Forum Grundeinkommen Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen" * 14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs". *
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des "Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO. Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste, Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
* Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird. * Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet. Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten. *
Das Grundeinkommen sollte bereitgehalten werden für jene, die weder über Vermögen, noch über Einkommen verfügen, bzw. bei Vorhandensein einer nur ungenügenden Geldquelle auf die Grundeinkommenssumme aufgefüllt werden. Als unbedingt kann dieses weiterhin bezeichnet werden, da Menschen mit höherem Einkommen damit ein Grundeinkommen ja bereits haben.
Neben dem unbedingten Daseinsrecht sollte aber, zB. über neu zu strukturierende, dann; allgemeine (dh. für jeden, zB. auch, zur Unterbrechung schulischer Ausbildung zugängliche, und auch zeitlich unbefristete) -Ersatzdienste, auch ein Recht auf sinnvolle, selbstbestimmte und ganzheitliche, allerdings unbezahlte (was unwichtig wird, indem man ungezwungen und für den Eigen- und Tauschbedarf wirtschaftet) Tätigkeit, und ein Recht auf Weiterbildung (Seminare ähnlich dem Konzept Däne- marks, allerdings wiederum zwanglos) installiert werden. Gerade weil Berechtigte vornehmlich Menschen der Unterschicht sein werden, ist eine Orientierung der Tätigkeitsangebote am alltäglichen (wie gesagt; Eigen-) Bedarf (Werkstätten, Semi- narbauernhöfe) und der Lernangebote am Selbstorganisations- bedarf (Werkstatt-, Hauswirtschaftsschulen) sinnvoll dh. befriedigend. Anregende Gespräche am dann selbstgesetzten Kamin sollten natürlich, und vieleicht erst so möglich werden und bleiben.
Wenn nur denen, die weder über Vermögen, noch über Einkommen verfügen, ein Grundeinkommen gezahlt bzw. aufgestockt wird, dann liegt darin eine Bedingung für den Erhalt des Grundeinkommens. Bedingungslos im umfassenden Sinne des Wortes wäre ein Grundeinkommen nur, wenn es an jeden gezahlt wird, egal ob vermögend oder nicht. Das ist auch das Verständnis in der Fachliteratur, wenn etwa im angelsächsischen Raum oder beim Basic Income European Network (www.basicincome.org) von einem "unconditional basic income" gesprochen wird. Ein Grundeinkommen, das nur an die Einkommensbedürftigen gezahlt wird, als Aufstockung auf einen festgelegten Mindesteinkommensbetrag, wird dagegen häufig treffend Negative Einkommenssteuer genannt, weil man in diesem Falle bei Einkommensbedürftigkeit vom Finanzamt etwas bekommt anstatt an dieses Steuern zu zahlen.
Erstellt: 04.08.04, 11:05 Betreff: Stilblüten aus der gegenwärtigen Praxisdruckenweiterempfehlen
Hallo,
folgendes gehört nicht wirklich hier rein, aber ich war heute morgen auf einer Infoveranstaltung des hiesigen Arbeitsamtes zum ALG II und manche der Informationen und "Stilblüten" mag ich euch dennoch mal hier weiterreichen:
Informationsveranstaltung der Bundesagentur für Arbeit Zum Antrag Arbeitslosengeld II Mittwoch, 4.8.2004, 8 Uhr im Arbeitsamt
Erinnerungsprotokoll
Auf das eigentlich bekannte verzichte ich in diesem Protokoll und erwähne nur mir unklar gewesene Punkte oder interessante "neu" Informationen.
Referent: jemand vom Innovationsprojekt der Caritas Worms.
Außerdem anwesend: eine Beschäftigte des Arbeitsamtes Worms
Subtiler Eindruck: Caritas-Referent vertritt eher die "Täter"-Seite
Arbeitsamtsvertreterin eher engagiert für die "Opfer"-Seite (mit
etwas Naivität meines Erachtens)
Es werden Listen verteilt mit Angabe von Name und Unterschrift. Kein Wohnort etc.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass das für die Caritas ist um von den Kirchen pro Kopf Teilnahmegelder zusätzlich erhalten zu können.
