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Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"
* 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des "Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO . Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste, Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
* Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird. * Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet. Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten. *
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Autor |
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Joachim Behncke
Beiträge: 15 Ort: Berlin
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Erstellt: 08.09.04, 16:35 Betreff: Negative Einkommensteuer mit Text
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Ich möchte mich heute einmal zur Negativen Einkommensteuer äußern:
Wie Wolfgang Strengmann bin ich der Meinung, daß man neben der langfristigen Vision eines Grundeinkommens auch den Weg dorthin, sozusagen in kleinen Schritten im Auge behalten sollte, und das ist für mich die Grundsicherung ( nach allgemeinem Verständnis im Unterschied zum Grundeinkommen nicht bedingungslos und nicht für jeden Bürger ). Die Grundsicherung ist heute schon Gesetz für einen beschränkten Personenkreis ( siehe weiter unten ) und sollte im Zuge der Hartz IV Diskussion auf den Kreis der Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger ausgedehnt werden.
Ich denke, daß neben dem Umlageprinzip, das jetzt nicht mehr funktioniert - weil es einseitig auf den Faktor Arbeit ausgelegt ist und damit nur funktionieren konnte in Zeiten der Vollbeschäftigung ( Adenauer, 1957! ) - nur noch das Steuersystem als ein System in der Bevölkerung akzeptiert ist, das grundsätzlich gerecht ist und sozialen Ausgleich schaffen kann ( Keiner widerspricht, daß Bürger mit höherem Einkommen auch höhere Steuern zahlen. Der Streit ist nur, wieviel! )
Schon heute finanzieren wir unsere Renten über die Ökosteuereinnahmen, obwohl die Ökosteuer dafür nicht gedacht war. Andernfalls wäre der Rentenbeitrag jetzt schon bei 22% oder höher.
Deshalb bin ich ein Verfechter der Finanzierung der Grundsicherung über die negative Einkommensteuer, und zwar zunächst für die Bevölkerungsgruppen, für die schon jetzt die Gesetze verabschiedet sind : über 65 jährige mit keinem oder zu geringem Renteneinkommen, erwerbsunfähige Bürger über 18, sowie ( neu! )die bisherigen Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger: also Grundsicherung statt ALG II!
Wer keine Einkünfte hat, erhält vom Finanzamt den Grundsicherungsbetrag, der pauschaliert ist und z. B. in der Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags liegen könnte ( zur Zeit 7.426,- EUR im Jahr ). Bei eigenen Einkünften wird dieser Betrag abgeschmolzen. Wie, ist festzulegen und in die Steuertabelle einzuarbeiten.
Ziel muß sein, daß Leute über einer bestimmten Einkunftshöhe nicht mehr in den Genuß des Grundfreibetrags kommen, sondern nur noch ( dann höhere ) Steuern zahlen.
So kritisiert das deutsche Steuerrecht ist: Es hat einen Vorteil: seine Begriffe sind nicht qualitativer sondern quantitativer Natur, und daher sehr gut geschaffen, die Fehlentwcklungen mit Hartz IV zu korrigieren. Also:
statt bedarfsabhängig: einkünfteabhängig
statt Bedarfsgemeinschaft: gemeinsame Veranlagung oder nicht ( wahlweise, wie auch heute im Steuerrecht )
statt Schonvermögen: Vermögen und ( falls wieder eingeführt ) Steuern auf selbiges : Kein Finanzamt nimmt dem Bürger sein Vermögen weg, sondern es besteuert nur die Einkünfte daraus ( mit der Vermögenssteuer auch das Vermögen selbst, aber nur mit einem verhältnismäßig kleinen Prozentsatz ).
Ich denke, daß die Verwendung von Begriffen aus dem Steuerrecht grundsätzlich sehr hilfreich sein kann bei der Realisierung der Grundsicherung.
Das Finanzamt ist dann auch die einzige Institution, die die Grundsicherung auszahlt, das Arbeitsamt kümmert sich um die Vermittlung von Arbeit und das Sozialamt kümmert sich um diejenigen Leute, die zusätzliche Unterstützung der Gesellschaft benötigen, zahlt gegebenenfalls notwendige Einmalleistungen wie heute auch schon, aber nicht den Sockelbetrag der Grundsicherung.
