Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
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Tobias Teetz

Beiträge: 97

New PostErstellt: 29.11.04, 22:32     Betreff: Re: Hermann Heinrich Gossen und das Grundeinkommen

Hallo Bernd,

Starke menschliche Bedürfnisse sind auch mit starken Lustgefühlen verbunden.
Die Lust und das Bedürfnis zum Überleben hat dazu geführt, dass Menschen Nahrungsmittel angebaut haben.
Die starke (Überlebens-)Lust hat die Mittel (die menschliche Landwirtschaft) zur Befriedigung des Bedürfnis nach ausreichenden Nahrungsmitteln ermöglicht.
Die Lust beim menschlichen Teilen nimmt zu, wenn die begünstigten Mitglieder eine Gegenleistung erbringen oder im Notfall erbringen könnten oder aus Sympathiegründen begünstigt werden sollen oder auch ein friedvolleres Gemeinwesen ermöglicht werden kann.

Die Lust am Teilen nimmt beim Geber ab, wenn trotz empfangener (Geld-)Leistung bei dem Begünstigten Unzufriedenheit, Mißachtung oder mangelnde Arbeitsleistung gegenüber dem (Geld-)Geber vorherrscht.

Die Lust beim Empfänger von (Geld-)Leistungen nimmt ab, wenn er trotz harter Arbeit genauso viel in der Tasche hat wie ein Faulenzer. In diesem Fall würde die Untätigkeit genau so hoch entlohnt wie die Tätigkeit.
Unlust kann aber auch entstehen, wenn es keine Beschäftigungsmöglichkeit für die persönlichen Fähigkeiten gibt. Unlust kann ferner entstehen, wenn man viel Geld annimmt und wenig Gegenleistung dafür erbringt. In diesem Fall könnte der persönliche Stolz verletzt werden.
Erhebliche Unlust kann entstehen, wenn eine Person bereit ist, nahezu jede bezahlte Tätigkeit anzunehmen und dennoch gibt es keine bezahlte Beschäftigung, nur eine minimale staatliche Absicherung, die gerade zum Überleben reicht aber die betreffende Person sozial und menschlich verachtend straft (arbeitslos, weil nicht arbeitswillig oder nicht arbeitsfähig).
Die technische Entwicklung, die Rationalisierung, der globale Handel und auch die mögliche Sättigung der Nachfrage bringt nun auch den Vergleichsmaßstab für individuelle Arbeitsleistungen ins Wanken. Die Arbeitsleistung der Weber in England hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit Einführung der ersten Maschinenwebstühle keinen Wert mehr. Der Besitzer der Fabrik konnte hohe Gewinne einstreichen, die arbeitslosen Weber konnten aber ihre Familien nicht mehr ernähren.
Die Wiedervereinigung Deutschlands führte in den neuen Bundesländern zu einem enormen Abbau der Beschäftigten in den Kombinaten. Für die Arbeitslosen gab es jedoch nicht genügend neue Beschäftigungsfelder. Arbeitslose in höherem Alter sind häufig auch nicht so flexibel, dass sie jede berufliche Umstellung problemlos verkraften könnten.
Der Wert einer Arbeitsleistung ergibt sich aus dem Nutzen für das Wohlbefinden von anderen Menschen und der individuellen Leistungsfähigkeit und den speziellen Begabungen (aber auch dem persönlichen Empfinden für eine lebenswerteres Gemeinwesen) des Arbeitnehmers. Bei einem Berufsstart müssen auch Unlustgefühle überwunden werden und das beruflichen Können und Wissen verbessert werden bis die Beschäftigung zur Routine wird. Jeder Arbeitnehmer und jeder Arbeitslose vergleicht aber auch seine Leistungen oder seine potentielle Leistungsfähigkeit und die Entlohnung mit Arbeitsleistungen von anderen Beschäftigten. Ist die Entlohnung für eine Leistung zu gering, wechselt man die Beschäftigung, falls auf anderen Sektoren besser entlohnte Beschäftigungsverhältnisse angeboten werden. Dieses Prinzip der Marktwirtschaft hat über viele Jahre funktioniert. Bei einer Arbeitslosigkeit von 10-20% ist der Regelkreis zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage gestört.

