vielleicht kennt ihr die geschichte, sie ist auch schon lange her! ich dachte mal ich schreib sie rein, es ist eine wirklich traurige geschichte!
Geboren - Unerwünscht - Entsorgt - Nachruf für ein Fohlen vermutl. Tatort: 15910 Schönwalde Kanal am Kleinen Hain (Sieben Eichen) bzw. Spreekanal „Nordumfluter Kanal“ Landkreis Dahme – Spreewald (Brandenburg) vermutl. Tatzeit: Samstag, 20.05.00, am späten Mittag, frühen Nachmittag
Samstag, 20.05.00, am frühen Abend: Es klingelt das Telefon, unser Tierarzt fragt, ob wir ein Fohlen aufnehmen würden, er wäre auf der Polizeiwache, dort habe man ein Fohlen gefunden. Unsere Frage nach der Mutter erledigte sich nach der kurzen Sachverhalts-schilderung, das Fohlen, maximal 2 Tage alt, wurde alleine aus einem Kanal gezogen, von der Mutter weit und breit keine Spur, anliegende Reiterhöfe lehnten eine Übernahme des Fohlens ab bzw. verneinte die Frage, ob das Fohlen zufällig Ihnen gehören würde.
Um die Zeit zu verkürzen, wir wollten bereits losfahren um das Fohlen zu holen, informierte uns die Polizei, man habe das Tier im Streifenwagen, dieser würde soeben in unsere Richtung von der Polizeiwache losfahren. Per Streifenwagen wurde uns dann das Fohlen gebracht, in der Zwischenzeit organisierten wir, mit Hilfe von Bekannten und unseren Stallkindern, Milch und Zusatzstoffe, wir mussten doch schnell Ersatzmilch bauen können, eine Rotlichtlampe sowie eine zusätzliche Heiz- / Wärmequelle und richteten eine Box ein, Stroh und zahlreiche Decken und Schlafsäcke fanden sich. Hand in Hand wurde gearbeitet, die anwesenden Helfer, Kinder wie Erwachsene, wurden währenddessen auf die Situation und auch die (Überlebens-) Chancen für das Fohlen vorsichtig informiert.
Der Streifenwagen erscheint wenige Minuten vor unserem Tierarzt auf dem Hof, auf der Rücksitzbank liegt, in eine Decke eingewickelt, ein Fohlen, vermutlich Typ Kleinpferd, völlig entkräftet, kalt, noch feucht, und deutlich unter Schock stehend, der Streifenwagen selbst gleicht aufgrund hochgedrehter Heizung einer Sauna, die Polizisten bemühten sich, ihren Möglichkeiten entsprechend, rührend um das Fohlen. Während der letzten Boxenvorbereitungen erzählte man uns, wo das Fohlen gefunden wurde, um sein Leben schwimmend in dem o.g. Kanal, ca. 100 m von einer Koppel und einem Reiterhof entfernt, eine Pferdemutter war weit und breit nicht zu sehen. Gemeinsam trugen wir das Fohlen in seiner Decke in die vorbereitete Box und packten es in noch weitere Decken ein, gleichzeitig versuchten wir es mit Stroh und Handtüchern trocken und warm zu reiben und den Kreislauf anzuregen.
Da die Unterkühlung bereits mit der Hand deutlich fühlbar war, bauten wir parallel dazu unseren Aufenthaltsraum zu einer provisorischen Krankenstation für das Fohlen um, dort konnten wir es besser aufwärmen, versorgen und unter ständige Beobachtung stellen, denn eine lange Nacht war nun für uns vorprogrammiert.
Das Thermometer unseres Tierarztes konnte bei der nun erneuten Untersuchung noch nicht mal eine Körpertemperatur anzeigen, so stark war die Unterkühlung, es wurden stabilisierende und aufbauende Medikamte verabreicht. Da sogar noch der Fohlenhuf im Huf vorhanden war, die Nabelschnur einen eindeutig frischen Eindruck machte und das Fohlen einen typischen Eindruck von einem extrem jungen Tier vermittelte, konnten wir davon ausgehen, daß unser Findelkind erst 24 – 48 Stunden alt war.
