Gooetz
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Erstellt: 24.08.07, 02:14 Betreff: Re: Inspirationshilfe |
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Manchmal gehen Träume einfach verloren. Hans-Wilhelm wunderte sich über die Unvernunft. Er wollte doch nur das Beste. Der Vogel sollte glücklich sein bei ihm. Er hatte den Raben auf seinem Fensterbrett gefunden. Er war verletzt und konnte nicht mehr fliegen. ›Oh je!‹, dachte Hans-Wilhelm, ›Das arme Tier. Es braucht meine Hilfe.‹ Und: ›Endlich‹, dachte er und nahm sich des Vogels an. Drei Wochen hatte er ihn gepflegt. Drei Wochen. Hatte im Internet alles herausgefunden: Was so ein Vogel braucht, was er frisst und wie er seine Verletzung behandeln konnte. Schon nach ein paar Tagen fing der Vogel wieder an, mit den Flügeln zu schlagen und munter Töne von sich zu geben. Hans-Wilhelm freute sich: Ein Freund. Hätte Hans-Wilhelm einen Job gehabt, er hätte sich krank schreiben lassen, um für den Raben da zu sein. Arbeitslos allerdings konnte er ihm ohne Weiteres seine volle Aufmerksamkeit widmen. Hans-Wilhelm dachte weiter und baute eine Voliére. Der Rabe sollte es gut bei ihm haben. Schließlich braucht so ein Tier seine Freiheit und keinen Käfig! Eine Voliére! Viel Platz.
Der Rabe erholte sich schnell. Seine Flügel wurden so stark, dass er schon nach drei Wochen manchmal übermütig gegen den Kaninchendraht flog, der die Voliére begrenzte. ›Dummer Vogel‹, dachte Hans-Wilhelm, ›Du fliegst in Dein Unglück. Weißt Du denn nicht mehr, wie es Dir da draußen erging?‹
Beim Füttern musste Hans-Wilhelm vorsichtig sein. Weniger, weil der Rabe Anstalten machte, nach ihm zu hacken, sondern vielmehr, weil der Rabe immer wieder nach dem Ausgang schielte. ›Du hast doch alle Freiheiten‹, versuchte er den Raben zu beruhigen, ›Und alle Sicherheiten. Die Welt da draußen ist gefährlich!‹
Nur wenige Tage später – es war Fütterungszeit – entkam der Rabe und flog davon. »Du undankbares Tier!«, rief Hans-Wilhelm ihm hinterher, als er durch den Hausflur in den Abendhimmel davonflog.
Hans Wilhelm grämte sich. Und schimpfte auf die Undankbarkeit des Raben. Schließlich konnte er die leere Voliére nicht mehr sehen und trat sie wütend nieder. »Undankbar», rief er immer wieder, »Undankbar!«.
Schließlich grämte ihn der Verlust des Raben so sehr, dass er seine Wohnung ohne den Raben nicht mehr ertragen konnte. Er zog weg. Hans-Wilhelm wollte nicht mehr an seinen Verlust erinnert werden und zog in eine andere Stadt.
Der Rabe freute sich über seine Genesung. Er hätte selbst nicht mehr daran geglaubt, nachdem übermütige Kinder mit Zwillen auf ihn geschossen und ihn dabei schwer verletzt hatten. Er hatte Angst vor Menschen, aber dann gab ihm dieser Mensch, der ihn gerettet und gepflegt hatte, nicht nur seine Flügel zurück. Er glaubte wieder an das Gute, träumte von Menschen, die ihn verstehen. Die des Raben Freiheit achten.
Und endlich wieder frei fliegen!
Nach ein paar Ausflügen war Hans-Wilhelm immer noch der einzige Mensch, dem der Rabe wirklich vertraute. Fast täglich flog er auf das Fensterbrett, auf dem Hans-Wilhelm ihn gefunden hatte. Der Rabe träumte davon, auch gesund seinem Retter zu begegnen.
Aber manchmal gehen Träume eben einfach verloren.
Ofenheizung
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
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