T. Scholz
lebt nur für die Partei
Beiträge: 137 Ort: Hannover
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Erstellt: 09.12.03, 14:53 Betreff: Politisch Konservative neigen zum Schwarz-Weiß-Denken
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Selten kommt es vor, dass ein Artikel von Sozialwissenschaftlern größere Aufmerksamkeit in politischen Kreisen erweckt. Vier amerikanische Psychologen haben dies nun aber geschafft, weil sie, finanziert durch Forschungszuschüsse, ein wenig einschmeichelndes, wenn auch nicht gerade unbekanntes Profil der politisch Konservativen gezeichnet haben. Die Konservativen sind an der Macht - und natürlich dient den Wissenschaftlern auch Präsident George W. Bush als Paradefall eines Konservativen.
Veröffentlicht wurde der Artikel "Political Conservatism as Motivated Social Cognition" bereits in der Maiausgabe der Zeitschrift Psychological Bulletin (2003, Vol. 129, No. 3, 339-375) der American Psychological Association (APA). In einer Fußnote merkten die Autoren Jack Glaser (University of California), Frank Sulloway (University of Berkeley), John Jost (Stanford University) und Aric Kluglanski (University of Maryland) an, dass ihre Arbeit durch Forschungsgelder von der National Science Foundation (NSF) und dem National Institute of Mental Health at the National Institute of Health (NIH) unterstützt wurde. Das brachte schließlich erzürnte Konservative auf die Spur. Selbst im Weißen Haus wurde akribisch nachgeforscht und herausgefunden, dass drei der vier Wissenschaftler für die Erforschung des politischen Konservatismus insgesamt 1,2 Millionen Dollar erhalten haben.
Für ihre Studie, die umfassend alle entsprechenden Theorieansätze durchgeht, haben die Wissenschaftler in über 20.000 Fällen aus Artikeln, Büchern und Konferenzberichten nach gemeinsamen Mustern gesucht. Das Material stammte aus 12 Ländern und umfasste auch Reden oder Interviews von Richtern, Urteile von Richtern sowie Ergebnisse von Befragungen und Experimenten. Das Ergebnis ist eine Schilderung der bekannten Persönlichkeitseigenschaften des autoritären Charakters.
Hitler, Mussolini und Reagan
Der politisch Konservative werde durch seinen Umgang mit "Unsicherheit und Angst" charakterisiert, die er durch Flucht in Ordnung abzuwehren sucht. Im Kern stehe die Abwehr von Veränderungen und die Toleranz für Ungleichheiten in der Gesellschaft. Der Konservative neigt zu Dogmatismus, mag keine Ambivalenzen, vermeidet Unsicherheiten, benötigt "kognitive Schließung" und betreibt ein "Terror Management". Letzteres könne man im Nach-11/9-Amerika gut sehen, in dem viele Menschen Außenseiter und diejenigen Menschen ächten oder sogar bestrafen würden, die "den Status ihrer geliebten Weltansichten bedrohen". Zur Prävention neigen die Konservativen aus Angst vor dem Tod.
Der Umgang mit Angst hänge mit der Aufrechterhaltung von Ungleichheit zusammen. Das könne man am indischen Kastensystem, am ehemaligen Apartheidsystem in Südafrika oder an der Rassentrennungspolitik von amerikanischen Politiker wie Strom Thurmond sehen. Die Ablehnung von Veränderung und die Akzeptanz von Ungleichheit sei unterschiedlichen Konservativen zu eigen. Hier nennen sie, was erheblich zur Kritik beigetragen hat, neben Hitler und Mussolini auch Ronald Reagan, den Heros der Neokonservativen, die gegenwärtig an der Regierung sind und ihre politische Ausrichtung aus der Reagan-Zeit beziehen. Die Konservativen würden die Rückkehr zu einer idealisierten Vergangenheit predigen. Die Verbindung zwischen Abwehr von Veränderung und Akzeptanz von Ungleichheit sei historisch bedingt, weil soziale Veränderung in aller Regel bedeutet habe, Hierarchien zu stürzen.