Wie Du richtig festgestellt hast, gibt es bei der Zufriedenheit, beispielsweise der Kaufkraft von Waren und Dienstleistungen eine Adaption.
Erst durch den Mangel werden bestimmte Bedürfnisse besonders wichtig. Wer zwanzig Tage keine Nahrung zu sich nehmen konnte, wird einen Kanten Brot als köstlich empfinden und der Verzehr wird ihm großen Genuss bereiten. Wer täglich feinste Pasteten, Lachs, Trüffel essen kann und vor dem Essen auch schon mit einem Vollegefühl an den Tisch geht, empfindet unter Umständen sehr wenig Genuss beim Verzehr dieser Speisen.
Wer monatelang von morgens bis abends ohne Freizeit in einem Kohlebergwerk schuften mußte, empfindet einen freien Tag als besonderen Gewinn. Auf der anderen Seite kann ein Arbeitsloser, u.U. trotz ausreichendem Transfereinkommen, mit seiner Freizeit manchmal wenig anfangen. Er empfindet Unlust, weil er gerne arbeiten möchte aber keinen Arbeitsplatz findet.
Ein Gefangener, der jahrelang allein in einem dunklen Verlies eingesperrt wurde, empfindet nach der Freilassung wieder Glücksgefühle, wenn er in einer Stadt herumspazieren und mit anderen Menschen sprechen kann.

Arbeit kann auch persönliche Lust und Freude bereiten, größtenteils dann, wenn man selbst hofft bei anderen Menschen, die die Arbeit zu schätzen wissen, positive Stimmungen zu erzeugen und wenn einem selbst die entsprechende Tätigkeit liegt. Ein Maschinenbaukonstrukteur kann durchaus auch Lustgefühle bei der Verbesserung einer neuen Maschine entwickeln. Ein Schauspieler auf der Bühne kann Lustgefühle bei seinem wohl einstudierten Texten und seiner Fähigkeit andere Menschen zur Begeisterung zu bringen empfinden.
In jedem Beruf muß man aber auch Unlustgefühle überwinden, das Mittel gegen berufliche Unlustgefühle und für eine Leistungsstimulation ist in der Marktwirtschaft die bessere monetäre Entlohnung der Arbeitsleistung.
Ohne die Achtung, ohne die Lust auf Anerkennung durch andere Bürger bereitet Arbeit keine Freude. Unlust stellt sich ein, die Arbeitsleistung verschlechtert sich.
Spitzenmanager, Unternehmer mit sehr hohen Einkünften haben häufig jedoch wenig Freizeit und viel persönliche Sorgen und Probleme um das Wohl ihrer Mitarbeiter und um die Zukunft ihres Unternehmens. Viele von ihnen würden wohl eher das private Glück gegenüber der ständigen Aufopferung im Beruf vorziehen.
Persönlich hat ein Spitzenunternehmer, ein Spitzenmanager mitunter also nicht so viel von seinem hohen Einkommen, weil die nötige Freizeit und die Konsumzeit einfach fehlt. Warum arbeitet er dennoch so hart ?
Weil er das Unternehmen, die Arbeitsplätze auch für die Zukunft erhalten möchte.
Das ein Spitzenverdiener mit seinem Einkommen nichts anzustellen weiß und die Brieftaschen überquellen, stimmt nicht für jeden Einzelfall. Mitunter sind gerade Begabte und Gutverdiener Initiatoren für neue Arbeitsplätze, neue Unternehmungen, mehr Wohlstand in einer Gesellschaft.
Es ist auch möglich, dass das obere Drittel der Einkommenspyramide ein stetig wachsendes Einkommen erhält, während im unteren Drittel der Einkommenspyramide Arbeit und Einkommen schwindet. Diese Kluft zwischen dem oberen und unterem Drittel könnte nur der Staat durch veränderte Steuersätze und staatliche Beschäftigungsimpulse dämpfen.

Ohne Unlustgefühle (Gedanken an Sterblichkeit, Einsamkeit, Armut, Hungergefühl, Kälte, an Kriege, Verbrechen und menschliche Grausamkeiten) würden wir kaum einen Vergleichsmaßstab für Lustgefühle entwickeln können. Auch Unlustgefühle sind für Menschen nötig, obgleich wir natürlich vermeiden sollten, dass diese Gefühle uns vollständig beherrschen oder einige Unlustgefühle für breite Teile der Bevölkerung zur Lebensrealität werden.
Falls die oben genannten Unlustgefühle uns nicht persönlich betreffen, kann man zumindestens mit Krimis, Tragödien, Grusel- und Krieggeschichten für ein Mindestmaß an gefühlten Nordpolempfindungen sorgen.
Ärzte, Politiker, Unternehmer, Verbandsfunktionäre setzen sich ständig mit den realen Unlustgefühlen anderer Menschen auseinander. Warum ist dies möglich ? Nur weil man dort gutes Geld und viel öffentliche Anerkennung erhält ? Ist die Ursache für diese Triebkraft denn nicht auch, das Leben für andere Bürger glücklicher, sorgenfreier zu gestalten ? Vielleicht ist der Mensch einfach nur ein ewiger Sisyphos. Glück, persönliche Standhaftigkeit, Wohlstand, Tugenden, Wissen, Talente, Fleiß, Tatkraft, Schönheit, Werte wollen wir für andere Menschen schaffen und erhalten, sind wir jedoch oben angekommen (beim höchsten Glück), rollt der Stein wieder runter.

