Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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Tobias Teetz

Beiträge: 97

New PostErstellt: 12.01.05, 20:34     Betreff: Re: ZINSERTRÄGE - Das schwarze Loch in der Ökonomie

Lieber Matthias Dilthey, lieber Lothar Samuel Tesche, lieber P. Scharl,

die Homepage von Matthias Dilthey finde ich nach kurzer Sichtung recht gut.

Andererseits bin ich skeptisch bei Aussagen wie: Die Staatsverschuldung auf "Biegen und Brechen" herunterfahren, die "Verwaltung entschlacken" ?

Es geht bei der jährlichen Neuverschuldung um Summen, die keineswegs gering sind. Nach der Fachserie 18 / Reihe 1.3, S.36, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Hauptbericht 2003 vom Statistischen Bundesamt hatte der Staat ein negatives Finanzierungssaldo von 81,34 Mrd. €.
Das Geld zum Ausgleich des Finanzierungssaldos holt sich der Staat über Kredite wieder rein, die die Banken nicht selten an ausländische Kapitalanleger weiterverkaufen.
Könnte dieses Finanzierungssaldo wirklich durch Einsparungen bei der Verwaltung abgebaut werden ?
Hier mal eine Größenordnung, um die es hier geht:
81,3 Milliarden Euro entspricht dem jährlichen Etat von allen Schulen, Hochschulen mit allem Drum und Dran (Personalkosten, Sachkosten usw.).
Millionen zusätzlicher Haushalte hätten dann kein Arbeitseinkommen, die Kinder würden keine Ausbildung erhalten, die Verwahrlosung würde zunehmen, der private Konsum würde wegbrechen.
Der soziale Preis eines starken Abbaus der Staatsverschuldung wäre unermesslich hoch und dem Volk nicht zu vermitteln.

Die Kapitalverflechtung die Zinszuflüsse und Zinsabflüsse des Staates haben durch die Globalisierung gewaltige Ausmaße angenommen.
Durch den Verkauf von Wertpapieren und dem Umtausch in eine andere Währung wird wiederum der Wechselkurs beeinflußt. Unterschiedliche Zins- und Steuersätze in verschiedenen Ländern können wiederum Kapital anziehen oder abziehen.

Das Problem liegt in der Messung des Vermögensstatus eines Landes auch in bezug auf das Ausland.
Aus den Zahlungsbilanzen der jeweiligen Jahre kann der Vermögensstatus bestimmt werden. Würde Kapital in gewaltigem Umfang abfließen, hätte die Bevölkerung bald nicht mehr genug Geld, um sich Güter und Dienstleistungen zu kaufen.
1929 nach dem Aktiencrash erließ Präsident Herbert Hoover den Smoot-Hawley-Act und hob damit die Zölle scharf an. Dieses Gesetz hatte verheerende Folgen für den Welthandel, der aufgrund dieses Gesetzes um zwei Drittel abstürzte. Die deutschen Exporteinnahmen, die zur Gegenfinanzierung von Reparationszahlungen nötig waren, brachen weg.
Wie aus einer Badewanne, wenn der Stöpsel entfernt wird, floß der Wohlstand aus Deutschland ab: BIP/Einwohner in Deutschland 1929: 1430 € / Jahr, 1932: 900 € / Jahr.
Wohlstandsabflüsse können also durch die Zahlungsbilanz mitverursacht werden.

Ein ähnliches Problem gab es in Rußland vor kurzer Zeit.
Auch in Rußland floß der Wohlstand ab.
Man muß bedenken, dass die allgemeinen Zinssätze Anfang der neunziger Jahre in Europa und den USA sehr hoch waren und Kredite in Länder mit wenig gesicherter Renditeerwartung entweder nur zögerlich gegeben werden oder mit einer beträchtlichen Verzinsung angeboten werden.
Für Rußland gab es durch die hohen Zinssätze eine Katastrophe. Für Rubel-Anleihen mußten 1998 Zinsen in Höhe von 60% gezahlt werden. Logisch dass nicht jeder Unternehmer innerhalb eines Jahres sein Einkommen verdoppeln konnte.
"Nicht nur die Investitionen kamen zum Erliegen, sondern das vorhandene Kapital wurde rasch aufgezehrt - die Ersparnisse lösten sich aufgrund der hohen Inflation in Luft auf, die Privatisierungserlöse und die ausländischen Kredite wurden größtenteils veruntreut. Die Privatisierung , die mit der Öffnung der Kapitalmärkte einherging, führte nicht zur Hebung des Wohlstandes, sondern zur Zerschlagung von Unternehmen."
"Im Jahr 1989 lebten nur zwei Prozent der Russen in Armut. Bis Ende 1998 war diese Zahl auf 23,8% in die Höhe geschnellt, wobei zwei Dollar die Armutsgrenze definierten." (Die Schatten der Globalisierung, Joseph Stiglitz, S. 171, 181).
Das Kapital der Oligarchen floß direkt auf schweizerische oder zypriotische Bankkonten (s. Stiglitz).
In dieser Phase ist nicht nur unheimlich viel Vertrauen zwischen Rußland und den Kreditgebern des IWF verlorengegangen, die Armut, die Verunsicherung und der demographische Rückgang haben in der russischen Gesellschaft deutliche Schleifspuren hinterlassen.