Da auch heute schon alle diese Leistungen aus Steuern bezahlt werden, braucht man sich über die Finanzierbarkeit - eingeschränkt auf den oben genannten Personenkreis - keine Gedanken zu machen. Wir zahlen diese Transfergelder jetzt schon, beschäftigen aber eine 90.000 Mann Behörde zusätzlich damit, die Auszahlungen zu leisten und nehmen ihr damit die Kapazität, sich um das zu kümmern, für das sie geschaffen wurde: um die Arbeitsvermittlung.
Grüße
Joachim Behncke Mitglied von Bündnis90/Die Grünen im Kreisverband Steglitz Zehlendorf Berlin
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Marion2004
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Erstellt: 08.09.04, 18:53 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Joachim Behncke,
Zitat: Joachim Behncke
Deshalb bin ich ein Verfechter der Finanzierung der Grundsicherung über die negative Einkommensteuer, und zwar zunächst für die Bevölkerungsgruppen, für die schon jetzt die Gesetze verabschiedet sind : über 65 jährige mit keinem oder zu geringem Renteneinkommen, erwerbsunfähige Bürger über 18, sowie ( neu! )die bisherigen Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger: also Grundsicherung statt ALG II!
Wer keine Einkünfte hat, erhält vom Finanzamt den Grundsicherungsbetrag, der pauschaliert ist und z. B. in der Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags liegen könnte ( zur Zeit 7.426,- EUR im Jahr ). |
Ein solcher Betrag (7.426,00 EUR/Jahr) wäre völlig inakzeptabel, denn die Empfänger derzeitiger Grundsicherungsleistungen (Kleinstrenter, Erwerbsunfähige, Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger etc.) bekämen dadurch noch weniger, als bisher. Derzeit steht z.B. den Empfängern von Grundsicherungsleistungen ein monatlicher Regelsatz in Höhe von 345,00 EUR (West) plus Warmmiete zur Verfügung. Bei den Empfängern von Sozialhilfe sieht es ähnlich aus, nur daß diese statt der monatlichen Pauschale in Höhe von ca. 45,00 EUR derzeit noch bedarfsabhängig einmalige Beihilfen beantragen können.
Dies jetzt noch weiter absenken zu wollen, somit praktisch unter das Existenzminimum zu gehen, kann doch nicht Sinn und Zweck eines BGE sein!
Gruß Marion
[editiert: 08.09.04, 18:54 von Marion2004]
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Joachim Behncke
Beiträge: 15 Ort: Berlin
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Erstellt: 08.09.04, 19:50 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hier und jetzt über die genaue Höhe zu streiten, ist sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt. Gesichert ist nur: das Niveau kann nicht weit über der jetzigen Sozialhilfe liegen, gegebenfalls korrigiert nach oben durch schon lange notwendige Anpassungen. Schon im Gründungstreffen Anfang Juli in Berlin wurde in einem Redebeitrag festgestellt, daß die exakte Höhe eine politische Entscheidung ist. Viele Modelle sind denkbar.
Aber im Konkreten: Wenn ich 7.426,- durch 12 teile, ergibt sich 619,- pro Monat, abzüglich 200,- etwaige Wohngeldpauschale: 419,- also deutlich mehr als die jetzigen 345,- EUR Regelsatz. Krankenversicherung ( pauschaliert ca. 150,- ) wurde bisher für Arbeitlosenhilfeempänger überwiesen, für Sozialhilfeempfänger nicht, sehr zum Leidwesen der Kassen, die nach dem jetztigen Hartz IV Modell Einnahmeausfälle in der Größenordung 3 Mio. Arbeitslosenhilfeempfänger x 12 x 150,- zu verkraften haben.
Die Krankenversicherung spielt also immer eine besondere Rolle, da spielen dann auch neue Modelle hinein wie Bürgerversicherung etc., d.h. alles hängt mit allem zusammen.
Grüße Joachim Behncke Berlin
[editiert: 10.09.04, 09:56 von Manuel Franzmann]
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Marion2004
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Erstellt: 08.09.04, 20:16 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Joachim Behncke,
Zitat: Joachim Behncke
Aber im Konkreten: Wenn ich 7.426,- durch 12 teile, ergibt sich 619,- pro Monat, abzüglich 200,- etwaige Wohngeldpauschale: 419,- also deutlich mehr als die jetzigen 345,- EUR Regelsatz. |
Wie kommen Sie denn auf eine "etwaige Wohngeldpauschale" in Höhe von 200,00 EUR/Monat?
