Forum Grundeinkommen Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen" * 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des "Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO. Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste, Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
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hier möchte ich zur Diskussion beitragen, indem ich auf die Beschäftigungswirksamkeit eines bedarfsunabhängigen Grundeinkommens hinweise.
Im Gegensatz zum bedarfsunabhängigen Grundeinkommen verzerrt der bedarfsabhängige Sozialstaat von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II sowie der Frührententransfers Arbeitsanreize, insbesondere im Niedriglohnbereich.
Wer wird eine Arbeit aufnehmen, wenn sein Einkommen dadurch nicht steigt? Durch die Anrechnung eigenen Erwerbseinkommens auf den Sozialtransfer werden hohe Anspruchslöhne geschaffe. Diese müssen die jeweiligen Transferleistungen oft sogar deutlich übersteigen. Nimmt man einen Wert eigener Freizeitstunden von EUR 2,50 an, so muss z.B. ein Ehepartner aus einem Haushalt ohne Kinder in den neuen Ländern ein Einkommen von mindestens 67% des Westniveaus erzielen können, damit sich eine Arbeitsaufnahme überhaupt lohnt*. Wird ihm zu diesem Lohn aber keine Stelle angeboten - etwa, weil er Geringqualifiziert ist - ist für ihn die Aufnahme einer Arbeit ein Verlustgeschäft und er präferiert die Arbeitslosigkeit.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen beseitigt diese überhöhten Lohnansprüche und ermöglicht hingegen ein sozialverträgliches Einkommen auch bei niedrig bezahlter Arbeit.
Erstellt: 01.08.04, 13:45 Betreff: Re: Grundeinkommen und Beschäftigungdruckenweiterempfehlen
Liebe Netzwerk-Mitglieder, lieber Herr Kung,
das so genannte "Armutsfallen-Theorem", auf das Herr Kung in seinem Beitrag rekurriert, um ein BGE zu rechtfertigen, ist - wie vielen sicher bekannt sein dürfte - unter WissenschaftlerInnen und ExpertInnen hoch umstritten und politisch hochgradig ambivalent.
Das Mainstream-Argument - für Leistungsempfänger würde sich die Aufnahme einer Arbeit im Niedriglohnbereich aufgrund der hohen Grenzbelastungen und des zu geringen Abstands zwischen Transferleistungen und Erwerbseinkommen nicht lohnen und die LeistungsempfängerInnen würden es statt dessen vorziehen, ihr Geld vom Sozialamt zu beziehen, statt das Arbeitsleid und die Transaktionskosten einer Erwerbsarbeit auf sich zu nehmen - beruht auf drei Annahmen, die alle drei höchst problematisch sind und zunächst einmal empirisch zu überprüfen wären:
Erstens geht das "Armutsfallen-Theorem" davon aus, dass es sich bei den LeistungsempfängerInnen (eben-so wie den anderen Gesellschaftsmitgliedern) um rein zweckrational orientierte Akteure han-delt, die kurzfristige Interessen verfolgen; zweitens, dass Erwerbseinkommen und Transfer-leistungen sozial und normativ gehaltlose – dementsprechend austauschbare – monetäre Grö-ßen darstellen und drittens: dass für die Empfänger bedürftigkeitsgeprüfter sozialer Transfers die Möglichkeit besteht, frei zwischen der Sozialleistung und einem Erwerbseinkommen zu wählen.
Gegen alle drei Annahmen lassen sich theoretisch stichhaltige Einwände formulieren. Georg Vobruba und seine Mitarbeiter haben außerdem das "Armutsfallen-Theorem" in einer quantitativ wie qualitativ verfahrenden Studie (für Deutschland erstmalig) auch einer empirischen Überprüfung unterzogen (Gebauer, Ronald/Petschauer, Hanna/Vorbuba, Georg 2002: Wer sitzt in der Armutsfalle? Selbstbehauptung zwischen Sozialhilfe und Arbeitsmarkt, Berlin: edition sigma). Wer das Buch noch nicht kennt, dem sei es dringend empfohlen.
