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Gruppe Enigma
Wortlust und Weltmacht
Das Forum für Wortspieler
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Graefinjutsch
Administrator
Beiträge: 13580
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Erstellt: 10.03.08, 09:11 Betreff: Re: Grenzgänger
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Krawall
Start 4.25 Uhr. Stille. Begleitet von fernen Schritten.
Sie hallen, werden leiser. Dann ist es wieder still. Nur sein Herz hört er noch klopfen und das Rauschen in seinem Kopf. Er spürt das kühle Plastik durch seine Jeans und schiebt mit dem Schuh eine Zigarettenkippe beiseite.
Das letzte Bier war wohl schlecht gewesen. Er weiß, morgen wird es ihm bestimmt gar nicht gut gehen. Immer dasselbe.
Nahende Schritte. Sie werden lauter, stoppen abrupt. Er schaut hoch. Kein Mensch weit und breit. Sein Herz hämmert jetzt. Von der schnellen Bewegung ist ihm schwindelig geworden. Er lehnt seinen Kopf an die kalte Mauer und blickt an ihr hinauf. Da ist nichts. Da war nie etwas.
Nun von Ferne die Erlösung. Sie beginnt leise, kaum hörbar. Schwillt langsam an. Es ist nicht sein Herz, es ist kein Klopfen, es ist ein Schwirren und Quietschen, gleichmäßig und doch unrhythmisch, begleitet vom Rattern und Schuckeln der Geschwindigkeit. Sie naht. Endlich. Er erhebt sich, schreitet nach vorn, schaut vom gleißenden Licht in tiefe Finsternis. Zu beiden Seiten.
So ein Quatsch, natürlich kommt sie von rechts, immer kommt sie von rechts. Jedenfalls hier. Da ist der vertraute Wind. Er wirbelt und zerrt an seiner Kleidung. Ein Blick zur Uhr. Immer dasselbe.
Ihre runden Augen glühen ihm entgegen. Besessen. Angeschrägt durch die Fliehkraft arbeitet sie sich voran und ihr Blick wird größer, wohlwollender. Jetzt ist sie in der Zielgeraden und laut, so laut. Krawall. Plötzlich steht da jemand neben ihm, aus einer Abwesenheit herausgetreten. Er sieht die Füße, wundert sich über die Ähnlichkeit der Schuhe mit den seinen, er fühlt die Windbö, schaut wieder nach rechts, blickt erneut in die sturen Leuchtaugen und dann, dann ist da etwas Neues:
Rückwärts fährt die Erlösung. Seine Gedanken werden vom Sog mitgerissen, schlüpfen in die Augen, die kleiner werden. All seine Erinnerung ist nun punktiert, komprimiert. Was er fühlt, ist ihr Schwirren und Quietschen, ja ihr Rattern und Schuckeln und er meint, sein Kopf würde zerplatzen, weil zu wenig Platz in ihm wäre. Für alles. Das Bier entweicht aus ihm, er hinterlässt es am Bahnsteig, als er noch einen Schritt macht. Nach vorn. Zurück ins Nichts.
Dann Stille. Begleitet vom Krawall der Bremsen.
Um 4.55 Uhr ist er am Ziel angekommen.
[editiert: 10.03.08, 12:39 von Graefinjutsch]
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Gooetz
Administrator
Beiträge: 10738 Ort: Hannover-Nordstadt
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Erstellt: 10.03.08, 23:17 Betreff: Re: Grenzgänger
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Spontan musste ich an Neos U-Bahn-Szene aus "Matrix reloaded" denken. Herkunft und Ziel sind ebenso diffus, haben etwas enden Wollendes, aber auch etwas nach vorn Zeigendes.
Frauen neigen zum Gegenteil.
____________________ Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
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Johannes
Administrator
Beiträge: 5382 Ort: Hannover
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Erstellt: 11.03.08, 16:52 Betreff: Re: Grenzgänger
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Jimmy war ein Einzeltäter Alle hatten ihre Gruppe Doch der Jim, der halbe Meter Hatte eine Anziehpuppe
Jimmy war sehr viel alleine Doch das machte ihm nichts aus Denn er hatte eine kleine Ziemlich süße Aufziehmaus
Wenn die andern feiern gingen Oder klaun im Supermarkt Wollte Jimmy lieber singen Mit den Vögelchen im Park
Eines Tages in der kleinen Pause klaute ihm der Klaus Aus dem Ranzen im Geheimen Die geliebte Diddl-Maus!
Doch der Jimmy nahm das locker Diddl-Maus war präpariert Klaus, den haute es vom Hocker Hirn und Hände separiert
Klaus hat dann an diesem Tage Jimmy Jazz nicht mehr gestört Klausens Eltern, keine Frage Reagierten sehr empört
Darum jagte Jimmy neulich Auch des Klausens Elternhaus In die Lüfte, sehr erfreulich Sah das nicht gerade aus
Dennoch darf man ihn nicht rügen Er war eben noch ein Kind Hatte halt am Spaß Vergnügen Wie die Kleinen nun mal sind
Die Moral von der Geschichte Stille Wasser gründen tief Schreib doch, während ich noch dichte Schon mal Deinen Abschiedsbrief
[editiert: 11.03.08, 17:08 von Johannes]
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Silke
Ehemaliges Mitglied
Ort: Hotel werhaus
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Erstellt: 12.03.08, 09:33 Betreff: Re: Grenzgänger
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Hah! Sehr geil!
Das Präperiert reichte mir aber zuerst nicht als Erklärung. Da müsste für mich irgendwo in diesem Vers der Sprengstoff oder so auftauchen.
Am Schönsten sind die Zeilen:
"Hatte halt am Spaß Vergnügen Wie die Kleinen nun mal sind"
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Johannes
Administrator
Beiträge: 5382 Ort: Hannover
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Erstellt: 12.03.08, 21:22 Betreff: Re: Grenzgänger
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Ich finde "präpariert" ziemlich eindeutig. Ansonsten wird's ja im Verlauf deutlich. Freut mich, dass es dir gefällt ;-)
[editiert: vor 1 Minute von \"Editier-Silke\"]
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Scriptor
Mitglied
Beiträge: 3004 Ort: 2 Meter über meinen Füßen
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Erstellt: 12.03.08, 22:32 Betreff: Re: Grenzgänger
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Ich finde den Text einfach nur gut, so richtig nach meinem Geschmack :)
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Johannes
Administrator
Beiträge: 5382 Ort: Hannover
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Nici
Ehemaliges Mitglied
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Erstellt: 17.03.08, 22:34 Betreff: Re: Grenzgänger
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Zweisam .
Man hat es im Gespür, dass etwas nicht stimmt. Auch wenn man es nur einen winzigen Augenblick betrachtet hat. So erging es mir, als ich meine Wohnung betrat: Etwas hatte sich verändert. Eine Unruhe erfasste mich, doch so sehr ich mich auch umsah, ich konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Ich beschloss, es zu ignorieren, doch in jener Nacht schlief ich sehr schlecht. Am folgenden Abend wiederholte sich dieses Gefühl, doch diesmal war es stärker. Fast war ich mir sicher, dass jemand in meiner Abwesenheit hier gewesen war. Als läge der Geruch von etwas Fremdem in der Luft. Wieder inspizierte ich sämtliche Räume, doch ergebnislos. Das ungute Gefühl folgte mir auch in den nächsten Tag hinein. Und in den folgenden Abend. Und in die nächste Woche. Ich konnte die Ursache meines Verdachtes nicht ausmachen und doch war ich sicher, dass ich sie ständig um mich hatte. Plötzlich meinte ich, Gegenstände an Orten aufzufinden, wo ich sie ursprünglich nicht zurückgelassen hatte. Beim ersten Mal schob ich es noch auf meinen wirren Verstand, doch es passierte immer wieder.
Von den Geistern meines beginnenden Wahns gejagt, suchte ich meinen einzigen Freund auf, um ihn ins Vertrauen zu ziehen. Doch dieser schien meine Qual nicht zu bemerken. Er lehnte sich amüsiert in seinem Schalensessel zurück und grinste hämisch. Er verstand nicht! Und dabei war es mir doch solch ein wichtiges Anliegen! Belustigt erklärte er mir, dass man Schatten auch formen könne, wenn man nur lange genug ins Dunkle starre. Sein Gesicht wurde zur Maske, während er redete. Irgendwann verschwanden die Konturen und einzig sein spöttischer Mund blieb klar und biss sich mir in die Augen, seine Worte fraßen sich in mein Gehör, zogen mir das Innerste, zogen mir den Boden weg, ich keuchte erstickt - und zögerte kaum, als ich die Steinfigur neben mir ergriff und zuschlug. Als er zusammensackte, stürzten meine Enttäuschung, meine Frustration und meine verzweifelte Angst mit ihm zu Boden. Doch nur er stand nicht mehr auf. Nie mehr.
Zurück zu Hause fühlte ich mich sofort wieder überwältigt von der Erahnung der unsichtbaren Präsenz. Ein herber Geruch lag in der Luft und die Stühle im Esszimmer schienen vertauscht. Nein, das war keine Einbildung! Wieder und wieder durchschritt ich sämtliche Räume. Suchend. Ahnend, dass es sich heute zeigen würde. - doch es blieb nur ein Gefühl. Und es begann unter meiner Haut zu brennen. Abend für Abend. Woche für Woche. Sekunde für Sekunde. Nie hätte ich geglaubt, dass Panik auch eine Art Gewohnheit werden konnte. Irgendwann kamen Polizisten und befragten mich zu meinem Freund, doch ich schien sie schnell zu langweilen und sie gingen genau in dem Moment, als ich mich entschlossen hatte, ihnen von meinen Dämonen zu erzählen. Alleine und stumm ertrug ich es nun. Mehrmals täglich kontrollierte ich geflissentlich meine Zimmer. Vielleicht hatten sie ja Recht, dachte ich manchmal, wenn ich nachts wach lag, vielleicht bin ich ja wirklich verrückt.. Dabei starrte ich in die Dunkelheit und formte einen Schatten, während meine Zimmertür leise knarrte...
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Silke
Ehemaliges Mitglied
Ort: Hotel werhaus
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Graefinjutsch
Administrator
Beiträge: 13580
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Erstellt: 19.03.08, 17:59 Betreff: Re: Grenzgänger
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Nici, das ist geil!
So wie es ist!!!
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