Anträge Zur Hilfe für das Ausfüllen der Anträge findet am 11.August
um 9.30 Uhr bei der Caritas eine Beratung und
Durchführung in Kleingruppen statt.
Derzeit ist es noch so, dass gar keine Anträge abgegeben
werden können. Das Arbeitsamt verweigert immer noch die
Annahme. Auf Anfrage stehen auch noch keine zusätzlich
benötigten Formulare für die Anträge der "Angehörigen" der
Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung. Man erhält keine beim
Arbeitsamt. Das Arbeitsamt geht davon aus, dass aber recht
bald die Anträge entgegengenommen werden können. Mitte
September steht erst die benötigte Software für die Bearbei-
tung der Anträge zur Verfügung und diese werden dann ab
Oktober eingespeist. Ansonsten wird gebeten, die Anträge
rasch abzugeben (entgegen den Verlautbarungen die in
lokaler Zeitung in Worms zu lesen waren). Die Anträge sind
bei der Leistungsabteilung zu stellen, nicht beim Arbeitsver-
mittler. Bis Ende 2004 werden die Anträge nicht bearbeitet
und kein auszuzahlender Betrag ermittelt. Die Bearbeiter,
die diese entgegennehmen prüfen lediglich die Vollständig-
keit der Angaben. Es erfolgt noch keine Bedarfsberechnung.
Dies machen erst die ab 1.1.05 eingesetzten "Fallmanager",
welche dann die Anträge richtig prüfen und bearbeiten.
Es gibt momentan ein Service-Telefon-Info zum ALG II -
01801/012-012 - , faktisch ist das aber überlastet, denn es
gehen zu viele Anrufe ein (bis zu 20.000).
Empfehlung Um dem ganzen Wirrwarr des komplizierten Antragsstellens
zu entgehen wird empfohlen in die Selbstständigkeit zu
gehen. Das sei auch das eigentliche Ziel dieser Reform.
Arbeitsverpflichtung Im Einzelfall kann auch Arbeit ohne Entlohnung zur Einglie-
derung angeordnet werden. Grundsätzlich gilt jede Arbeit als
zumutbar. Alle Tarifbestimmungen sind für ALG II-
Bezieher aufgehoben. Etwas sarkastisch: Wenn jemand
nicht über entsprechendes Studium verfügen würde müsse
die Stelle des Bankdirektors sicher nicht angenommen
Werden.
Bedarfsgemeinschaft: alle im Haushalt. Wohngemeinschaften werden allerdings als
solche nicht gerechnet. Dabei ist der derzeitige Stand, dass
noch keine wirklichen Vorgehensgaben existieren. Diese
werden aktuell noch genauer abgegrenzt.
Einkommen Fallbeispiel 19jähriger Gymnasiast. Er hat Anspruch auf die
Regelleistung. Da Kindergeld (154 Euro) und eventuelle
Unterhaltszahlungen für Alleinerziehende angerechnet
werden besteht z.B. bei einer Unterhaltszahlung von 180
Euro kein Bedarf mehr und es wird nichts ausgezahlt.
Berechnungsneuigkeiten Wenn die Differenz zwischen früherem Arbeitslosenhilfe-
Bezug und dem ALG II zu ungünstig für den Bezieher
ausfällt gibt es prozentual zeitlich kürzend einen
Zuschlag. Dieser gilt für 2 Jahre - allerdings mit Stich-
Datum des letzten regulären Arbeitslosengeldes.
Unter Mehrbedarf zählt z.B. auch die schwangere Frau
ab der 13.Schwangerschaftswoche. Kommentiert wird
das vom Referenten auch sehr sarkastisch. "Das käme
deswegen weil nach gesetzlicher Regelung dann keine
Schwangerschaftsabbrüche mehr stattfinden dürften".
Vermögen Die Frage nach dem "geduldeten" Vermögen blieben unbe-
friedigend beantwortet. Gelten die ca. 4000 Euro oder die
200 Euro pro Lebensjahr, was bei älteren Beziehern ja er-
heblich mehr ausmacht. Oder gilt gar Regelsumme plus
Pauschale für Lebensalter ?