Vobruba et.al. kommen darin zu dem Ergebnis, dass dass „die Betroffenen [sich] ganz überwiegend nicht so verhalten, wie vom Armutsfallen-Theorem unterstellt“(Gebauer/Petschauer/Vorburuab 2002: 21), sondern im Gegenteil kurzfristige Einkommenskalküle zugunsten langfristiger Chancenoptimierung zurück stellen. Gleichwohl müssen sich die LeistungsbezieherInnen in ihrer alltäglichen Situtation premanent gegen eine adverse Anreizstruktur behaupten, die ihnen einen Zuverdienst und gleitende Übergänge in die Erwerbsarbeit erschwert. Vobruba et.al. leugnen also nicht, dass institutionelle Strukturen individuelles Handeln beeinflussen. Im Gegensatz zu den Vertretern der "Armutsfallen-These" machen sie sich aber die Mühe, danach zu fragen, wie denn die Realtität und alltägliche Situation der LeistungsbezieherInnen tatsächlich aussieht.
Die Problematik der "Armutsfallen"-These und die Auseinandersetzung darum sollte m.E. jedenfalls zunächst einmal zur Kenntnis genommen werden, bevor der notorische Anti-Sozialstaatsagitator Hans-Werner Sinn zum Kronzeugen für ein BGE erkoren wird. Herr Sinn (2003) plädiert übrigens in seinem Gutachten für eine Reform der Sozialhilfe auf Basis der beschriebenen Annahmen für die weitere Absenkung des Niveaus der letzten Existenzsicherung in unserem Sozialstaat.
MfG Katrin Mohr
-- Katrin Mohr (Dipl. Soz.) Graduiertenkolleg „Die Zukunft des Europäischen Sozialmodells“ Universität Göttingen Humboldtallee 3 37070 Göttingen
Erstellt: 01.08.04, 14:10 Betreff: Re: Grundeinkommen und Beschäftigungdruckenweiterempfehlen
Liebe Netzwerk-Mitglieder,
Katrin Mohrs Argumentation und der Bezug auf Georg Vobrubas Studie ist zutreffend und hilfreich - allerdings auch, um die „interne“ Diskussion um ein Grundeinkommen auf die Beine zu stellen, deshalb ja auch die Gründung des Netzwerks Grundeinkommen.
Mir scheint unter den genannten Argumenten vor allem dasjenige beachtlich, wonach Grundeinkommensbezieher (wie schon heute Transferempfänger):
„im Gegenteil kurzfristige Einkommenskalküle zugunsten langfristiger Chancenoptimierung zurück stellen.“
Nur, wenn ein Grundeinkommen langfristige Chancenoptimierung und gesellschaftliche Teilhabe auch und gerade bei den Gruppen offeriert, die heute und zunehmend marginalisiert werden (Zuwandererkinder, niedriger Qualifizierte usf.), ist es politisch wünschenswert.
Unter Umständen ist ein hohes, die soziokulturelle Existenz garantierendes Grundeinkommensniveau deshalb gerade für jene Gruppen problematisch, da es kurzfristige Handlungsorientierungen prämiiert - abgesehen davon, dass ein hohes bedingungsloses Grundeinkommen zumindest bis auf weiteres nicht recht durchsetzbar erscheint. Würden diese Annahmen geteilt - innerhalb des Netzwerks gibt es natürlich unterschiedliche Annahmen über diese Annahmen -, dann hat das Konsequenzen für die Forderung nach einem Grundeinkommen: vermutlich wäre es sogar wünschenswert, zwar ein kulturell existenzsicherndes Niveau zu fordern, das Grundeinkommen jedoch zum Teil nur als Darlehen zu zahlen, wie ich dies beispielsweise im Vorschlag einer „Grundeinkommensversicherung“ (u.a. in „Grundrente in Deutschland, Wiesbaden: VS 2004) erörtert habe. In jedem Fall lohnt darüber der wissenschaftliche und politische Diskurs.