Im Grunde kann man sich jedoch fragen, ob es sinnvoll ist, unheimliche Geldmengen wiederum in reichen Länder anzulegen, obwohl die Konsummärkte relativ gesättigt sind und die Nachfrage sich kaum steigern läßt.
In diesen Staaten müßte eher eine gerechtere Einkommensverteilung hergestellt werden.
Günstiger wäre natürlich eine Kapitalanlage in ärmeren Ländern, damit der Wohlstand und das Wachstum dort steigt und die Welt friedlicher und sicherer wird.
Investitionen im Ausland führen nicht zwangsläufig zu einer Konkurrenz um Produktionsstandorte, zu Armut und Massenentlassungen. Viele Auslandsinvestitionen decken die Konsumwünsche der Bevölkerung in diesen Regionen ab.
Ein reiches Land wie die USA lebt schon seit mehreren Jahren mit einem erheblichen Leistungsbilanzdefizit, d.h. mehr Güter und Dienstleistungen werden importiert durch Kapitalimport wird das Defizit ausgeglichen. Dies kann sich die USA leisten, weil sie eine Leitwährung ist. Ein Gläubiger muß seine Wertpapiere in Dollar umtauschen, wodurch wenn viele dies machen sich der Kurs der Währung ändert. Der Gläubiger also weniger Yen oder Won o.ä. erhält.
Der Euro ist ähnlich bedeutend wie der Dollar geworden. Vom Prinzip her könnte auch der Euro ausländisches Kapital von den Kapitalmärkten ansaugen, um Investitionen in Europa und Osteuropa anzukurbeln.
Es müßte jedoch darauf geachtet werden, dass es nicht zu gewaltigen Wohlstandsabflüssen in einzelnen Staaten kommt.

Eine wichtige Frage ist die korrekte Bewertung von Leistungs- und Zahlungsbilanzen.
"In der Statistik des IWF wiesen die zusammengefaßten Leistungsbilanzen aller Länder bis in die frühen siebziger Jahre jährliche Diskrepanzen von 2 bis 3 Mrd. $ auf. Das erschien hinnehmbar. Ende des Jahrzehnts stiegen die Beträge jedoch auf knapp 20 Mrd. $, und 1982 erreichten sie mit 114 Mrd. $ ihr bisheriges Maximum... Da die Situation der Zahlungsbilanz in jedem Land Anlaß zu wirtschaftspolitischen Eingriffen geben kann, schien deren statistische Grundlage unsicher geworden zu sein. Zu denken gab insbesondere, dass die Diskrepanz der Weltleistungsbilanz von 1979 bis 1982 von rund -19 Mrd. $ auf rund -114 Mrd. $ gestiegen war." (Volkswirtschaftliches Rechnungswesen, Springer-Lehrbuch, 8 Auflage, S.284).

Im Zuge der weltweit zunehmenden Kapitaltransfers zwischen Staaten wäre es äußerst gefährlich, wenn die Diskrepanzen im statistischen Material gefährliche Dimensionen annehmen könnten, da solche Zustände das gegenseitige Vertrauen zwischen Staaten erschüttern könnten.
Jeder Staat verfolgt natürlich auch nationale Interessen, dies darf jedoch nicht zu einem beggar your neighbour -Prinzip ausarten.
Zahlungsbilanzen müssen für alle Beteiligten gerecht, klar und eindeutig sein.

Das Vertrauen in die Korrektheit der Zahlungsbilanz ist nach meiner Meinung Vorraussetzung für eine Grundeinkommensdiskussion.


Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

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