbeitsmarkt kann fatale Folgen hinsichtlich des Binnenmarktes nach sich ziehen, desweiteren auch steigende Zinsprobleme zur Folge haben, worauf ja auch schon Ernst Ullrich Schultz in seiner Antwort auf meinen diesbezüglichen Beitrag hingewiesen hat. " Also Ihre Behauptung, ein ausreichendes Grundeinkommen ohne Mindestlohnpolitik würde den ersten Arbeitsmarkt schwächen, ist in meinen Augen ziemlich abstrakt, und eine Begründung für diese Behauptung kann ich bislang auch noch nicht erkennen. Daß ein geschwächter erster Arbeitsmarkt fatale Folgen für den Binnenmarkt haben kann, okay. Aber das ist ja nur ein Argument gegen das, was ich ausgeführt haben, wenn ein ausreichendes Grundeinkommen ohne Mindestlohnpolitik den ersten Arbeitsmarkt schwächen würde, und das sehe ich nicht. Welche Veränderung die Einführung eines Grundeinkommens im Hinblick auf die Massenkaufkraft nach sich ziehen würde, ist eine interessante Frage. Die Kaufkraft von Familien würde in jedem Falle gestärkt. Und das gegenwärtige Problem der Kaufkraftschwächung aufgrund des vermehrten Sparens (das vor dem Hintergrund der gegenwärtig bestehenden Aussicht auf weitere Belastungen im Rahmen der Reform des Sozialversicherungssystems und der Angst vor Arbeitsplatzverlust und der Hartz IV-Gängelei steht) dürfte sich wohl auflösen, da das Grundeinkommen ein Basiseinkommen und damit eine gesicherte Autonomie bietet, vor deren Hintergrund sich optimistischer in die Zukunft blicken läßt. Aber diese Frage wäre sicherlich noch genauer in den Blick zu nehmen. " Das ist doch das Problem! Die Gewerkschaften in Deutschland sind leider schon lange nicht mehr so stark, wie oft vermutet wird. Frankreich hat z.B. auch den Mindestlohn eingeführt (ebenso Luxembourg und die allermeisten anderen europäischen Länder!). Erstaunlicherweise hat Frankreich jedoch im Verhältnis zur Bundesrepublik starke Gewerkschaften (ebenso Dänemark und die anderen skandinavischen Länder, was sich ja unschwer am Organisationsgrad ablesen läßt - hier schneiden wir z.B. sehr ungünstig ab!) " In Deutschland waren Ende 2000 rund ein Drittel aller abhängig Beschäftigen gewerkschaftlich organisiert mit fallender Tendenz. Insofern haben Sie recht. Trotzdem galten die von den deutschen Einheitsgewerkschaften ausgehandelten Tarifverträge so gut wie flächendeckend (!), und zwar aus folgendem Grund: der Organisationsgrad der Unternehmen in den Arbeitgeberverbänden, die den Gewerkschaften als Verhandlungspartner gegenüber stehen, ist sehr viel höher. Er betrug bis vor kurzem noch an die 80 Prozent der relevanten Unternehmen. Darüber hinaus hat der Wirtschafts-- und Arbeitsminister die Befugnis, in Unternehmen und Branchen, in denen es zu keinem Abschluß eines Tarifvertrages kommt, existierende Tarifverträge als allgemeingültig zu erklären. Das ist dann etwas ähnliches wie ein gesetzlicher Mindestlohn, gewissermaßen eine Notfallbefugnis des Gesetzgebers für die bleibenden Lücken im System der Tarifautonomie. Übrigens ist das soziologisch gesehen sehr aufschlußreich, kann man daran doch ablesen, daß die Frage der Mindestsicherung letztenendes die gesamte politische Gemeinschaft betrifft und daß sie vor dieser Frage in letzter Instanz nicht fliehen kann. Wenn die Autonomie der Tarifvertragsparteien nicht zu einem im Hinblick auf ein menschenwürdiges Mindestniveau befriedigendes Ergebnis kommt, dann fällt das Problem der politischen Gemeinschaft bzw. den politischen Repräsentanten wieder in den Schoß, und das Institut der Allgemeinverbindlichkeitserklärung bringt diese Strukturproblematik zum Ausdruck. Wenn