Erstellt: 01.08.04, 16:10 Betreff: Re: Niedriges Grundeinkommen für Marginalisiedruckenweiterempfehlen
Niedriges Grundeinkommen für Marginalisierte Die Pädagogik der Gewalt und des Zwanges??
Es scheint seltsam, warum Michael O. für marginalisierte Gruppen ein existenzsicherndes Grundeinkommen nur für politisch wünschenwert hält, wenn es diesen "langfristige Chancenoptimierungen offeriert". Er will kurzfristige Handlungsorientierungen nicht prämieren. Dahinter verbirgt sich, so vermute ich, dass gleiche alte pädagogische Konzept, was Michael schon ehemals verkündete, als er für Jugendliche soziale Arbeitsdienste forderte. Nun sollen die Marginalisierten durch ein niedriges Grundeinkommen in den Niedriglohn-Arbeitsmarkt geschleust werden - wegen der "langfristigen Chancenoptimierung", meint wohl Arbeitsgewöhnung, Arbeitsmarktintegration, Gewöhnung an eine ordentliche Lebensgestaltung als Chance?? Ein niedriges Grundeinkommen ist nichts anderes als eine hervorragende (und erzwungene) Schleuse in den Niedriglohn-Arbeitsmarkt. Dies ist bekannt.
Nichtmarginalisierte würden nämlich mit einem möglichen existenzsichernden Grundeinkommen keine kurzfristigen Handlungsorientierungen prämiert bekommen. Klartext: Die versaufen und verloddern es nicht nur??
Das von Michael vorgeschlagene Darlehen im Rahmen eines Grundeinkommens für Arbeitsfähige hat sowohl einen taktischen, als auch einen pädagogischen Hintergrund: Taktisch - um die Sozialschmarotzer-Debatte abzuschwächen. Pädagogisch, um die Leute aus allzu langem Leistungsbezug Grundeinkommen rauszubekommen.
Dieses taktischen und pädagogischen Probleme bei der Gestaltung des Grundeinkommens treten natürlich immer nur dann auf, wenn es kein bedingungsloses Grundeinkommen für alle sein soll. Sondern faktisch nur für bestimmte Gruppen - lebenslagenbezogen.
Beste Grüße Ronald Blaschke
Antwort:
Liebe Netzwerkmitglieder,
so könnte die Diskussion laufen -- allerdings bei aller Freundschaft für Polemik nicht an der Sache vorbei und nicht mit Unwahrheiten garniert, wie im Beitrag von Ronald Blaschke:
1. Einen „Arbeitsdienst für Jugendliche“ habe ich nie erwogen, sondern einen Sozialdienst für alle. Genaueres habe ich dazu zuletzt veröffentlicht in:
Michael Opielka, Aktivierung durch Verpflichtung? Von der Pflicht zur Erwerbsarbeit zur Idee eines Sozialdienstes, in: vorgänge 164, Heft 4, 2003, S. 113-120
Sicherheitshalber habe ich diesen Text in das Mailforum unter „Texte zum Grundeinkommen“ eingestellt.
2. Die These von Ronald Blaschke, dass die „taktischen und pädagogischen“ Probleme bei einem „bedingungslosen“ Grundeinkommen, also einem Grundeinkommen des Typus Sozialdividende nicht auftreten, teile ich im Prinzip. Ich bin deshalb schon vor 20 Jahren für ein „garantiertes Grundeinkommen“ eingetreten (u.a. Michael Opielka/Georg Vobruba (Hrsg.), Das garantierte Grundeinkommen, Frankfurt: Fischer 1986). Es wäre aber naiv, (a) für die Diskussion um eine inkrementalistische, also schrittweise Politik auf ein Grundeinkommen hin beide Probleme zu vernachlässigen. Und (b) scheint es mir auch nicht ausgemacht, dass ein „bedingungsloses“ Grundeinkommen unter ungünstigen Bedingungen genau die „Brot-und-Spiele“-Funktion nicht doch erfüllen könnte, die manche seiner ehrenwerten Kritiker davon abhalten, unsere Idee zu unterstützen. Welche Bedingungen sind also günstig für ein Grundeinkommen? Darüber müssen wir wissenschaftlich und politisch streiten.