Wohnung Es gelten sehr strenge Regeln für angemessenen
Wohnraum. Nach einer geduldeten Übergangszeit ist man
verpflichtet auszuziehen. Die Wohnungsvermittlung bei
Umzugsverpflichtung gehört in Fällen, wo das selbstständig
nicht gelingt zu den Aufgabenbereichen des künftigen "Fall-
Managers".
Sozialamt Anspruch auf Sozialhilfe wird es für erwerbsfähige generell
nicht mehr geben. Das Sozialamt wird umbenannt in
"Amt für Grundsicherung" und das Amt wird erheblich kleiner
werden, da es nur noch für nicht erwerbsfähige zuständig ist.
Wie der Wert eines Autos, das man besitzt eingeschätzt
werden wird, weiß momentan noch niemand bei der Arbeits-
Agentur.
Datenschutz Auch wenn nicht generell die Miete direkt an den Vermieter
überwiesen wird besteht in der Antragsausfüllung die Ver-
pflichtung dessen Bankkontonummer anzugeben. Geht das
noch konform mit Datenschutz ? Antwort: alle Kritik an
Datenschutzverstößen sei generell unbegründet.
Auffallend am Rande Der Referent gehört nicht zur Bundesagentur der Arbeit,
sondern zur Caritas (Innovationsprojekt). Dort scheint er
allerdings ebenso Beratungen und Seminare für Arbeitslose
abzuhalten. Es scheint ratsam ihm nicht zu viel
anzuvertrauen. Er brüstet sich z.B. damit, dass er die
Bemerkung eines "Klienten" für 9 Euro Lohn nicht arbeiten
zu wollen natürlich sofort der Arbeitsagentur gemeldet hätte.
Erstellt: 06.08.04, 15:06 Betreff: Re: @ Manuel Franzmann; >Negativ-Steuer/Grundeinkommendruckenweiterempfehlen
>Negativ-Steuer, Def. des BIEN Mag sein. Hauptsache, niemand ist ohne (Einkommen). Aber; warum soll ich wem, der 5000 E/Monat einsackt noch 1000 drauflegen, doch nur, um sie ihm per Steuer gleich wieder wegzunehmen.
Wer FünfTsd hat, der hat doch auch EinTsd. Wer an der Spitze (der Wohlstandspyramide) steht, der tut das nicht ohne Unterschicht. Wer ein Einkommen hat, hat doch auch ein Grund- einkommen.
Vieleicht ist das aber verwaltungstechnisch einfacher, dann will ich da nicht gegen sein.
Wesentlich find ich aber zur Form gehörig, das Menschen möglichkeit haben zur Tätigkeit (Arbeitskraftstilllegungs- prämie - Nein Danke!), und das sie dort nicht nur Arbeiten, sondern sich auch (auch praktisch) bilden können.
Lieber Manuel Franzmann, lieber Silas Bernd, meine Nachricht kam nicht im Forum an. Deswegen sende ich sie nochmal:
Eine negative Einkommenssteuer unterscheidet sich nur marginal von einem Grundeinkommen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Die negative Einkommenssteuer wird auch Nichterwerbstätigen gezahlt. 2. Ein Grundeinkommen wird von denjenigen finanziert wird, die ein höheres Einkommen beziehen (das das nicht immer so ist zeigt Alaska, wo eine Dividende aus den Ölverkäufen an die Bürger gezahlt wird) und 3. Die garantierte Einkommenshöhe ist gleich hoch. Dann (und nur dann) unterscheiden sich Grundeinkommen und Negative Einkommenssteuer nur noch dadurch, dass bei einem Grundeinkommen die Auszahlung desselben und die Erhebung von Steuern strikt getrennt sind und bei der negativen Einkommenssteuer, die Auszahlung des garantierten Einkommens und die Erhebung von Steuern miteinander verwoben sind (also nicht erst ausgezahlt und bei den Reicheren dann hinterher steuerlich eingezogen).