Gerade in den Ballungszentren wird es zu diesem Preis keine Wohnungen geben und Sie wollen der von Ihnen angesprochenen Personengruppe (Alte, Kranke, Behinderte, Kleinstrentner etc. - kurz: Alle derzeitigen Empfänger von Grundsicherungsleistungen) doch jetzt nicht ernsthaft zumuten, auch noch nach billigerem Wohnraum zu suchen bzw. nach Einführung des BGE in der von Ihnen vorgeschlagenen Höhe unverzüglich umzuziehen. In größeren Städten gibt es praktisch kaum noch billigen Wohnraum und gerade Alte, Kranke, Behinderte kann man dafür jetzt nicht noch bestrafen, indem man ihnen das absolute Existenzminimum (derzeit 345,00 EUR plus Warmmiete, die in größeren Städten ganz sicher nicht nur bei 200,00 EUR liegt) weiter kürzt.
Hinter Ihren Berechnungen dürften wohl eher parteipolitische Interessen und Erwägungen stehen. Der Betrag bleibt jedenfalls auch weiterhin völlig inakzeptabel! Das BGE war ursprünglich dazu gedacht, die Teilhabe der Menschen am kulturellen und politischen Leben überhaupt erst zu ermöglichen - mit diesem Betrag würden Sie gerade dieser Personengruppe o.e. Teilhabe noch weiter einschränken. Da dürfen Sie gewiß mit Widerstand rechnen!
Marion
[editiert: 08.09.04, 20:21 von Marion2004]
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Joachim Behncke
Beiträge: 15 Ort: Berlin
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Erstellt: 09.09.04, 12:35 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo, Marion!
Meine Tochter ( Studentin, 25 Jahre ) wohnt zum Beispiel in einer 32 qm großen ehemaligen Sozialbauwohnung in Berlin-Schöneberg für € 220,- warm. Das Wohngeld ist heute und wird auch in Zukunft regional unterschiedlich zu behandeln sein, ohne Frage.
Aber: Die genaue Höhe des Grundeinkommens am Anfang des politischen Prozesses festzulegen, führt nur zu emotionalen Diskussionen wie sie hier im Forum auch schon zu genüge geführt worden sind.
Noch einmal: Die Höhe des Grundeinkommens ist eine politische Entscheidung: In einem Staat mit eher sozialistischer Ausrichtung wird es höher sein, in einem Staat kapitalistischer Prägung ( heute hat sich das Wort Neoliberal eingeprägt ) wird das Grundeinkommen eher niedrig sein ( Milton Friedman ).
Ich bin weder Sozialist noch Kapitalist. Ich denke aber, wie alle hier im Forum, daß in Zeiten permanenter Massenarbeitslosigkeit der Sozialstaat grundlegend zu reformieren ist. Grundsicherung/Grundeinkommen ist dabei nur eine Komponente. Ziel muß es sein, den Sozialstaat vom Faktor Arbeit zu entkoppeln, ohne ihn gleich abzuschaffen - und das geht nur über steuerfinanzierte Systeme.
Schöne Grüße aus dem billigen Berlin
[editiert: 10.09.04, 09:55 von Manuel Franzmann]
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Marion2004
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Erstellt: 09.09.04, 18:00 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Joachim Behncke,
Am Donnerstag, 9. September 2004 12:35 hat Joachim Behncke geschrieben:
> Aber: Die genaue Höhe des Grundeinkommens am Anfang des > politischen Prozesses festzulegen, führt nur zu emotionalen > Diskussionen wie sie hier im Forum auch schon zu genüge geführt > worden sind.
Mit dem Grundeinkommen müssen die Menschen wirtschaftlich überleben können. Wenn es unter das derzeitige Existenzminimum gedrückt wird, erübrigt sich jegliche weitere Diskussion.
MfG Marion
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Wolfgang Strengmann
Beiträge: 82 Ort: Frankfurt am Main
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Erstellt: 10.09.04, 09:41 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Zitat: Marion2004
Mit dem Grundeinkommen müssen die Menschen wirtschaftlich überleben können. Wenn es unter das derzeitige Existenzminimum gedrückt wird, erübrigt sich jegliche weitere Diskussion. |
Hallo Marion,
da liegt ein Missverstaendnis vor. Ein Grundeinkommen ist keine Sozialhilfe und muss diese auch nicht ersetzen. Die Sozialhilfe (bzw. ALG 2 bzw. Sozialgeld bzw. "bedarfs orientierte Grundsicherung im Alter") ist das allerletzte Netz , wenn nicht genuegend andere Einkommen vorhanden sind. Sie muss (!) ueber dem Existenzminimum liegen.