Beste Grüße
Michael Opielka
P.S. Damit die Beiträge im Mailforum nicht kreuz und quer landen: bitte die Hinweise von Manuel Franzmann beachten, dass entweder direkt die Antwortfunktion verwendet wird oder alternativ innerhalb des Mailforums unmittelbar auf den Beitrag geantwortet wird.
Von: Ronald Blaschke [mailto:@carookee.com] Gesendet: Sonntag, 1. August 2004 15:45 An: Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Niedriges Grundeinkommen für Marginalisie
Niedriges Grundeinkommen für Marginalisierte Die Pädagogik der Gewalt und des Zwanges??
Es scheint seltsam, warum Michael O. für marginalisierte Gruppen ein existenzsicherndes Grundeinkommen nur für politisch wünschenwert hält, wenn es diesen "langfristige Chancenoptimierungen offeriert". (...)
Erstellt: 01.08.04, 17:05 Betreff: Re: Grundeinkommen als Darlehen?druckenweiterempfehlen
Hallo Michael Opielka,
vielleicht verstehe ich das unten genannte Zitat falsch - weil vielleicht aus dem Zusammenhang - aber ein Grundeinkommen als Darlehen - auch nur zum Teil - zahlen zu wollen, halte ich für sehr problematisch. Das verhielte sich ja genauso, wenn heutige Sozialhilfebezieher die Sozialhilfe nur als Darlehen bekämen und sie es später bei evtl. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wieder zurückzahlen müssten. Ein zurückzahlbares Darlehen vermindert ja das Einkommen durch Erwerbsarbeit und das wäre ein Kreislauf ohne Ende.
Ich sehe ein bedingungsloses Einkommen nur so an, dass den Beziehern eines solchen Einkommens sämtliche Repressalien von den Behörden (ausführende Organe) und vom Gesetzgeber genommen wird. Wenn der Mensch nicht mehr unter dem alltäglichen Existenzdruck steht, kann er sich freier entfalten und er wird sich meiner Überzeugung nach freiwilliger und motivierter in unserer Gesellschaft - und wenn auch nur durch ein Ehrenamt - einbringen. Menschen ohne bedingungslosem Grundeinkommen können zwangsweise nur zunächst auf ihre eigenen Bedürfnisse schauen. "Ich kann anderen Menschen nur helfen, wenn ich selbst gesättigt bin."
-----Ursprüngliche Nachricht----- Von: Michael Opielka [mailto:@carookee.com] Gesendet: Sonntag, 1. August 2004 14:10 An: Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Re: Grundeinkommen und Beschäftigung
dann hat das Konsequenzen für die Forderung nach einem Grundeinkommen: vermutlich wäre es sogar wünschenswert, zwar ein kulturell existenzsicherndes Niveau zu fordern, das Grundeinkommen jedoch zum Teil nur als Darlehen zu zahlen, wie ich dies beispielsweise im Vorschlag einer „Grundeinkommensversicherung“ (u.a. in „Grundrente in Deutschland, Wiesbaden: VS 2004) erörtert habe.
Erstellt: 01.08.04, 17:25 Betreff: Re: Grundeinkommen als Darlehen?druckenweiterempfehlen
Lieber Detlef Spandau,
ein „Grundeinkommen“ ist kein Darlehen, sondern ein Einkommen, was reinkommt und nicht irgendwann wieder rauskommt.