ich stimme Ihnen voll zu. Nur eines möchte ich nicht zu unterschätzen bitten. Letztlich entscheidend ist doch, aus welchen Gründen man ein Grundeinkommen oder eine anderweitige soziale Sicherung bereitzustellen gedenkt bzw. worin die Legitimation für ein spezifisches Modell besteht. Bei einem zum Leben ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommen würde sich die politische Gemeinschaft dazu entscheiden, es der Autonomie jedes einzelnen Bürgers zu überantworten, sich um einen Erwerbsarbeitsplatz zu bemühen oder außerhalb der Erwerbsarbeitssphäre einer selbst bestimmten sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Eine Negative Einkommenssteuer würde dagegen die Erreichung dieses Ziel einerseits befördern, ihr andererseits aber auch entgegenstehen. Denn wenn die Grundeinkommenszahlung in der ja letztlich öffentlich bekannten Berechnungsweise des Finanzamts nicht als Zahlung an jeden Bürger vorkommt, sondern als Zahlung nur für diejenigen existiert, die unter eine definierte Mindesteinkommenshöhe fallen, dann kommt darin auch zum Ausdruck, daß die Zahlung letztlich nur für den Fall der Einkommensbedürftigkeit gedacht ist. Diese Einkommensbedürftigkeit ist eine Form von Hilfsbedürftigkeit, bedeutet also die Stigmatisierung als Hilfsbedürftiger. Und bei Hilfsbedürftigen gilt die Logik, daß sie darum bemüht sein müssen, aus ihrer Hilfsbedürftigkeit und der dazugehörigen Stigmatisierung wieder herauszukommen, hier also wieder in Lohn und Brot zu kommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich also, daß eine Negative Einkommenssteuer, wie Sie sie beschrieben haben, zwar rein finanziell ähnlich wie ein bedingungsloses Grundeinkommen die Möglichkeit eröffnet, freiwillig nicht erwerbstätig zu sein. Aber moralisch ist dies bei einer Negativen Einkommenssteuer gerade nicht zulässig. Das Modell einer Negativen Einkommenssteuer ist also seiner inneren Legitimationsstruktur nach der Arbeitsgesellschaft treu. Es gibt die Erwerbstätigkeit als Normalfall für jeden Bürger gerade auf, worin es sich vom bedingungslosen Grundeinkommen fundamental unterscheidet. Die Eigentümlichkeit der Negativen Einkommenssteuer gegenüber anderen Modellen, die auf die Arbeitsgesellschaft festgelegt sind, besteht "nur" darin, daß die Erwartung einer Erwerbsorientierung ausschließlich eine moralische bleibt. Darin ist die Negative Einkommenssteuer ausgesprochen liberal. Darin öffnet dieses Modell aber auch eine Flanke für diejenige Kritik, die auf Basis der Prämissen der Arbeitsgesellschaft mit einem gewissen Recht nicht nur das Fördern sondern reziprok dazu auch das Fördern anmahnt, also daß man Erwerbslose nicht nur durch Transferzahlung unterstützt, sondern von ihnen dann auch Arbeitsbereitschaft verlangt und diese kontrolliert. M.E. zeigt sich darin die innere Inkonsistenz der Modelle einer Negativen Einkommenssteuer, die vermutlich dazu geführt hat, daß sie politisch gescheitert ist.
Herr Jacobi und "Silas Bernd", in meinen Augen liegt bei Ihrer überwiegend monetären Perspektive auf das, was am Ende im Portemonnaie ist, schon eine - sicherlich ungewollte - Verkürzung. Für eine angemessene Beurteilung der verschiedenen Modelle ist nicht allein ausschlaggebend, wer am Ende wie viel Geld bekommt und ob er dafür praktisch verbindlich und kontrolliert Bedingungen zu erfüllen hat, sondern welches die Zielsetzung der jeweiligen Modelle ist. Und bei der Negativen Einkommenssteuer ist das eindeutig nicht die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalfall. Darin erweist sich etwa Joachim Mitschke als ganz konservativ, gewissermaßen als ein Liberaler vom alten Schlage. Bei einer Berücksichtung der Zielsetzungen würde sich zeigen, daß das bedingungslose Grundeinkommen aus dem Vielzahl der existierenden Modellkonstruktionen darin unverwechselbar ist, daß es als einziges Modell konsequent Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens fallen läßt. Und das kann man meines Erachtens bei aller Sympathie für die Negative Einkommenssteuer aus Gründen der Klarheit in der Diskussion nicht deutlich genug betonen.