Es war ein bildhübscher kleiner Hengst, falbenfarbig ohne Aalstrich, mit einem kleinen blauen Bereich (Fischauge) im unteren Drittel des rechten Auges, kräftig und augenscheinlich gesund. Nur jetzt, obwohl aus dem Kanal gerettet, kämpfte er um sein Leben aufgrund der Folgen dieser Schwimmaktion und seiner Altersproblematik. Mit den vorhandenen Milchprodukten und nach einem Schnellstudium von Literatur über Pferdezucht und künstliche Aufzucht, zauberten wir eine Milch, wir hofften auf eine wenigsten annähernde Ähnlichkeit zur Stutenmilch, telefonisch wurde uns die Besorgung von Stutentrockenmilch aus dem Raum Frankfurt (Oder) für den nächsten Tag zugesichert. Das Fohlen wurde samt seiner Decken und Wärmelampen in unseren Aufenthaltsraum umgezogen und nun standen wir vor dem Problem, etwas warmes, trinkbares in das Tier zu bekommen. Irgendwie mussten wir doch dem Pferdebaby Nahrung zuführen. Ein Saugreflex war nur schwach vorhanden und ein Schluckreflex konnte nur durch manuelle Massagen des Tierarztes ausgelöst werden. Obwohl unser kleiner Patient nicht schlucken wollte, vielleicht hatte er auch nur Angst vor dem generellen Schlucken von Flüssigkeiten, denn ich möchte nicht wissen, wie viele Liter Wasser er während seines Schwimmkampfes getrunken hatte, gelang es uns, ihm ca. 0,3 l Stutenmilchersatz einzutrichtern. Danach ließen wir ihn schlafen, in der Hoffnung, er würde dadurch auch wieder zu Kräften kommen.
Nun konnten wir uns auch endlich um die Abendversorgung der eigenen Pferde kümmern, reichlich verspätet und im Schnell-Schummel-Verfahren, während der Vater eines unserer Stallmädels Wache bei unserem Findel-Fohlen, wir nannten ihn nur „Kleiner“, im Beisein unserer Rotti-Hündin, diese fühlte sich nun als Ersatzmutter und kümmerte sich auch wie eine Mutter um das Fohlen, schob. Gleichzeitig organisierte eine Mutter Kannen mit Tee und geschmierte Brote, denn an uns und unsere Versorgung verschwendete keiner auch nur einen Gedanken. Das einzige was zählte war, wie können wir unseren „Kleinen“ wieder aufpäppeln. Kurz vor Mitternacht besuchte uns noch einmal unser Tierarzt, „Kleiner“ ging auch ihm nicht aus dem Kopf und wir hatten tatsächlich eine messbare Temperatur, 36.01 Grad, noch zu niedrig aber halt schon meßbar. Mit Hilfe konnte „Kleiner“ sogar aufstehen, so daß wir noch mal ca. 200 ml Milch in ihn trichtern konnten, denn schlucken wollte er immer noch nicht. Wir machten uns Hoffnung, es vielleicht doch zu schaffen, das Fohlen durchzubekommen.
Sonntag, 21.05.00, ab 00.00 Uhr: „Kleiner“ schläft und träumt deutlich erkennbar, er robbt schlafend auf dem Boden herum und tritt zeitweise wie wild um sich. Eine Ernährung von „Kleiner“ wird von Stunde zu Stunde unmöglicher, da er sich nicht wecken läßt. Josie, unsere Rotti-Ersatzmutter, will noch nicht einmal zum Pieseln den Aufenthaltsraum verlassen, um „Kleiner“ zu bemuttern. Im Laufe der Nacht robbt „Kleiner“ zu mir und der Hündin hin, um dann angekuschelt weiter zu schlafen.