Der Vorschlag einer „Grundeinkommensversicherung“ beinhaltet ein „Grundeinkommen“ für alle, die mindestens drei Jahre versichert waren und ihren Beitrag gezahlt haben (im Modell: 17,5% auf das Volkseinkommen lt. VGR, womit sämtliche Einkommenstransfers in Deutschland einbezogen werden können). Die „Grundsicherung“ in diesem Modell ist für diejenigen, die sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellen wollen. Sie ist also bedingungslos - aber nur ein teilweises Grundeinkommen, noch kein richtiges. Sie wird sich jedoch dahin entwickeln, zwangsläufig, wenn - wie im Modell vorgesehen - die „Grundeinkommensversicherung“ von den Versicherten selbst verwaltet wird und natürlich dann, wenn sich das Grundeinkommen ansonsten bewährt.
Ich habe diese „Grundsicherung“ als „Bafög für alle“ bezeichnet - der Darlehensanteil entfällt, wenn man etwas Gemeinnütziges macht (also kein 1Euro-Job, wie bei Hartz IV), einschließlich Kindererziehung, und natürlich, wenn man erwerbsunfähig oder krank ist.
Das ist ein Einstiegsprogramm, noch kein „reines“ Grundeinkommen.
Bessere Einstiegsprogramme wären mir willkommen, noch freiheitlichere, noch weniger repressive --- vielleicht hast du eine bessere Idee oder ein/e Andere/r?
Erstellt: 01.08.04, 18:15 Betreff: Re: Grundeinkommen als Darlehen?druckenweiterempfehlen
Hallo Michael Opielka,
genau derselben Meinung bin ich auch wie von Ihnen unten zitiert. Mit dieser Frage hatte ich mich schon persönlich mit Prof. Rainer Roth (Fachhochschule für Sozialwissenschaften, Frankfurt/Main) noch vor dem Gründungstreffen des Netzwerkes Grundeinkommen auseinander gesetzt und ich vertrat eindeutig dieselbe Meinung. Prof. Rainer Roth widersprach mir dann aber, dass es sich dann allerdings nicht um ein "bedingungsloses" Grundeinkommen handelt.
Ich hatte bisher jahrelang immer so verfahren, bzw. war immer bereit, etwas Gemeinnütziges zu tun:
- Kameraführung und Filmschnitt bei Offenen Kanälen (Bürgerfernsehen) - Planungen und Durchführungen von Erwachsenenfreizeit - Finanzbuchhaltung für ein Sozialforum - Webseitengestaltung für eine Wählerinitiative in Detmold und regelmäßige Durchführung eines Informationsstandes für die bevorstehende Kommunalwahl am 26.09.2004 in NRW.
und das alles bei derzeitigem Bezug von Arbeitslosenhilfe. Öffentlich anerkannt sind meine "Ehrenämter" allerdings (noch) nicht. Mit einem Bezug eines bedingungslosen Grundeinkommens würden diese o.g. Tätigkeiten, die andere Menschen für Geld (Gehalt, Lohn) tun, öffentliche Anerkennung finden.
Genauso sehe ich die ganze Thematik des Grundeinkommens.
Erstellt: 01.08.04, 20:20 Betreff: Re: Grundeinkommen und Beschäftigungdruckenweiterempfehlen
Lieber Herr Opielka, liebe Frau Mohr,
ich bin dabei die Ausarbeitung von Herrn Ronald Blaschke "Garantiertes Grundeinkommen" zu studieren. Es fehlt mir da noch an Kompetenzen in den Kernpositionen.
Soweit ich gesehen habe, kennt sich Frau Mohr relativ gut mit dem angelsächsischen System aus, welches mehr oder minder auf monetäre Zwangssysteme zu einer Arbeitsaufnahme setzt.