Das Grundeinkommen erhalten alle unabhaengig von irgendwelchen Bedingungen und in gleicher Höhe. Andere Einkommen kommen dann hinzu! Deswegen muss das Grundeinkommen plus andere Einkommen (!) zum Leben reichen. Gibt es keine anderen Einkommen (was in der Realität gar nicht so oft der Fall ist), kann es immer noch eine Sozialhilfe geben, die dann das Existenzminimum sichern muss. Nur wenn ein Grundeinkommen tatsaechlich so hoch ist, dass es in allen Faellen ueber dem Existenzminimum liegt, wird die Sozialhilfe ueberfluessig. Ein Grundeinkommen kann (!) deswegen im Prinzip auch unter dem Existenzminimum liegen. Das wuerde aber in Bezug auf die Ziele des Netzwerks nicht ausreichen, weil ein existenzsicherndes Grundeinkommen angestrebt wird. Auf dem Weg dahin, kann es aber auch ein geringeres Grundeinkommen geben - die Sozialhilfe wuerde dann aber weiter bestehen.
Schoene Gruesse Wolfgang
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Marion2004
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Erstellt: 10.09.04, 13:23 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Wolfgang Strengmann,
zunächst vielen Dank für Ihre Antwort.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Das Grundeinkommen erhalten alle unabhaengig von irgendwelchen Bedingungen und in gleicher Höhe. Andere Einkommen kommen dann hinzu! |
Wie sähe das dann bei den Rentnern aus? Würden die Rentner das Grundeinkommen *zusätzlich* zu ihrer Rente erhalten? Sollte das BGE nicht ursprünglich die Renten ersetzen?
Zitat: Wolfgang Strengmann
Gibt es keine anderen Einkommen (was in der Realität gar nicht so oft der Fall ist), kann es immer noch eine Sozialhilfe geben, die dann das Existenzminimum sichern muss. |
Doch, diese Fälle gibt es leider häufig. Nur ein Beispiel: Viele Frauen, die kleine Kinder erziehen, stehen dem Erwerbsarbeitsmarkt nicht zur Verfügung, haben daher kein selbständiges Einkommen, leisten jedoch gesellschaftlich notwendige Arbeit (Haus- und Familienarbeit). In ihrem Fall wäre ein BGE, welches unter dem Existenzminimum liegt, eine regelrechte Armutsfalle.
Denkbar ist auch, daß z.B. viele Programmierer freier Software aus der Open-Source-Bewegung von einem solchen Grundeinkommen leben müßten, also kein weiteres Einkommen haben werden.
Kurz: Solche und ähnliche offene Fragen sollten bei der Ausgestaltung des BGE ungedingt berücksichtigt und geklärt werden. Es kann einfach nicht sein, daß ein BGE für einen Teil der Mitglieder der Gesellschaft zu einer Armutsfalle wird.
MfG Marion
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Wolfgang Strengmann
Beiträge: 82 Ort: Frankfurt am Main
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Erstellt: 10.09.04, 15:30 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Marion, liebe Mitlesenden,
Zitat von Marion2004 <@carookee.com>:
1) zur Rente:
Wolfgang: > > Das Grundeinkommen erhalten alle unabhaengig von irgendwelchen Bedingungen > > und in gleicher Höhe. Andere Einkommen kommen dann hinzu! >
Marion: > Wie sähe das dann bei den Rentnern aus? Würden die Rentner das Grundeinkommen > *zusätzlich* zu ihrer Rente erhalten?
Wolfgang: ja.
Marion: > Sollte das BGE nicht ursprünglich die > Renten ersetzen?
Wolfgang: Das ist die Position von Kurt Biedenkopf, die ich nicht teile: Grundrente für Alle plus (ausschließlich) private kapitalgedeckte Alterssicherung. Auch die Lebensstandardsicherung sollte solidarisch im Umlageverfahren finanziert bleiben. Wenn es eine Grundrente gibt, kann sie allerdings ein geringeres Niveau haben als heute.
Es gibt dazu uebrigens ein aktuelles Buch aus diesem Jahr von Michael Opielka: Grundrente in Deutschland. Sozialpolitische Analysen. Aus der Reihe: Perspektiven der Sozialpolitik Bd. 6. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. www.vs-verlag.de
2.) Ist ein Grundeinkommen unter dem Existenzminimum besser oder schlechter als keins?