Manuel Franzmanns Beitrag trägt zur Diskussion bei, sollte aber keinesfalls als „Definition“ von Ausschlusskriterien des „Netzwerks Grundeinkommen“ verstanden. Eine „negative Einkommenssteuer“ ist selbstverständlich eine der - technischen - Formen, mit denen ein „echtes“ Grundeinkommen umgesetzt werden kann. Sein Hinweis auf die unterschiedliche Rückbindung der Grundeinkommensmodelle an den Arbeitsmarkt ist durchaus berechtigt. Doch mir scheint es übertrieben, wenn er hinsichtlich eines Rechts auf Faulheit, also eines freiwilligen Rückzugs vom Arbeitsmarkt schreibt:
„Aber moralisch ist dies bei einer Negativen Einkommenssteuer gerade nicht zulässig.“
Denn auch bei einer Sozialdividende des Typus „Existenzgeld“ kann - vor allem wenn sie einigermaßen existenzsichernd ist, also für Bescheidene (bzw. Schwarzarbeiter oder Vermögende!) nur ein geringer Anreiz zur Erwerbsarbeit besteht - eine solche moralische Hürde aufgebaut werden. Noch zugespitzter: Solange die moralische Legitimität leistungsloser Transfers noch so wenig gesichert ist, wie heute, scheint es mir wenig nützlich, diese technisch ja sehr ähnlichen Modelle gegeneinander auszuspielen.
Beste Grüße
Michael Opielka
prof. dr. michael opielka
institut für sozialökologie (isö)
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Von: Manuel Franzmann [mailto:@carookee.com] Gesendet: Freitag, 6. August 2004 16:40 An: Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen
Entscheidend ist die Zielsetzung. Ein unbedingtes Grundeinkommen steht dafuer, dass jede Buergerin und jeder Buerger bzw. jede Einwohnerin und jeder Einwohner ein Recht (!) auf ein Grundeinkommen hat - unabhaengig von irgendwelchen Bedingungen.
Am klarsten wird diese Zielsetzung erreicht, wenn wirklich jede Person eine Sozialdividende in Hoehe von x Euro pro Monat erhaelt. Eine negative Einkommensteuer, bei der diese Sozialdivende rein rechnerisch mit der Einkommensteuer verrechnet wird, waere dann nur eine schlichte Verwaltungsvereinfachung.
Eine negative Einkommensteuer hingegen, die das Ziel (!) hat, nur eine Leistung fuer "die Beduerftigen" zu bieten und damit lediglich ein (besserer oder schlechterer) Ersatz der Sozialhilfe sein soll, waere hingegen mit der Idee eines unbedingten Basiseinkommens nicht vereinbar, weil sie nur unter der Bedingung "Beduerftigkeit" gezahlt wuerde - was genau zu definieren waere.