Konservative neigen zu einer vereinfachten Weltsicht
Zwar würden alle Menschen zur Abwehr von Veränderungen neigen, aber Liberale hätten eine höhere Akzeptanz für den Wandel als Konservative, auch wenn es Linke wie Stalin oder Castro gebe, die genauso jede Veränderung bekämpfen, wenn sie einmal an der Macht sind. Konservative Ideologien würden aufgrund von psychologischen Bedürfnissen entstehen. Um nicht ganz ins Fettnäpfchen zu treten, schrieben die Autoren aber gleich, dass dies nicht bedeute, "dass Konservatismus pathologisch ist oder dass konservative Vorstellungen notwendig falsch, irrational oder ungerechtfertigt sind." Gleichwohl könne die Abwehr von Ambivalenzen die Menschen dazu führen, an der Familie zu kleben, zu voreiligen Schlussfolgerungen zu kommen oder zu Stereotypen und Klischees zu neigen. Dass die Bush-Regierung trotz bekannter Zweifel weiterhin an der Existenz von Massenvernichtungsmitteln im Irak festgehalten hat, wird von Jack Glaser, einem der Autoren, der "kognitiven Schließung" zugeschrieben.
Die konservative Weltanschauung komme bei den Menschen besser an, sind die Autoren überzeugt, besonders in Zeiten der Krise und Instabilität. Während die Menschen aus den unteren Schicht vom Konservatismus eher angezogen sind, um so mit Angst und Unsicherheit zurecht zu können, spiele bei den gesellschaftlichen höheren Schichten eher Selbstinteresse und Machterhaltung eine Rolle. Das rühre eben auch daher, dass Konservative kognitiv weniger "integrativ komplex" als andere Menschen seien, was aber nicht bedeuten soll, dass sie geistig einfach gestrickt seien. Allerdings läuft es eben darauf hinaus, wenn die Autoren sagen, das die Konservativen nicht das Bedürfnis haben, komplexe intellektuelle Gedankengänge durchzugehen, um ihre Positionen zu rechtfertigen: "Ihnen genügt es eher, Dinge so in Schwarz und Weiß zu sehen und darzustellen, dass die Liberalen sich vor Entsetzen schütteln müssen."
Und von diesem Punkt her ist der Weg zum US-Präsidenten natürlich nicht weit, dessen Bush-Doktrin eben in dem Schema besteht, dass man entweder für oder gegen die USA ist, aber dass es nichts dazwischen gibt. Zitiert wird von Glaser eine Äußerung von Bush aus dem Jahr 2001: "Ich weiß, was ich glaube, und ich glaube an das, was ich für richtig halte." Glaser versuchte bereits in der Pressemitteilung der Universität zur Veröffentlichung der Studie den Verdacht abzuweisen, dass diese einseitig sei. Das aber geschah ein wenig halbherzig. Es gebe einfach mehr Informationen über den Konservatismus als über den Liberalismus. Das ist nach den Beschreibungen auch nicht ganz unverständlich, denn Wissenschaft setzt Offenheit und Falsifizierbarkeit voraus, was keine konservativen Tugenden wären, weswegen es auch nahe läge, dass die Zahl der konservativen (Sozial)Wissenschaftler geringer sein könnte. Die Konservativen brauchen eben keine komplizierten Erklärungen, sondern wissen bereits, wo es lang geht.
Dass die Studie den Konservativen nicht passt, war zu erwarten. So wird in der konservativen National Review das Verschwenden von Steuergeldern gegeißelt: The "Conservatives Are Crazy" Study: Paid For Taxpayers. Der republikanische Abgeodnete Tom Feeney aus Florida ist erzürnt und fordert, dass Steuerzahler die "Untersuchung solcher lächerlichen Hypothesen zu politischen Zwecken" nicht bezahlen dürften.
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15432/1.html
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