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Frickibär · Mitglied Beiträge: 1177

"Halb getürkt" leistet ganze Arbeit
COMEDY: Bülent Ceylan begeistert über 1400 Besucher im ausverkauften Rosengarten mit seinem neuen Programm

Von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz

Ob die Nationalmannschaft 2006 Fußballweltmeister wird, steht seit dem Türkei-Länderspiel am Samstagabend mehr denn je in den Sternen. Dass Bülent Ceylan im nächsten Jahr in der ersten Comedy-Liga spielt, ist seitdem aber wahrscheinlicher geworden. Schließlich geben über 1400 Menschen leichten Herzens "dem Türk'" den Vorzug vor den Klinsi-Buben, der Musensaal des Mannheimer Rosengartens ist seit Wochen ausverkauft, und die stehenden Ovationen wollen gar kein Ende nehmen.

Dieses Heimspiel, Ceylans bisher größter Auftritt unter eigener Flagge, hat wegweisende Bedeutung für die Karriere des 29-Jährigen: Nach drei Jahren "Döner for One" und zahllosen Best-Of-Abenden hat - endlich! - ein neues Programm Premiere. Wenn "Halb getürkt" ganze Arbeit leistet, kann Ceylan sich aus der Regionalliga zwischen Frankfurt und Stuttgart in höhere Gefilde verabschieden.

Die Anlagen dafür bringt der Mannheimer mit: Timing, Bühnenpräsenz bis in die letzte Reihe, besonders seine an Schizophrenie grenzende Wandlungsfähigkeit, aber auch gutes Aussehen. Oder liegt es doch nur am Humor und nicht an den gut definierten Oberarmen, einem noch besser proportionierten Hinterteil und dem klassischen Profil, dass der Frauenanteil im Publikum so hoch ist? Das Quietschen im Publikum wird jedenfalls am ekstatischsten, wenn er als Hassan die Hüften beim Bauchtanz bis an die Schultern kreisen lässt.

Aber darauf kann man Bülent Ceylan genauso wenig reduzieren wie einen Dieter "George Clooney" Nuhr. Zumal der Mannheimer sich ein Stück weit von der Mundart-Blödelei weg entwickelt hat und überraschend oft kabarettistischen Tiefgang anpeilt. Dabei spielen die drei neuen Figuren eher Nebenrollen: Der finnische DJ Lasse Hopsen hat einen wunderbaren Namen, aber was er außer "Eishockey" alias "alles okay" noch so sagt, ist schnell vergessen. Die Geld-Adlige Anneliese ("Nerz II schlägt Hartz IV") landet beim Heimspiel viele Volltreffer, auswärts könnte sie es schwerer haben. Und der Häuptling der A(rsch)patschen hat sich noch nicht sehr tief in die Herzen der Fans genuschelt.

Dafür lassen es die alten Helden richtig krachen: Was Harald auf dem Weg zur Beckhamschen Metrosexualität mit dem Eyeliner vorhat, ist ein Zotenklassiker. Aber schon Supermarkt-Betreiber Aslan macht sich über Fundamentalisten kluge Gedanken. Und die Antworten auf die Frage, was Spanier oder Amerikaner unter "gedeutscht" verstehen könnten, zählen zu den Höhepunkten von "Halb getürkt". Wenn Ceylan zum Schluss seine Monnemer Menagerie im "Psycho"-Stil von Anthony Perkins eine Hymne an die Toleranz singen lässt, ist das etwas beängstigend - aber die Küsschen von Mama und der Gattin auf offener Bühne zeigen, dass das soziale Umfeld stimmt.

Ob "Halb getürkt" für den Deutsch-Türken den nationalen Durchbruch bringt, wird sich spätestens zeigen, wenn Bülent Ceylan ganze Gastspiel-Wochen im Berliner "Quatsch Comedy Club" und bei der Lach- und Schießgesellschaft in München hinter sich hat. Bis dahin haben er und seine Zuschauer aber sicher mehr zu lachen als Jürgen Klinsmann.

© Mannheimer Morgen - 10.10.2005

Quelle: www.morgenweb.de

"die Mundart is en geile Beat, wie Dynamit so explosiv..." (Christian "Chako" Habekost - "2 Mann und Xavier Naidoo")