> Sehr geehrter Herr Jacobi, > > ich stimme Ihnen voll zu. Nur eines möchte ich nicht zu unterschätzen > bitten. Letztlich entscheidend ist doch, aus welchen Gründen man ein > Grundeinkommen oder eine anderweitige soziale Sicherung bereitzustellen > gedenkt bzw. worin die Legitimation für ein spezifisches Modell besteht. Bei > einem zum Leben ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommen würde sich die > politische Gemeinschaft dazu entscheiden, es der Autonomie jedes einzelnen > Bürgers zu überantworten, sich um einen Erwerbsarbeitsplatz zu bemühen oder > außerhalb der Erwerbsarbeitssphäre einer selbst bestimmten sinnvollen > Tätigkeit nachzugehen. Eine Negative Einkommenssteuer würde dagegen die > Erreichung dieses Ziel einerseits befördern, ihr andererseits aber auch > entgegenstehen. Denn wenn die Grundeinkommenszahlung in der ja letztlich > öffentlich bekannten Berechnungsweise des Finanzamts nicht als Zahlung an > jeden Bürger vorkommt, sondern als Zahlung nur für diejenigen existiert, die > unter eine definierte Mindesteinkommenshöhe fallen, dann kommt darin auch > zum Ausdruck, daß die Zahlung letztlich nur für den Fall der > Einkommensbedürftigkeit gedacht ist. Diese Einkommensbedürftigkeit ist eine > Form von Hilfsbedürftigkeit, bedeutet also die Stigmatisierung als > Hilfsbedürftiger. Und bei Hilfsbedürftigen gilt die Logik, daß sie darum > bemüht sein müssen, aus ihrer Hilfsbedürftigkeit und der dazugehörigen > Stigmatisierung wieder herauszukommen, hier also wieder in Lohn und Brot zu > kommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich also, daß eine Negative > Einkommenssteuer, wie Sie sie beschrieben haben, zwar rein finanziell > ähnlich wie ein bedingungsloses Grundeinkommen die Möglichkeit eröffnet, > freiwillig nicht erwerbstätig zu sein. Aber moralisch ist dies bei einer > Negativen Einkommenssteuer gerade nicht zulässig. Das Modell einer Negativen > Einkommenssteuer ist also seiner inneren Legitimationsstruktur nach der > Arbeitsgesellschaft treu. Es gibt die Erwerbstätigkeit als Normalfall für > jeden Bürger gerade auf, worin es sich vom bedingungslosen Grundeinkommen > fundamental unterscheidet. Die Eigentümlichkeit der Negativen > Einkommenssteuer gegenüber anderen Modellen, die auf die Arbeitsgesellschaft > festgelegt sind, besteht "nur" darin, daß die Erwartung einer > Erwerbsorientierung ausschließlich eine moralische bleibt. Darin ist die > Negative Einkommenssteuer ausgesprochen liberal. Darin öffnet dieses Modell > aber auch eine Flanke für diejenige Kritik, die auf Basis der Prämissen der > Arbeitsgesellschaft mit einem gewissen Recht nicht nur das Fördern sondern > reziprok dazu auch das Fördern anmahnt, also daß man Erwerbslose nicht nur > durch Transferzahlung unterstützt, sondern von ihnen dann auch > Arbeitsbereitschaft verlangt und diese kontrolliert. M.E. zeigt sich darin > die innere Inkonsistenz der Modelle einer Negativen Einkommenssteuer, die > vermutlich dazu geführt hat, daß sie politisch gescheitert ist. > > Herr Jacobi und "Silas Bernd", in meinen Augen liegt bei Ihrer überwiegend > monetären Perspektive auf das, was am Ende im Portemonnaie ist, schon eine - > sicherlich ungewollte - Verkürzung. Für eine angemessene Beurteilung der > verschiedenen Modelle ist nicht allein ausschlaggebend, wer am Ende wie viel > Geld bekommt und ob er dafür praktisch verbindlich und kontrolliert > Bedingungen zu erfüllen hat, sondern welches die Zielsetzung der jeweiligen > Modelle ist. Und bei der Negativen Einkommenssteuer ist das eindeutig nicht > die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalfall. Darin erweist sich etwa > Joachim Mitschke als ganz konservativ, gewissermaßen als ein Liberaler vom > alten Schlage. Bei einer Berücksichtung der Zielsetzungen würde sich zeigen, > daß das bedingungslose Grundeinkommen aus dem Vielzahl der existierenden > Modellkonstruktionen darin unverwechselbar ist, daß es als einziges Modell > konsequent Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens fallen läßt. > Und das kann man meines Erachtens bei aller Sympathie für die Negative > Einkommenssteuer aus Gründen der Klarheit in der Diskussion nicht deutlich > genug betonen. > > Mit besten Grüßen > Manuel Franzmann > _____________________________________________________________________________ > Täglich €1.000.000,00 zu gewinnen! > Jetzt kostenlos mitspielen! > http://www.carookee.com/ad/x82jg7a5 > >