Der wirtschaftliche Nutzwert der Arbeitsleistung eines Bürgers kann durch Rationalsierungsleistungen, Computerisierung, Marktsättigung und dem globalen Handel in einer Gesellschaft sinken.
Ein guter Computerprogrammierer, ein guter Arzt, ein guter Unternehmer kann Leistungen erbringen, die tausend durchschnittlich begabte Bürger zusammen nicht fertig brächten. Rechtfertigt eine sehr gute Leistung also den hundert oder tausendfachen Durchschnittslohn ?
In den USA gibt es Fälle in denen Industriemanager solche Einkommen tatsächlich erzielen.
Hat ein Spitzenverdiener aber auch immer die Zeit, den Freiraum oder die richtigen Berater für gute Ideen, um sich mit der sinnvollen Ausgabe von dem verdienten Einkommen auseinanderzusetzen ? Du erwähntest in diesem Zusammenhang den Nutzen des Geldes bezüglich der Verteilung auf andere Menschen.
Wer kontrolliert die Verteilungsgerechtigkeit von Einkommen ? Der Markt, der Privatunternehmer, der geschickteste Rechtsanwalt oder die Gesellschaft, der Staat ?

Was passiert in einer Gesellschaft mit Bürgern, die keinen sinnvollen Beitrag für den Wohlstand der Gemeinschaft leisten können ? Was passiert mit Bürgern einer wohlhabenden Gesellschaft deren Arbeitsnutzen für die Gesellschaft äußerst gering ist und beispielsweise nur wenige Euro pro Tag beträgt, so dass sie sich kaum unter nur marktwirtschaftlichen Bedingungen Nahrung und Wohnraum leisten könnten ? Und hat der Maßstab für die Entlohnung von Arbeitsleistungen nicht etwas, mit den gemeinschaftlichen, kulturellen, traditionellen - auch zufallsgeprägten - Werten zu tun ?
Wir akzeptieren alle gewisse Unterschiede in der Entlohnung von verschiedenen Arbeitsleistungen, bzw. der fehlenden Arbeitsleistung.
Nach John Rawls werden wir auch wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten akzeptieren, wenn sie auch den auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter stehenden Menschen noch einen Vorteil bringen.
Mit den Bedürfnissen und der Kaufkraft für Geld ist es jedoch nicht so einfach.
Definiert man die Einkommenssicherung der erwerbsfähigen Bürger in einer relativ gesättigten Konsumwelt nur über den Nutzwert der individuellen Arbeitsleistung, so müßten genügend Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, damit alle Bürger im Erwerbsalter (außer die Ehepartnerinnen oder die Vermögenden) in Arbeitsverhältnisse gelangen können. Ein solches System liegt in den USA und Großbritannien vor.
Falls jedoch die entsprechenden Löhne mitunter sehr gering sind, können sich in den Gesellschaften große Einkommensunterschiede auftun, weil nicht in jeder Region zahlungskräftige Arbeitgeber, bzw. angebotene Arbeitsplätze vorhanden sind.
In Deutschland ist eine breite Schicht von Erwerbslosen vorhanden. Nun ist sicherlich auch der Wunsch nach arbeitsmäßiger und gesellschaftlicher Teilhabe bei den meisten Arbeitslosen vorhanden. Es gibt aber auch Bürger deren Arbeitsleistung weniger produktiv ist. Auch diese müssen abgesichert werden.
Das Bedürfnis bei Arbeitslosen nicht ausgeschlossen zu sein, ist sicher sehr bedeutsam. Ein Bürger braucht das Empfinden gebraucht zu werden, kein wertloses Objekt zu sein, um sich mit der Gesellschaft und ihren Werten zu identifizieren. Ohne gemeinschaftliche Werte kein Gemeinwohl.
Ein Bürgergeld oder Grundeinkommen könnte das Mindesteinkommen sicherstellen und einen verbesserten Zugang in die Erwerbstätigkeit bzw. zu einer gemeinnützigen Tätigkeit ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

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