Irina
Mitglied
Beiträge: 4038
|
Erstellt: 05.09.09, 09:42 Betreff: Re: interviews und presseberichte |
|
|
*Pop:* Xavier Naidoo präsentiert erste Höreindrücke seines Dreifachalbums "Alles kann besser werden", das am 9. Oktober erscheint
Emotionale Dreifaltigkeit
Von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz
Es ist immer wieder erstaunlich: Wenn Xavier Naidoo Musik hört, scheint er komplett in sich zu versinken, sein Körper reagiert auf die Beats, der Geist schottet sich von der Welt ab - die Zuhörer sind vergessen. Dabei sitzen sie beinahe auf dem Schoß des öffentlichkeitsscheu gewordenen Popstars, der wie schon vor vier Jahren vor dem Erscheinen von "Telegramm für X" einem guten Dutzend Medien- und Vertriebsvertretern Auszüge aus seinem neuen Album "Alles kann besser werden" vorspielt, das am 9. Oktober erscheint.
Der Titel ist Programm. Zum Großteil versucht Naidoo mit seinem vierten Solo-Album, Mut zu verbreiten. Den demonstriert er selbst schon allein dadurch, dass er drei CDs auf einen Streich veröffentlicht. Mit stolzen 34 Tracks. Allzu viele Mainstream-Popstars haben sich das bisher noch nicht zugetraut. Das könnte krisengeschüttelte Geldbeutel und PISA-geplagte Aufmerksamkeitsspannen durchaus überfordern. "Ich war ja vier Jahre weg, da finde ich das nicht zu viel", findet der 37-Jährige.
Die Kannibalisierung der Album-Idee durch Zufallswiedergabe, MP3-Player und Co. versucht Naidoo ähnlich wie beim Doppelpack "Zwischenspiel/Alles für den Herrn" (2002) mit einem klaren Konzept für jede der drei CDs zu unterlaufen: "Sie markieren drei emotionale Sektoren: zwei helle, einen dunklen."
Der erste Silberling drehe sich hauptsächlich um die Sicht von Kindern, die zweite CD sei zwar "hell", konzentriere sich aber auf Themen wie Trauer und Schmerzbewältigung. Vor die "dunkle" CD ("eigentlich nenne ich sie dunk-hell") setzt Naidoo einen Warnhinweis im Intro: "In meinem Publikum finden sich immer mehr ganz junge Leute, wo ich mir denke, die müssen nicht unbedingt alles hören, was ich da an Wut und Besorgnis ablasse."
Mehr musikalische Vielfalt
In musikalischer Härte äußere sich dieses Themenspektrum nicht unbedingt: "Söldnerlied (Drogen & Gold)", der einzige Song von der Schatten-CD, den der Sänger auf der gut 90-minütigen Busfahrt durch die Metropolregion auflegt, ist ein klassischer Naidoo-Midtemposong, einer von 19 Liedern, deren Sound das Filmorchester Babelsberg prägt. "Dunkel sind nur die Themen", so Naidoo. In diesem Fall ginge es um einen Blackwater-Söldner, der sich von seiner Familie verabschiedet und auf den Kriegseinsatz vorbereitet.
Produziert und mitgeschrieben wurde das Lied von Aiko Rohd, dem jüngsten Zugang der Produzentenclique rund um die Studios der Söhne Mannheims. Überhaupt klingt dieser erste Hör-Eindruck deutlich vielfältiger als "Telegramm für X" oder die jüngste Söhne-CD "IZ ON".
Was nicht nur an der Zahl der Stücke, sondern vor allem an der Vielzahl der eingesetzten Produzenten und (Co-)Komponisten liegen dürfte: Neben bewährten Kräften wie Michael Herberger, Billy Davis (grandios: "So Calm"), Neil Palmer oder Philippe van Eecke gibt es zahlreiche neue Einflüsse. Etwa von Azad-Mitstreiter Milan Martelli, der dem Titelsong einen für Naidoo-Verhältnisse ungewöhnlich gradlinigen Beat verordnet und größere emotionale Tiefenschärfe erzeugt. Die ungewohntesten Klänge - Hammond-Orgel, 70er-Funk-Bläser, Clapton-Gitarre - verordnet Popakademieabsolvent Ruben Rodriguez in "Ich brauche Dich", während Neil Palmer im düster rockenden, rhythmusbetonten "Was habe ich falsch gemacht" Naidoo zum Prince-Falsett inspiriert. "Man sieht, wenn man mir andere Playbacks gibt, kann es auch anders klingen." Er habe selbst darüber nachgedacht, warum sich die Ergebnisse seiner normalen Arbeitsweise oft so dramatisch anhörten: "Vielleicht liegt es an meinen indischen Wurzeln. Wenn ich mir die Bollywood-Sachen anschaue, ist es da ja ähnlich."
Andere Klangfarben kommen voraussichtlich unter anderem von den US-Vokalartisten Naturally 7 im Song "Wild vor Wut", aber vor allem von der Popakademie: Die dunkle R&B-Stimme Janet Grogans, ein rauer Rap von Danny Fresh, Laura Bellon im Background. "Die Zusammenarbeit hat sich immer organisch ergeben, ohne es zu erzwingen." So wie Naidoos Nummern es nicht unbedingt forcieren, um jeden Preis gefühlte 500 Mal am Tag im Radio zu laufen wie etwa "Dieser Weg". Von daher könnte es mit der emotionalen Dreifaltigkeit im Gepäck etwas steiniger und schwerer werden als zuletzt, aber auf lange Sicht auch interessanter.
Mannheimer Morgen 05. September 2009
Hör nicht auf für das zu Leben an was Du glaubst - Glaub an Dich!
|
|