Fußball, Frauen, Dosenbier - na denn: Prost!

Lotto King Karl: Der einsame Rekordhalter auf der Stadtparkbühne. Vier ausverkaufte Konzerte: Warum Lotto King Karl die Hamburger Pop-Szene Jahr für Jahr dominiert.

Unfaßbar: Hamburg, die stolze und freie Hansestadt, tritt die Tradition mit Füßen und huldigt einem König. Dem König von Barmbek. Lotto King Karl. Einem Mann, der einst angeblich 42 Millionen Mark im Lotto gewann und seitdem ein ausschweifendes Leben mit "Hopihalido" (Holsten-Pilsener-Halbliter-Dose), "Hörnerwhisky" (Jägermeister), HSV und Rock 'n' Roll genießt. Cervesam et circensis - Bier und Spiele.

Was für Nero, Caligula und Co. Colosseum und Circus Maximus waren, sind für Lotto Color-Line-Arena und Stadtparkbühne. Seit zwei Jahren füllt er beide Arenen regelmäßig bis zum letzten Platz. In der diesjährigen Open-Air-Saison im Stadtpark hängt das "Ausverkauft"-Schild gleich viermal (am vergangenen und kommenden Freitag und Sonnabend) am Zaun. Ein einsamer Rekord! Woher kommt das Gebalge um Lotto-Eintrittskarten, was ist - frei nach dem "Kanzlersong" - das "Geile an der Monarchie"?

Szenenwechsel. Vor der Stadtparkbühne am vergangenen Freitag warten knapp 5000 Fans, geradezu uniform bekleidet mit HSV-Trikots oder Lottos eigenen Fan-Jerseys. Aus den Boxen dröhnt "Football's Coming Home". Mit einem "Moin-Moin, Stadtpark" springt der Monarch mit den "Barmbek Dream Boys" auf die Bühne und beginnt mit "Wieder im Ballbesitz", gefolgt von "Hamburg gegen alle" und "Bis der Arzt kommt": Lieder über die Träume des durchschnittlichen HSV-Fans. Meisterschaft und Vollrausch, das reicht zum Glücklichsein, denn egal, wie schlecht die Zeiten auch sind, "es kann alles noch schlimmer werden, ohne Fußball und Dosenbier".

Zwischenspiel. An den Bierständen kommt es zu verbalen Ausschreitungen, weil der Nachschub stockt. Ein Besucher empfiehlt die Anschaffung einer Formel-1-Tankanlage ("Zwölf Liter inne Sekunde"), der Nachbar singt "Hamburg, meine Perle" - zu früh!

Zeit für das melancholische "Unten am Hafen", abgeschlossen von einem wilden, hinter dem Kopf gespielten Gitarrensolo. Carsten Pape, Lottos stets behütetes Alter ego, kommt auf die Bühne und singt mit ihm im Duett Lieder über wahre Werte: "Freunde", "Es macht unheimlich Spaß mit Dir zu f ...", zwischendurch reiht Pape seinen Kumpel mit einem Ständchen zum zehnten Bühnenjubiläum ein zwischen Hamburger Legenden von Heidi Kabel über Jan Fedder bis Uwe Seeler.

"Wer wird Deutscher Meister? Ha-Ha-Ha-Ha-Es-Vau", "Ich liebe dich wie der Hamburger sein Holsten", "Knocking on Holstentor": Die Stimmung schäumt über wie eine Bierblume. "Mitten in Barmbek" ist man "Wieder zurück" ohne "Grenzen und ohne Zäune". 22 Uhr, die vorgeschriebene Konzertzeit ist vorbei. Egal! Dieser Auftritt ist schließlich wie "Fliegen" und endlich, endlich, der Nachbar rastet glatt aus, intoniert Lotto zusammen mit dem HSV-Maskottchen Hermann "Hamburg, meine Perle", während wir langsam das Phänomen Lotto King Karl zumindest in Teilen begreifen: Drei Stunden und 22 Minuten (!) erdiger, ehrlicher Rock, 30 Songs rund um das kleine Glück und Pech zwischen Fußball, Frauen und Dosenbier, viel Lokalpatriotismus und keine Niveaugrenze - für 18 Euro Eintritt. Für wen Lotto King Karl und die Barmbek Dream Boys die Band ist, "auf die ich kann", erhält in schöner Regelmäßigkeit einen beispiellosen Gegenwert für sein sauer verdientes Geld. Für das Frühjahr 2006 sind laut Lotto bereits wieder Konzerte in der Color-Line-Arena in Planung, eventuell wird sogar sein Traum von der AOL-Arena endlich wahr.

Na denn, Prost, Hamburger Jungs und Deerns!