Wolfgang: > > Gibt es keine anderen Einkommen (was in der Realität gar nicht so oft der > > Fall ist), kann es immer noch eine Sozialhilfe geben, die dann das > > Existenzminimum sichern muss. >
Marion: > Doch, diese Fälle gibt es leider häufig. Nur ein Beispiel: Viele Frauen, die > kleine Kinder erziehen, stehen dem Erwerbsarbeitsmarkt nicht zur Verfügung, > haben daher kein selbständiges Einkommen, leisten jedoch gesellschaftlich > notwendige Arbeit (Haus- und Familienarbeit). In ihrem Fall wäre ein BGE, > welches unter dem Existenzminimum liegt, eine regelrechte Armutsfalle.
Wolfgang: Wenn sie gar kein eigenes Einkommen haben, sind sie vom Einkommen des Partners oder von anderen abhängig. Auch ein GE unter dem Existenzminimum (partielles Grundeinkommen) wuerde diese Abhaengigkeit reduzieren. Das waere doch schon ein Fortschritt, oder? Am besten waere natuerlich eine Beseitigung der Abhaengigkeit, also ein existenzsicherndes Grundeinkommen. Bei kleinen Kindern gibt es uebrigens Erziehungsgeld und bei älteren Kinder haben viele Mütter zumindest ein Teilzeiterwerbstaetigkeit. Zusammen mit einem partiellen GE waeren zumindest diese Frauen nicht mehr vom Partner oder anderen abhaengig!
Marion: > Denkbar ist auch, daß z.B. viele Programmierer freier Software aus der > Open-Source-Bewegung von einem solchen Grundeinkommen leben müßten, also kein > weiteres Einkommen haben werden.
Wolfgang: Wie oben: ein partielles Grundeinkommen wuerde die Freiheit erhoehen bzw. den Zwang, sonstiges Einkommen zu erhalten, reduzieren. Das Ziel ist, den Zwang zu beseitigen: da sind wir uns einig.
Marion: > Kurz: Solche und ähnliche offene Fragen sollten bei der Ausgestaltung des BGE > ungedingt berücksichtigt und geklärt werden. Es kann einfach nicht sein, daß > ein BGE für einen Teil der Mitglieder der Gesellschaft zu einer Armutsfalle > wird.
Voellig richtig. Deshalb muessen bei jedem Modell die Wirkungen genau betrachtet werden. Deshalb danke fuer deine Kritik.
schoene Gruesse Wolfgang
------------------------------------------------- This mail sent through IMP: http://horde.org/imp/
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Marion2004
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Erstellt: 10.09.04, 16:18 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Wolfgang Strengmann,
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Wie sähe das dann bei den Rentnern aus? Würden die Rentner das Grundeinkommen > *zusätzlich* zu ihrer Rente erhalten?
Wolfgang: ja. |
Dann hoffe ich im Interesse dieser Gruppe, daß dieses "Ja" politisch konsensfähig wird.
Selbstverständlich werfe ich auch noch einmal einen Blick in das Buch von Michael Opielka: Grundrente in Deutschland. sozialpolitische Analysen. Aus der Reihe: Perspektiven der Sozialpolitik Bd. 6. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. www.vs-verlag.de.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Doch, diese Fälle gibt es leider häufig. Nur ein Beispiel: Viele Frauen, die > kleine Kinder erziehen, stehen dem Erwerbsarbeitsmarkt nicht zur Verfügung, > haben daher kein selbständiges Einkommen, leisten jedoch gesellschaftlich > notwendige Arbeit (Haus- und Familienarbeit). In ihrem Fall wäre ein BGE, > welches unter dem Existenzminimum liegt, eine regelrechte Armutsfalle.
Wolfgang: Wenn sie gar kein eigenes Einkommen haben, sind sie vom Einkommen des Partners oder von anderen abhängig. Auch ein GE unter dem Existenzminimum (partielles Grundeinkommen) wuerde diese Abhaengigkeit reduzieren. Das waere doch schon ein Fortschritt, oder? |
Diese Frauen leisten gesellschaftlich notwendige Arbeit, die jedoch heute leider (noch) nicht als solche anerkannt wird. Daher sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, daß sie mit einem BGE tatsächlich unabhängig werden. Ein unzureichendes BGE könnte sehr leicht familienpolitisch negative Folgen nach sich ziehen.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Denkbar ist auch, daß z.B. viele Programmierer freier Software aus der > Open-Source-Bewegung von einem solchen Grundeinkommen leben müßten, also kein > weiteres Einkommen haben werden.