ich von der Stärke der deutschen Gewerkschaften gesprochen habe, dann meinte ich die hohe Deckungsrate des Tarifvertragssystems. Die Gewerkschaften haben bislang eben fast flächendeckend das Interesse der Mindestsicherung wahrgenommen, obwohl sie qua Mitgliedschaft mittlerweile nur eine Minderheit repräsentieren, was bei fortschreitendem Mitgliedschaftsschwund zunehmend Legitimationsprobleme aufwirft. In Frankreich ist eine Mindestlohngesetzgebung schon allein deswegen erforderlich, weil es dort kein ähnlich flächendeckendes Tarif-System wie in Deutschland gibt. Es gibt dort ja auch nicht nur eine Gewerkschaft pro Industriezweig, sondern gleich mehrere, eine christliche, eine kommunistische, eine sozialistische, etc.. Das ganze System ist weniger verrechtlicht als in Deutschland. Aber Sie haben recht, würde es die hohe Verrechtlichung des deutschen Systems nicht geben, dann könnten die Gewerkschaften gegenüber einzelnen Unternehmen eine größere Macht entfalten. Der höhere Organisationsgrad der Unternehmen in den Tarifverbänden im Vergleich zu den Arbeitnehmern ist ja auch Ausdruck des Umstands, daß die Mitgliedschaft eines Unternehmens in einem Arbeitgeberverband das Unternehmen davor schützt, daß es als Einzelunternehmen mit einer großen Gewerkschaft konfrontiert wird. Der Vorteil des deutschen Systems ist die hohe Verbindlichkeit für alle und die geregelte Weise der Aushandlung des Interessengegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, wodurch eine enorme Begrenzung von Produktionsausfällen infolge von Streiks erreicht wird. Das ist zweifellos ein Baustein dafür, daß in Deutschland die Arbeitsproduktivität in der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg im Vergleich zu anderen Industrienationen so stark gestiegen ist und im Durchschnitt deutlich höher ist als in den USA. (Um so unverständlicher, daß man in Deutschland sich arbeitsmarktpolitisch zuweilen an den USA orientiert.) Ich halte daher die Hoffnungen, die Sie in die gewerkschaftlichen Strukturen Frankreichs und anderer Länder setzen, in denen gesetzliche Mindestlöhne eine größere Rolle spielen (in den USA ja ebenfalls), für unberechtigt.
" Dies gilt allerdings auch für Berufe des ersten Arbeitsmarktes, bei denen im klassischen Marx'schen Sinn keine Wertschöpfung stattfindet, z.B. im sozialen Bereich (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und viele andere öffentliche Einrichtungen), die sich allerdings kaum weiter rationalisieren lassen und hier liegt m.E. die Gefahr, denn gerade in diesen Bereichen sollen nun verstärkt Ein-Euro-Jobs geschaffen werden. Ich denke, dies sollte man im Hinblick auf den ersten Arbeitsmarkt im Auge behalten. " Die Schaffung von Ein-Euro-Jobs erfolgt aber auch mit Druckmitteln. Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslosengeld II - Empfänger, die keine Arbeit finden, werden ja in diese Jobs bei Androhung von Leistungsentzug hineingedrängt. Das ist etwas ganz anderes als unter Bedingungen eines Grundeinkommens. Das möchte ich doch mal festhalten und verstehe es daher nicht, warum Sie mir das vorhalten.
"Es gibt auf dem ersten Arbeitsmarkt durchaus Berufe, in denen nicht weiter rationalisiert werden kann und wo Hartz IV durchaus fatale Folgen nach sich ziehen kann. " Schon richtig. Aber darum ging es in unserer Kontroverse doch auch nicht. Es ging nach meinem Verständnis um die Frage, inwiefern zusätzlich zu einem Grundeinkommen eine Mindestlohnpolitik zwingend erforderlich ist. Mit freundlichen Grüßen Manuel Franzmann
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