------------------------------------------------- This mail sent through IMP: http://horde.org/imp/
ich möchte folgendes klarstellen. Das Ziel meiner letzten E-Mail war zunächst einmal nur, Differenzen in der Sache möglichst klar zu markieren, damit sie in der Sachdiskussion nicht untergehen oder gar übersehen werden. Bei dem von mir herausgestellten Punkt ist das meiner Erfahrung nach geradezu notorisch der Fall. Ich wollte damit nicht zugleich für die politische Strategie argumentieren, das bedingungslose Grundeinkommen derart gegen die Negative Einkommenssteuer auszuspielen, daß für Vertreter von letzteren im Netwerk kein Platz sei. Was aus meiner Argumentation indirekt politisch folgt, ist allerdings, das gebe ich zu, daß meiner Ansicht nach die Negative Einkommenssteuer als Lösungsmodell aufgrund der benannten Inkonsistenzen politisch ein zahnloser Tiger ist, der mit Leichtigkeit von den Vertretern des Förderns und Forderns vom Tisch gewischt werden kann und dem ich insofern auch wenig Durchsetzungschancen bescheinige. Ich möchte diese Ansicht mit den mir zur Verfügung stehenden Argumenten den Vertretern anderer Modelle innerhalb unseres Netzwerks lediglich verständlich zu machen suchen und das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens stark machen. Für einen "Ausgrenzungsbeschluß" argumentiere ich also keineswegs.
Meine Argumentation zielte auch allein auf die Modellimplikationen als solche ab. Das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens würde als solches die Nicht-Erwerbstätigkeit als legitime autonome Entscheidung jedes Einzelnen fassen, unabhängig davon, wie dies im Diskurs gedeutet wird. Genauso ist in der Modellkonstruktion der Negativen Einkommenssteuer als solcher die grundsätzliche Beibehaltung der Erwartung einer Erwerbsorientierung enthalten. Und wenn in einer Gesellschaft, in der es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, der öffentliche Diskurs moralisch dennoch eine Erwerbsorientierung verlangte, dann wäre das schlicht ein Widerspruch zwischen dem in den institutionellen Regelungen geronnenen "objektiven Geist" und der subjektiven Selbstdeutungen dieser Gesellschaft. Daß diese institutionellen Regelungen letztlich die entscheidende Ebene sind, zeigt sich an dem Gedankenexperiment, daß bei einer Gesellschaft mit konsequent durchgeführten Hartz IV-Gesetzen nicht viel gewonnen wäre, wenn in der Öffentlichkeit trotzdem konsensual immer die freiwillige Nicht-Erwerbsarbeit als legitim dargestellt würde. In diesem Fall müßten eben auch die dementsprechenden institutionellen Regelungen her.
Zu Wolfgang Strengmanns Einwurf möchte ich folgendes zum Stichwort Verwaltungsvereinfachung sagen . Ich sehe nicht, wie das Finanzamt bei einem konsequent bedingungslosen Grundeinkommen etwa bei denjenigen, die ein hohes Erwerbseinkommen haben, in der Berechnung der Steuerlast einfach von der Einbeziehung des Grundeinkommensbetrag absehen kann, ohne dadurch das Berechnungsergebnis zu verfälschen. Nach meinem Verständnis bekommt nur dann jeder den gleichen Grundeinkommensbetrag, wenn am Ende der Berechnung der Steuerlast bei den nach allen individuellen Abzügen, Freibeträgen und Abschreibungsmöglickeiten zu zahlenden Steuern der Grundeinkommensbetrag abgezogen wird. Würde man dagegen einfach von vornherein die Steuern senken, dann muß das doch je nach Individuum eine unterschiedliche steuermindernde Wirkung haben und dazu führen, daß am Ende doch nicht jeder den gleichen Grundeinkommensbetrag gutgeschrieben bekommen hat. Oder irre ich mich da. Ich frage das ganz im Ernst, weil ich kein Steuerexperte und auch kein Betriebs- oder Volkswirt bin.