Wolfgang: Wie oben: ein partielles Grundeinkommen wuerde die Freiheit erhoehen bzw. den Zwang, sonstiges Einkommen zu erhalten, reduzieren. Das Ziel ist, den Zwang zu beseitigen: da sind wir uns einig. |
Leider kostet die Entwicklung freier Software nicht nur Zeit, sondern meist auch Geld. Das sollte eigentlich allen klar sein. Ein unzureichendes BGE könnte daher zur Folge haben, daß viele Programmierer freier Software die Entwicklung einstellen müßten.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Kurz: Solche und ähnliche offene Fragen sollten bei der Ausgestaltung des BGE > ungedingt berücksichtigt und geklärt werden. Es kann einfach nicht sein, daß > ein BGE für einen Teil der Mitglieder der Gesellschaft zu einer Armutsfalle > wird.
Wolfgang: Voellig richtig. Deshalb muessen bei jedem Modell die Wirkungen genau betrachtet werden. Deshalb danke fuer deine Kritik. |
Ich denke, daß es in der Tat wichtig ist, solche und ähnliche Detailfragen ausreichend zu klären, noch *bevor* über die Höhe eines BGE nachgedacht wird.
MfG Marion
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Marion2004
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Erstellt: 10.09.04, 16:19 Betreff: Re: Negative Einkommensteuer mit Text
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Hallo Wolfgang Strengmann,
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Wie sähe das dann bei den Rentnern aus? Würden die Rentner das Grundeinkommen > *zusätzlich* zu ihrer Rente erhalten?
Wolfgang: ja. |
Dann hoffe ich im Interesse dieser Gruppe, daß dieses "Ja" politisch konsensfähig wird.
Selbstverständlich werfe ich auch noch einmal einen Blick in das Buch von Michael Opielka: Grundrente in Deutschland. sozialpolitische Analysen. Aus der Reihe: Perspektiven der Sozialpolitik Bd. 6. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. www.vs-verlag.de.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Doch, diese Fälle gibt es leider häufig. Nur ein Beispiel: Viele Frauen, die > kleine Kinder erziehen, stehen dem Erwerbsarbeitsmarkt nicht zur Verfügung, > haben daher kein selbständiges Einkommen, leisten jedoch gesellschaftlich > notwendige Arbeit (Haus- und Familienarbeit). In ihrem Fall wäre ein BGE, > welches unter dem Existenzminimum liegt, eine regelrechte Armutsfalle.
Wolfgang: Wenn sie gar kein eigenes Einkommen haben, sind sie vom Einkommen des Partners oder von anderen abhängig. Auch ein GE unter dem Existenzminimum (partielles Grundeinkommen) wuerde diese Abhaengigkeit reduzieren. Das waere doch schon ein Fortschritt, oder? |
Diese Frauen leisten gesellschaftlich notwendige Arbeit, die jedoch heute leider (noch) nicht als solche anerkannt wird. Daher sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, daß sie mit einem BGE tatsächlich unabhängig werden. Ein unzureichendes BGE könnte sehr leicht familienpolitisch negative Folgen nach sich ziehen.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Denkbar ist auch, daß z.B. viele Programmierer freier Software aus der > Open-Source-Bewegung von einem solchen Grundeinkommen leben müßten, also kein > weiteres Einkommen haben werden.
Wolfgang: Wie oben: ein partielles Grundeinkommen wuerde die Freiheit erhoehen bzw. den Zwang, sonstiges Einkommen zu erhalten, reduzieren. Das Ziel ist, den Zwang zu beseitigen: da sind wir uns einig. |
Leider kostet die Entwicklung freier Software nicht nur Zeit, sondern meist auch Geld. Das sollte eigentlich allen klar sein. Ein unzureichendes BGE könnte daher zur Folge haben, daß viele Programmierer freier Software die Entwicklung einstellen müßten.
Zitat: Wolfgang Strengmann
Marion: > Kurz: Solche und ähnliche offene Fragen sollten bei der Ausgestaltung des BGE > ungedingt berücksichtigt und geklärt werden. Es kann einfach nicht sein, daß > ein BGE für einen Teil der Mitglieder der Gesellschaft zu einer Armutsfalle > wird.
Wolfgang: Voellig richtig. Deshalb muessen bei jedem Modell die Wirkungen genau betrachtet werden. Deshalb danke fuer deine Kritik. |
Ich denke, daß es in der Tat wichtig ist, solche und ähnliche Detailfragen ausreichend zu klären, noch *bevor* über die Höhe eines BGE nachgedacht wird.
MfG Marion
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