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Vera

Administrator

Beiträge: 696


New PostErstellt: 16.11.04, 13:28     Betreff: Re: Füttert jemand Hafer? Oder ist das absolut ungeeignet?

Canon EOS 500D SLR-Digit...
Hallo an alle!

Also, jetzt schreib' ich doch noch ein bißchen was zum Hafer, vielleicht kann ich noch das eine oder andere Gerücht ausräumen oder dazu beitragen, dass Hafer in nicht ganz so negativem Licht gesehen wird.

Hafer ist unzerkleinert, gequetscht und geschrotet erhältlich. Von allen Getreidesorten wird er vom Pferd am besten aufgeschlossen und verwertet. Bei Pferden, die ihn unzerkleinert bekommen, sollte sichergestellt sein, dass die Zähne in Ordnung sind. Bei Fohlen oder älteren Pferden mit noch nicht voll ausgebildetem Gebiß bzw. Zahnschäden sollte man Hafer gequetscht oder geschrotet verfüttern, das erhöht die Verdaulichkeit (beschleunigt aber wiederum die Verderblichkeit).
Hafer enthält große Mengen ungesättigter Fettsäuren und Schleimstoffe, ist reich an B-Vitaminen, besitzt eine hohe Verdaulichkeit und wird auf Grund seiner Größe und der Spelzen normalerweise von Pferden gut gekaut. Sein Nährstoffgehalt ist aber nicht ausgeglichen und es mangelt an fettlöslichen Vitaminen. Einseitige Haferfütterung kann zu schweren Störungen im Mineralstoff- und Säuren/Basenhaushalt (Übersäuerung) führen.
Leider gibt es auch teilweise sehr große Qualitätsunterschiede beim Hafer, deshalb sollten Auge und Nase auf jeden Fall mitfüttern (Kontrolle auf Schimmel oder andere Verunreinigungen, wie z. B. Mäusekot; Hafer darf nicht muffig riechen). Um das Risiko verdorbenen Hafers zu mindern, sollte er nicht früher als sechs bis acht Wochen nach der Ernte gefüttert werden. Der Hafer muss trocken gelagert werden und insbesondere Quetschhafer, darf nicht zu lange gelagert werden.
Je größer und runder die Haferkörner sind, desto höher ist der Energie- und geringer der Eiweißgehalt. Lange, schmale Körner haben einen größeren Spelzenanteil und sind weniger verdaulich.
Das Litergewicht des Hafers, wie Larissa es schon erwähnt hat, sollte bei großen, schweren Sorten 550 g oder mehr betragen, bei schmalen, kleinen Körnern immer noch 450-550 g und was darunter liegt sollte eigentlich nicht verfüttert werden, da dies ein Hinweis auf mangelnde Qualität ist (je kleiner die Körner, desto geringer ist der Nährstoffgehalt und umso weniger wurde der Hafer ausgesiebt), der Anteil an Rohfaser und Eiweiß ist zu hoch und der an verdaulicher Energie zu gering.

Dass Hafer sich in irgendeiner Form auf Temperament oder Leistungsfähigkeit eines Pferdes auswirkt, wurde bisher nicht bewiesen. Erhält ein Pferd aber sehr viel Hafer, kann es zu einer Übersäuerung (siehe oben) kommen, die sich in verändertem Verhalten äußern kann. Auch Pilztoxine in verdorbenem Hafer können sich bei empfindlichen Pferden auf das Nervensystem auswirken und eine mangelnde Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen (einseitige Haferfütterung) spielen auch mit rein. Ebenso wie die Haltung und das Bewegungspensum.
Die hochverdauliche Energie des Hafers geht schnell in den Stoffwechsel über, d. h. für das Pferd ist sehr schnell sehr viel Energie verfügbar. Das ist ungefähr so, wie wenn wir eine Packung Traubenzucker essen, dann sind wir auch fit wie ein Turnschuh und wissen nicht wohin mit unsrer Energie. Und Pferden geht es da ähnlich. Was passiert, wenn Pferde mit Hafer abgefüllt werden, aber keinen ausreichenden Ausgleich in Form von Bewegung haben und dann irgendwann aus der Box unter den Sattel kommen, kann man sich lebhaft vorstellen.
Diesen Turbo-Effekt der Haferfütterung kann man übigens abschwächen, indem man den Großteil der Ration abends füttert. Bis zum nächsten Morgen ist der Energieschub wieder abgebaut, "der Traubenzucker" quasi wieder verbraucht.
Ist ein Pferd geistig, körperlich und bewegungstechnisch ausgeglichen, wird es mit der Haferfütterung kein Problem haben, wenn doch kann man davon ausgehen, dass irgendwo ein Ungleichgewicht vorliegt.
Reagiert es mit Allergien oder anderen Erkrankungen auf die Haferfütterung, muss noch lange nicht der Hafer die Ursache sein (außer natürlich er ist verdorben oder mit Milben verseucht), sondern lediglich der letzte Tropfen, der das vorher schon volle Fass zum Überlaufen bringt.
Leider ist ein Fütterungsproblem nicht selten ein Fehler in der Haltung, also z. B. von zu wenig Bewegung.
Und bei Arabern und Ponys kommt noch dazu, dass deren Stoffwechsel den Hafer nicht sauber aufschließt, was den bekannten Effekt haben kann, dass sie "der Hafer sticht".


Zum Thema Gerste:
1 kg Hafer entspricht rund 0,9 kg Gerste.
Gerste (Braugerste) ist eiweißärmer als andere Getreidesorten, ist aber auch schlechter verdaulich. Die schlechte Verdaulichkeit kann durch Schroten erhöht werden, es sollte aber nicht mehr als 200-300 g pro 100 kg Körpergewicht je Mahlzeit verfüttert werden, da sich sonst im Verdauungstrakt des Pferdes zu viel Stärke ansammelt, die ein Absinken des pH-Wertes im Dickdarm und Fehlgärungen zur Folge haben kann. Zuviel Gerste kann außerdem die Entstehung von Hufrehe begünstigen.

Du lieber Gott, das sind ja jetzt wieder ganze Romane geworden! Pferdefütterung ist aber auch eine Wissenschaft für sich... Jetzt bin ich aber fertig, Ihr könnt wieder aufwachen. Und vielleicht konnte ich dazu beitragen, die Entscheidung Hafer zu füttern oder nicht, ein bißchen erleichtern.

Ach, noch was zum Thema Pferdemüslis: sie sind in erster Linie für die Pferdebesitzer, nicht für's Pferd gemacht. D. h. sie sind nicht unbedingt gesünder für's Pferd als z. B. alternative Fütterung mit Getreide, weil Vitamine und Mineralstoffe in diesen Fertigfuttermitteln oft viel zu hoch dosiert sind (was sich nochmals multipliziert, wenn das Pferd zusätzlich Mineralfutter erhält). Futtermittelhersteller denken wirtschaftlich, sie bieten an, was die Leute haben wollen. Und wenn Futtermittel in schönen bunten Papiersäcken, die einfach zu kriegen, zu transportieren und zu lagern sind und außerdem noch tausend verschiedene Inhaltsstoffe in gigantischen Mengen haben, nachgefragt werden, wird das auch produziert (der alte Glaube, dabei mehr für sein Geld zu bekommen). So ein appetitlich aussehendes Müsli, das scheinbar alles enthält, was das Pferd braucht, läßt sich auch entsprechend teuer verkaufen im Vergleich zu Getreide. Und der Gedanke günstig entspricht qualitativ schlechtem Inhalt, hat sich in den meisten Köpfen der Leute leider festgesetzt.


Viele Grüße,

Vera

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