"Bisherige Kritiker der negativen Einkommenssteuer führen an, daß sie die Arbeitsmoral untergrabe. Diese ungünstige Situation hängt jedoch sehr stark von der Höhe der gewährten Leistungen ab. Wenn sie zu großzügig bemessen sind, werden die Menschen sich entschließen, nicht zu arbeiten oder weniger zu arbeiten, wie ein Experiment in New Jersey zeigte" (O. Giarini und P. M. Liedtke, "Wie wir arbeiten werden", S.196).
Der Druck sich zu überwinden, auch eine ungeliebte, schwierige oder gefährliche Arbeit zu übernehmen, konnte bisher nur durch eine Form des Zwangs auf den Arbeitssuchenden gewährleistet werden.
Der durchschnittliche Arbeitslose will sich normalerweise schon mit seinen Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen. Das Qualifikationsniveau der Arbeitslosen ist keineswegs gering in Deutschland. Doch die Arbeitslosenstatistik zeigt, dass praktisch in allen Berufsfeldern eine beträchtliche Arbeitslosigkeit herrscht. Die hohe Bereitschaft der deutschen Bevölkerung zu lernen und sich fortzubilden, deutet jedenfalls nicht auf eine kurzfristige, ungeplante Beschäftigungssuche hin.
Auch die Sozialhilfeempfänger sind keineswegs eine homogene, unqualifizierte Arbeitsmasse, wie dies in manchen Zeitungsartikeln dargestellt wurde.
Hierzu eine qualifikatorische Aufschlüsselung vom Statistischen Landesamt Berlin: Von den 115.000 18-60 jährigen Sozialhilfeempfängern hatten 37.200 (32,2%) Personen eine abgeschlossene Lehre, 5.341 (4,6%) Personen eine abgeschlossene Fachhochschul- oder Hochschulausbildung, 9.413 (8,2%) Personen einen anderen beruflichen Abschluss, 59.000 Personen hatten keinen beruflichen Abschluss. Die hohe Zahl von Sozialhilfeempfängern ohne Berufsabschluss kann sicher auch z. T. mit der hohen allgemeine Arbeitslosigkeit begründet werden. Es gibt in Berlin kaum freie Stellen und die Arbeitslosenquote in nahezu allen Berufsgruppen liegt bei ca. 20%. Der Motivationseffekt bei solchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt kann daher sicher auch während der Ausbildung nicht sehr hoch sein. In den allgemeinbildenden Schulen hatten diese Sozialhilfeempfänger zu nahezu 90% einen Abschluss erzielt. 13,5% hatten die Fachhochschul- oder Hochschulreife, 27,8% hatten einen Realschulabschluss, 39,1% hatten einen Hauptschulabschluss. 90.567 Sozialhilfeempfänger waren arbeitslos gemeldet, 9.540 Sozialhilfeempfänger arbeiteten unter Einkommensbedingungen unterhalb der sozialen Mindestsicherung. (Quelle: Statistisches Landesamt Berlin, Berliner Statistik, „Sozialhilfe in Berlin 2000", Monatsschrift 12/01, S.542-548). Es ist deprimierend, wenn viele gut ausgebildete Menschen unter Sozialhilfebedingungen, Arbeitslosenhilfebedingungen untätig, ohne Zusammenhang mit ihrer bisherigen Ausbildung, vegetieren müssen.
Falls es in Deutschland oder in den europäischen Nachbarstaaten eine tatsächliche Armut gibt, muß man die Weichen auf bezahlbare Arbeit und sinnvolle gesamteuropäische Wohlstands- und Kooperationsprojekte richten. Die Feinsteuerung kann nur gelingen, wenn sich alle Beteiligten klar sind, welche Werte sie für Familie, Kinder, Verteilungssteuerung, Beschäftigungsfelder, soziale Gerechtigkeit vorgeben wollen.
Ich hätte auch zu geringeren Vergütungen als den normalen tariflichen Entgelten eines Diplomchemikers eine Beschäftigung aufgenommen. Ich wäre auch Bauarbeiter geworden, wenn es genügend bezahlbare Arbeitsplätze auf diesem Sektor gegeben hätte. Sobald man jedoch spürt, dass man nur dazu da ist, um andere Bewerber auszustechen, spürt man, dass die freie Beschäftigung Vorteile hat.
Angebot und Nachfrage könnten sich durchaus regeln, es gab jedoch ein Kartell, dass die Einbringung von Fähigkeiten für diese Gesellschaft verhindert.
Erstellt: 01.08.04, 21:30 Betreff: Re: Grundeinkommen und Beschäftigungdruckenweiterempfehlen
Lieber Herr Teetz, lieber Herr Spandau,
die Berliner Sozialhilfedaten bieten eben ein zwiespältiges Bild: auf der einen Seite sehr viele, die sich engagieren, die in ihre berufliche Perspektive, in ihre Ausbildung investieren - auf der anderen Seite aber etwas mehr als 50% (!) Sozialhilfeempfänger ohne Berufsabschluss. Letzteres hat mit Arbeitslosigkeit wenig zu tun, sondern mit zweierlei: mit den Schwächen des deutschen Bildungssystems, das die soziale Herkunft der Kinder und Jugendlichen viel zu wenig ausgleicht, was sich - gerade in Berlin, bei hohem Migrantenanteil - dramatisch auswirkt. Die andere Seite sind freilich die Eltern selbst, das soziale Milieu der peer groups, das immer mehr jungen Menschen die Botschaft vermittelt, dass es sich nicht lohnt, in sich zu investieren, sich weiterzubilden.
Die spannende Frage ist nun: wie wirkt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen angesichts dieser komplexen Lage aus? Heroisch annehmen, dass die Leute sich nach Einführung eines Grundeinkommens ganz anders entscheiden als heute, in Bildung und ihre Qualifikation, in ihre Beteiligung an der Gesellschaft investieren? Oder ein wenig Realismus walten lassen und die Einführung eines Grundeinkommens als Prozess verstehen - freilich mit klarem Ziel?
Erstellt: 01.08.04, 22:47 Betreff: Re: Grundeinkommen und Beschäftigungdruckenweiterempfehlen
Ich möchte aus der Sicht der Wohlfahrtspflege, die unter anderem kostenlose Schuldnerberatung anbietet, ganz einfach darauf hinweisen, dass in derartig vielfältig wirkender Thematik es für eine gründliche Lösung vor allem darauf ankommt, dass möglichst ALLE Seiten angehört und deren Argumente auch ernstgenommen werden. Persönlich halte ich einen hinreichend deutlichen Mindestabstand zwischen Erwerbseinkommen aller Art zu grundsichernden Sozialleistungen für unabdingbar - will man der derzeitigen politische Kraftanstrengung zugunsten der deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit (...) ernsthaft Folge leisten. Das meint nicht (weitere) Reduzierung der Sozialleistungen, auch wenn die öffentlichen Kassen an dieser Stelle recht klamm sind. Da jedoch stößt man recht bald auf einen Bereich, der i.d.R. eben NICHT zentral steuerbar ist und deshalb auch weiterhin in eigener Regie agieren wird - die private Wirtschaft, die Wirtschaft ganz allgemein. Diese ist nicht angehalten, gesamtgesellschaftlich zu denken, das kann und "darf" sie nicht. Zu dem zum Ehrenamt Gesagten (der Bedarf daran ist bei allem Wachstumsdenken ein zunehmend großer): hier ist hinsichtlich der (gesellschaftlichen) Anerkennung Zustimmung deutlich stärker von Nöten, ich fürchte jedoch, dass sich diese auf Musterfälle (oder den persönlichen Dank der Unterstützten) auch weiterhin reduzieren läßt. Je direkter Verantwortungen verteilt und kontrolliert werden (können), desto wahrscheinlicher dürften Erfolge sein. Wissen ist schon lange genug vorhanden, allerdings recht breit gestreut.