Sonntag, 21.05.00, gg. 07.00 Uhr: Die ersten Stallkinder sind da, um nach dem Fohlen zu sehen und mich nach der Nachtwache mit Frühstück zu überraschen. Mit unserem ebenfalls wieder anwesenden Tierarzt versuchen wir gemeinsam das Fohlen zu wecken und Milch einzufüllen, unser Tierarzt war im Vorfeld schon aktiv, da er selbst in den grauen Morgenstunden einer Kuh per Hand die Milch entlockt hatte, um dann diese ganz schnell, noch bei Körpertemperatur, zum „Kleinen“ zu bringen. „Kleiner“ will immer noch nicht schlucken, stehen kann er auch nicht, aufgrund u.a. der Entkräftung nach dem gestrigen Bad.
Noch während der Suche nach einer Vene, „Kleiner“ soll jetzt an einen Tropf und künstlich ernährt werden, beginnt das Fohlen zu krampfen und kollabiert. Weder sofortige Medikamentengabe noch Herzmassage und Beatmung bringen Erfolg, „Kleiner“ stirbt unter unseren Händen, im Nachhinein an den Spätfolgen des Schockes. Unsere Stallkinder weinen bittere Tränen, auch uns Erwachsenen ist zum Heulen zumute, wir alle hatte gehofft ...
Montag, 22.05.00, gg. 21.00 Uhr: Ich sitze hier und schreibe, denn es war ein sinnloser Tod für ein viel zu kurzes Leben von dem „Kleinen“. Bis jetzt hat sich weder bei der Polizei oder anderen Behörden ein Pferdebesitzer gemeldet, der ein Fohlen vermisst. Irgendwo steht seit Samstag eine Pferdemutter, mit platzendem Milcheuter, und schreit sich die Seele aus dem Hals, nach ihrem Pferdebaby. Jede Stunde die verstreicht bringt uns der Vermutung näher, daß unser „Kleiner“ geboren - unerwünscht – entsorgt wurde, einfach weggeworfen. Entweder bewußt in den Kanal, bekanntlich werden sonst nur junge Katzen oder junge Hunde ertränkt, oder in die Nähe des Gewässers, er fiel dann auf der verzweifelten Suche nach seiner Mutter in das Wasser.
Rein behördlich ist „Kleiner“ eine Fundsache, morgen wird er zur Entsorgung abgeholt und wegen der Kosten soll ich mich dann an das zuständige Ordnungsamt wenden. „Kleiner“ war ein gesunder, kräftiger Pferdejunge, leider nur ein Junge, mit einer oft in der Pferdezucht unerwünschten Farbe und einem Fischauge als Mangel. Daher nahm man sich scheinbar das Recht, den unerwünschten „Kleinen“ zu entsorgen und ihm damit jede Chance für ein Pferdeleben. Hätte man das Fohlen denn nicht z.B. 4 Wochen bei seiner Mutter lassen, dann ist es nämlich schon in der Lage selbst zu fressen, und anschließend in gute Hände geben können ?
Eine Bitte, wenn ein Leser dieses Nachrufes irgendwo eine weinende Pferdemutter kennt, oder vielleicht sogar gesehen hat, wie „Kleiner“ vergessen oder entsorgt wurde, wenn irgendwo eine hochschwangere Pferdemama plötzlich rank und schlank ohne Nachwuchs herumläuft, bitte meldet Euch bei mir unter oder schreibt mir einfach Eure Meinung zu dem Vorfall.
Ich verbleibe sehr nachdenklich und traurig Cordula & Joachim Baaken
Danke an alle, die uns mit Rat und Tat oder verbaler Unterstützung helfen wollen oder es auch tun, ich werde immer wieder auf dieser Seite bzw. der Seite mit den Antworten den aktuellen Stand des Vorfalles dokumentieren.
Mein besonderer Dank gilt aber auch, vor allen Dingen nach den Antwortschreiben, meinen Helfern
Wenn die Menschen nur über das sprechen würden, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein!