Gruppe Enigma

Silke · Ehemaliges Mitglied

Das schiefergedeckte Dach, auf dem er lag, war feucht und kalt. Seine Finger drückten an das eisige Material, mit den Daumen suchte er sich unter den Ziegeln einzuhaken. Das Dach war so abschüssig, dass sein Körper nur durch die Gummisohle seiner Turnschuhe gehalten wurde, deren Kuppen er mit aller Kraft gegen die Schieferplatten presste. Jede Minute zog ihn nach unten. Jede Minute verlor er an Halt.
Ein schneidender Januarwind fegte über das Dach, drückte unter die Ziegel, riss an seinen Haaren, kühlte ihn aus.
Die Ärmel seiner Jacke waren nach oben gerutscht und die bloßen Unterarme und Hände brannten vor Schmerz.
Jede Bewegung von ihm, ließ ihn tiefer rutschen und so traute er sich nicht einmal mehr zu schreien. Er schloß die Augen.
Sein Kiefer hatte sich wie eine Schraubzwinge verkrampft und sich in seine Zunge verbissen. Jeder Muskel in seinen Beinen war hart und angespannt. Schwindel ergriff ihn, er verlor die Orientierung.
So zwang er sich seine Augen wieder zu öffnen.
Auf dem Dachfirst hatte sich eine Krähe niedergelassen, die ihn kopfwackelnd beäugte. Panik überkam ihn, ob dieses Tier das letzte war, was er sehen sollte. Er wollte ihr zurufen, dass sie ihn festhalten solle. Ihr Auge war tief und schwarz und leer.
Leichter Nieselregen setzte ein, ließ seine Finger von den Dachpfannen gleiten. Die Krähe flog auf und krächzte laut.
Sein Kopf folgte ihr, wie sie davonflog. Seine Schuhe gerieten ins Rutschen, er ließ los und fiel.