applepie
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Erstellt: 05.04.06, 20:12 Betreff: Re: interviews und presseberichte |
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mal von der anderen seite gesehen...
Klotzen für Xaviers Gig
24. März 2006, Lenz: Sie sind die wenigen Menschen in der Branche, die bei Tageslicht arbeiten und nachts tatsächlich schlafen. Die Roadies. Ein Job, der viele Jahre eine Sache für Quereinsteiger war. Seit Ende der 90er Jahre gibt es für ihre Tätigkeiten einen Ausbildungsweg. Ihn hat Christian Hunke eingeschlagen. Er wird Veranstaltungstechniker. Michaela Töns hat ihn bei der Arbeit getroffen, bei den Aufbauten zum Konzert von Xavier Naidoo in Bielefeld
Das laute Rappeln wirkt wie eine Warnung. Einprogrammiert ist der Reflex, den Weg freizumachen. Sekunden später rollt ein Techniker zügig eine große Box über den Hallenboden. Schwarz mit silbrig glänzenden Beschlägen. Die Farbe ist in der Crew wie eine Geheimsprache. In dieser schwarzen Kiste liegen Scheinwerfer. Violette Seitenwände stehen für Motorentechnik. Die grünen Container für die Tontechnik sind in einer Ecke der Seidensticker-Halle geparkt. Sie sind erst später dran. „Unser Lager in Ascheberg ist im Moment sehr leer“, sagt Projektleiterin Dagmar Kischewski. Die Techniker von Satis&Fy begleiten als Tour-Supporter im Moment nicht nur Xavier Naidoo durch Deutschland, sondern auch die Jungs von Tokio Hotel. Ein Team von fest angestellten Technikern bekommt in jeder Stadt Unterstützung von angeheuerten Aushilfen, um aus einer zweckmäßigen Halle eine schillernde Konzertarena zu machen.
Wieder beginnt der Hallenboden zu vibrieren. Erneut hat eine der unzähligen Kisten die fünf Trucks verlassen. Nachschub für die Bühnenbauer. Auf dem Podest liegen drei mächtige Traversen im Dreieck. Dicke Eisenketten hängen von der Deckenkonstruktion herab. An ihren Enden schweben schwere Motoren, die mit den Traversen verbunden werden und sie einen Meter über die Bühne anheben. Ohne viele Worte zu wechseln, rollen zwei Techniker einige schwarze Boxen herbei. Eine halbe Stunde später sind die Container leer und die Spots hängen an der Unterseite der Traverse. Noch immer ist es ruhig in der Konzerthalle. Allein das metallische Klimpern von Eisenteilen ist ab und zu zu hören. Dabei sind es nicht einmal mehr zwölf Stunden, bis die Techniker wieder in ihren Betten im Nightliner liegen, während Xavier Naidoo vor Hunderten Zuschauern sein musikalisches Telegramm verschicken wird. Doch keine Spur von Hektik. Nach gut der Hälfte seiner Tour sitzt beim Technikteam jeder Handgriff. Aber auch keine Spur vom Glamour des Musikbusiness. Mit ihren Schutzhelmen, Stahlkappenschuhen und robusten Handschuhen sieht man ihnen die harte Arbeit an.
„Am Anfang war es toll, mit so vielen wichtigen Leuten zu tun zu haben. Aber jetzt ist das normal geworden“, sagt Christian Hunke. Der 19-jährige Grevener ist im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Veranstaltungstechniker. Nach dieser Zeit hat er sich den Perfektionismus der Branche angeeignet. Er sehe in dem Star, für den das Unternehmen die Bühne aufbaue, keinen Übermenschen, sondern schlicht den Kunden. „Und man muss sich bemühen, alles so wie der Kunde zu sehen.“ Vor allem bei Veranstaltungen von Unternehmen komme es auf exakte Bauten an. „Bei Industrieveranstaltungen mus man darauf auchten, dass Kabel im 90-Grad-Winkel um die Ecke liegen.“ Gerade vor einigen Wochen war Christian dabei, als ein arabischer Scheich seine neue Fluglinie bei einem üppigen Empfang präsentierte. Ihm ist aber auch klar, dass ein Veranstaltungstechniker viel Verantwortung trägt. Bevor das Konzertpublikum in die Halle strömt, wird die Konstruktion behördlich überprüft. Bücher, die die TÜV-Prüfung bestätigen, müssen vorgelegt werden. Die Statik muss stimmen. Auch Elemente, die Christian verinnerlicht hat. Wenn er ganz privat ein Konzert besucht, fällt sein Blick sofort auf die Bühnenbauten. „Die sind meistens gut gesichert – anders als viele Discos.“
Zu Christians Aufgaben gehört aber auch der Stalldienst in Ascheberg. „Kabel prüfen und reparieren, im Büro Pläne ausarbeiten – ich mache nie das Gleiche.“ Eine Vielfalt, die arbeitsreiche Wochenenden, lange Arbeitstage und viele Stunden auf der Autobahn vergessen machen. „Als Veranstaltungstechniker kann man einfach mit Effekten klotzen.“ Eine ganze Tour hat Christian wegen des Unterrichts am Berufskolleg noch nicht mitgemacht. Aber sollte er sich nach der Prüfung dafür entscheiden, weiß er schon, dass sein Schwerpunkt die Tontechnik wird. Kein Wunder, denn er kann sogar einzelne Frequenzen hören und unterscheiden. Doch auch das warnende Rattern von nahenden Kisten funktioniert noch immer.
Mathe, Statik, Licht- und ein bisschen Tontechnik sowie Betriebswirtschaft gehören zu Christians Schulfächern am Robert-Bosch-Berufskolleg in Dortmund. Eindeutiger Schwerpunkt ist jedoch die Elektrotechnik in seiner Klasse mit 20 Azubis. Weil das Berufsbild jung und die Ausbildungsfirmen noch wenige sind, ist das Einzugsgebiet der Schule recht groß. Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Veranstaltungstechniker (auch Fachkraft für Veranstaltungstechnik), die Christian nach der Mittleren Reife begonnen hat. Möglich ist der Einstieg aber auch mit dem Hauptschulabschluss. Er hatte sich nach zwei Schülerpraktika auf diesem Gebiet und wegen seines Hobbys, als DJ aufzulegen, für den Beruf entschieden. Das Tour- und Eventmanagement ist zwar eine Männerdomäne und viele Aufgaben brauchen viel körperliche Kraft, dennoch ist er auch etwas für Mädels. Die Ausbildung endet mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer. Dabei muss der Azubi ein Veranstaltungskonzept planen, durchführen, abrechnen und in einem Fachgespräch präsentieren. Nach der Ausbildung spezialisieren sich die meisten Veranstaltungstechniker auf eines der Fachgebiete Ton, Licht oder Video. Ausbildungsplätze bieten aber nicht nur Unternehmen wie „Satis&Fy“ an, sondern auch Theater, Film- und Fernsehproduktionen sowie Messeunternehmen. Möglich ist auch die Qualifikation zum Meister der Veranstaltungstechnik. Außerdem gibt es an einigen Fachhochschulen den Diplom-Studiengang Theater- und Veranstaltungstechnik. -mt-
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____________________ Die Neigungen des Herzens sind geteilt wie die Äste einer Zeder. Verliert der Baum einen starken Ast, so wird er leiden, aber er stirbt nicht. Er wird all seine Lebenskraft in den nächsten Ast fließen lassen, auf dass dieser wachse und die Lücke ausfülle. [ Khalil Gibran ]
In Deine Hände übergebe ich mein Leben...
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