T. Scholz
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Erstellt: 28.11.03, 12:28 Betreff: RCDS will Studiengebühren (Spiegel-online am 25.11.03)
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UNIONSNACHWUCHS PRESCHT VOR
RCDS fordert Studiengebühren
Von Jochen Leffers
Quelle: Spiegel-Online - http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,273169,00.html
Damit wird sich der RCDS unter Studenten kaum neue Freunde machen: Der CDU-nahe Verband macht sich für generelle Studiengebühren ab dem ersten Semester stark. Derweil versuchen SPD-Bildungspolitiker angestrengt, die Gebührenfans in den eigenen Reihen auf Linie zu trimmen.
Im Ring Christlich-Demokratischer Studenten ist seit Jahren umstritten, wie man sich zum bildungspolitischen Zankapfel Nummer eins äußern soll: Unionsregierte Bundesländer führen eins nach dem anderen Langzeit-, Einschreibe- und Rückmeldegebühren ein, und der CDU ist der RCDS stets eng verbunden. Andererseits steigen landauf, landab gerade Studenten gegen die Einführung von Gebühren auf die Barrikaden. Sie reagieren ungnädig, wenn Kommilitonen ihnen in den Rücken fallen. Und abgesehen von den Jura- und Wirtschaftsfakultäten hat der Unionsnachwuchs an den Hochschulen ohnedies einen schweren Stand. Trotzdem hat sich der RCDS jetzt zu einer Stellungnahme pro Studiengebühren durchgerungen und will auf dem nächsten CDU-Parteitag dazu einen Initiativantrag einbringen. Dass künftig alle Studenten zahlen sollen, begründet die Bundesvorsitzende Barbara Wnuk-Lipinsky so: "Wir haben im Augenblick eine Ungerechtigkeit, die in Deutschland sehr früh anfängt - für Kindergärten muss man bezahlen, aber die angehenden Akademiker, die später mehr Geld verdienen werden als andere, können kostenlos studieren."
Angesichts der maroden Finanzlage müssten auch Studenten ihren Beitrag leisten, sagte Wnuk-Lipinksi in einem Streitgespräch im Deutschlandfunk.
Ein 17-seitiges Papier des RCDS trägt den Titel "Leistung - Autonomie - Wettbewerb" und erinnert in seiner Rhetorik stark an Konzepte des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), einer Denkfabrik der Bertelsmann-Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz. Nach allerlei handelsüblicher bildungspolitischer Folklore zur "Zukunftsfähigkeit Deutschlands" und zur "Wichtigkeit der Wissenschaft" kommt der RCDS im letzten Drittel zu den heiklen Passagen.
"Der RCDS spricht sich in aller Deutlichkeit gegen die sofortige Einführung von Studiengebühren aus", heißt es darin zunächst, und fett gedruckt etwas später: "Eine alleinige Einführung von Studiengebühren bei den jetzigen reformbedürftigen Verhältnissen an den Hochschulen wäre in hohem Maße unverhältnismäßig und absolut ungerechtfertigt."
"Gebühren allein können die Hochschulen nicht retten"
Das klingt nach schroffer Ablehnung, aber dazwischen nennt der RCDS jede Menge Argumente pro Studiengebühren - von mehr Wettbewerb über Studenten als Kunden bis zu besserer Lehre alles gut abgehangen. Seine Zustimmung knüpft der RCDS vor allem an drei Bedingungen:
Der Staat soll nicht etwa seine Finanzmittel senken, sondern sogar steigern.
Die zusätzlichen Einnahmen sollen direkt an die Hochschulen fließen und dort zweckgebunden in die Lehre investiert werden.
Sozial Schwache sollen ein so genanntes Fleißstipendium erhalten, die Studiengebühren sich also bei guten Noten reduzieren - eine klare Leistungskomponente. Barbara Wnuk-Lipinsky fordert ein Gesamtkonzept: "Wenn man glaubt, dass Studiengebühren alleine die Hochschulen retten, dann liegt man falsch. Man muss sich um private Investoren kümmern, und man muss zum Beispiel auch das Stipendienwesen ändern", sagte sie in der Sendung "Campus & Karriere" des Deutschlandfunks.
Wie sich verhindern ließe, dass die Finanzminister die Gebühreneinnahmen schnöde in den maroden Landeshaushalten versenken, verrät der RCDS nicht. Und um zu erwarten, dass vor der Gebühreneinführung tatsächlich "grundlegende Reformen und geeignete Rahmenbedingungen realisiert" werden, braucht man wohl einen starken christdemokratischen Glauben.
Wer sich indes als Studentenvertreter lieber an die Sozialdemokraten hält, findet auch dort keinerlei Gewissheit: Die einstige Bastion gegen Studiengebühren wankt längst. Gegen alle Anfechtungen immune Bildungspolitiker wie die frühere NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn sind aus den vorderen Reihen verschwunden. Tapfer, aber mit schwindender Unterstützung in den eigenen Reihen trotzt Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn den SPD-regierten Bundesländern, die nach und nach auf Gebührenkurs schwenken - und damit das Verbot im Hochschulrahmengesetz aushöhlen.
Letzte Woche trat auch noch das "Netzwerk Berlin", eine Gruppe jüngerer SPD-Politiker, offen für nachgelagerte Studiengebühren ein. Unter ihr Grundsatzpapier setzte pikanterweise auch Christoph Matschie seine Unterschrift, immerhin Staatssekretär im Bildungsministerium. Erst nach einem Rüffel durch seine Chefin Bulmahn distanzierte Matschie sich windelweich: War doch gar nicht bös' gemeint, sagte er in einem Interview bei SPIEGEL ONLINE.
Als das "Netzwerk" um Niedersachsens früheren Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel seine Forderungen veröffentlicht, erhielt Edelgard Bulmahn immerhin Beistand von den Bildungsministern der SPD-geführten Bundesländer. Gemeinsam wiesen sie den Vorstoß der Gruppe zurück. Studiengebühren bedeuteten eine "völlige Abkehr von einem zentralen Element sozialdemokratischer Bildungspolitik" und führten zu einer "Verschlechterung der Chancengleichheit im Bildungssystem", erklärte ihr Sprecher Jürgen Zöllner.
Der rheinland-pfäzische Wissenschaftsminister warf den Netzwerkern vor, einen "inakzeptablen Wandel des gesellschaftlichen Verständnisses von Bildung herbeiführen" zu wollen. Bedauerlicherweise werde offenbar "die allgemein-politische Profilierung für wichtiger erachtet als der Rückgriff auf den fachpolitischen Sachverstand". Zöllner hält es mit der "guten und bewährten sozialdemokratischen Tradition, jungen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten eine fundierte Ausbildung zu ermöglichen".
Wie viel solche Bekenntnisse in der Realität wert sind, muss sich erweisen. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, mahnen Studentenvertreter die Sozialdemokraten. Niedersachsen etwa war noch zu Zeiten der SPD-Landesregierung ein Nest der Gebühren-Befürworter um Sigmar Gabriel und Wissenschaftsminister Thomas Oppermann. In Berlin, das bereits Rückmeldegebühren kassiert, will Bürgermeister Klaus Wowereit sich partout nicht an die von der Bundesregierung ausgegebenen Sprachregelungen halten. Bremens Bildungssenator Willi Lemke hat ebenfalls nichts gegen generelle Gebühren.
Unterdessen setzen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf Studienkonten, nichts anderes als Langzeitgebühren zu etwas milderen Konditionen. Schleswig-Holstein plant sogar eine besonders restriktive Studienkonten-Variante. Nur in Mecklenburg-Vorpommern hält die rot-rote Koalition still.
Bei den teils drastischen Hochschul-Sparbeschlüssen stehen die SPD-regierten Bundesländern den Ländern unter Unionsführung ohnehin kaum nach. Und so teilen Sozial- und Christdemokraten das gleiche politische Problem: Wie wollen sie den Studenten erklären, dass eine noch schlechtere Ausbildung künftig Summen kostet, die für hoch bezahlte Minister Peanuts sein mögen, Studenten aber flott in den Ruin treiben können?
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