Frickibär
Mitglied
Beiträge: 1177
|
Erstellt: 29.10.05, 07:16 Betreff: Ein klingendes "Telegramm für X" |
|
|
Ein klingendes "Telegramm für X" POP: Erste Impressionen von Xavier Naidoos drittem Soloalbum, das der Mannheimer im kleinen Kreis vorstellte Von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz
Wuchtig klingen sie und noch etwas verschachtelter als gewohnt - die ersten Takte von "Und", dem ersten Song auf "Telegramm für X". "Manche sagen, das ganze Album sei beatlastiger als bisher", erzählt Xavier Naidoo bei der Vorstellung seines dritten Soloalbums im kleinen Kreis. "Das höre ich gern." Der 34-jährige Mannheimer, der in den letzten Jahren zum erfolgreichsten deutschen Sänger neben Herbert Grönemeyer geworden ist, sitzt selbst an den Reglern eines Mini-Mischpults und erläutert seine 14 neuen Songs, die am 25. November erscheinen.
Aber nicht nur die. Denn Naidoo hat für die Bonus-DVD zum Album gut zwei Stunden Hintergrund-Filmmaterial und bereits zu acht Liedern vollwertige Video-Clips produzieren lassen. Und die flimmern jetzt über den Monitor: Bilder aus Südafrika, von ausgetrockneten Salzseen, Straßen-Szenerien oder einem Familienfest. "Das haben wir wirklich bei meiner Verwandtschaft in Kapstadt gedreht", erzählt Naidoo, der in diesem Video zur Ballade "Zeilen aus Gold" in mehrere Rollen schlüpft. "Als alte Frau haben mich sogar meine Tanten nicht erkannt."
Daneben liefert "Seelenheil" die stärksten Bilder: Steffen Wink spielt einen Angestellten, der sich auf einen Amoklauf vorbereitet, und dem ein von Naidoo verkörperter Autodieb in die Quere bekommt - beobachtet von einem älteren Herrn mit Bart (ebenfalls Naidoo). Der von einem flackernden Beat und einer fragilen Keyboard-Figur getragene Song setzt bei dieser Session das erste dicke Ausrufezeichen.
Als zweite Single wird "Bist du am Leben interessiert" favorisiert, bei dem Tone den aggressiven Unterton verschärft. Der Frankfurter Rapper ist zusammen mit den anderen Fourtress-Mitgliedern Billy Davis und Bintia auch auf "Abgrund" zu hören, das inhaltlich die Fortsetzung von "Wenn ich schon Kinder hätte" sein könnte. "Das passt zu dem, was Roland Koch gerade über Deutschland als Konkursfall gesagt hat", meint Naidoo, der mit dem Lied den Wunsch verbindet, "dass wir Deutsche aufhören, über alles zu schimpfen".
Söhne-Mannheims-Fans werden beim Clip zum Schlussstück des Albums "Was wir alleine nicht schaffen" feuchte Augen bekommen: "Das ist meine Hommage an die Jungs", sagt der Frontmann der Mammutband über diese anrührende Ballade, der vielleicht wirkungsvollsten langsamen Nummer auf "Telegramm für X", die mit privaten Backstage-Szenen illustriert ist. "Ich kann das jedem Kollegen nur empfehlen, alle möglichen Videos am Stück zu drehen. An dem Konzept halte ich auf jeden Fall fest", sagt Naidoo zu dieser bisher einzigartigen visuellen Breitseite. Das Verfahren spare Zeit "und man kann mit den Produktionsfirmen ganz anders verhandeln." Was die acht Clips, von denen vier in Südafrika entstanden, gekostet haben, wollte der Sänger nicht verraten. Als einzigen Nachteil dieser optischen Offensive sieht er die Gefahr, "dass die Hörer vielleicht ihre eigenen Bilder zu den Texten verlieren. Das wäre schade."
Während sich die acht bebilderten Songs überwiegend im Naidoo-typischen Midtempo-Balladenstil bewegen, ziehen die sechs anderen Nummern durchaus andere Saiten auf: Das vom Söhne-DJ Davis produzierte "Sie sind nicht dafür" holt seine Soul-Energie aus einem gewaltigen Basslauf. Der Abräumer der Listening-Session ist "Du bist wie ein Segen", eine fast perfekte Mischung aus Underground und Pop, das irrlichternde Drum & Bass-Sounds mit den Ingredienzen des klassisch gewordenen Naidoo-R&B kreuzt. "Ich bin ja ein großer Drum & Bass-Liebhaber und würde nur zu gerne mal ein ganzes Album daraus machen. Aber das wird nicht so verstanden in Deutschland", meint Naidoo.
Auch die Hip-Hop-dominierten Songs "Wo komme ich her" - mit den Gästen Jonesmann, Pal One und Scratch, der als die beste "Human Beatbox" der Welt gilt - und "In deine Hände" mit Danny Fresh von der Popakademie fallen auf. Letzteres ist übrigens einer der ungewohnt wenigen Titel, die das Thema Glauben explizit in den Vordergrund rücken. Für eine seriöse Bewertung reicht das einmalige Hören bei dieser Session natürlich nicht aus, zumal Naidoos Hits häufig ganz extreme Beispiele dafür geliefert haben, welche Hörkarrieren Songs mit der Zeit machen können. Das geht ihrem Verfasser oft nicht anders: "Manche Lieder höre ich seit dreieinhalb Jahren im Auto. Und jetzt sind sie erst reif."
Eine interessante Neuerung im Kreativbereich ist, dass 10 der 14 Lieder von Philippe van Eecke mitkomponiert und produziert worden sind - darunter auch die erste Single "Dieser Weg". Der 34-jährige Mannheimer bewegt sich seit über sechs Jahren im Naidoo-Umfeld und hatte schon zu "Zwischenspiel/Alles für den Herrn" (2002) einiges beigetragen. "Philippe ist einer der größten Tüftler, die ich kenne", schwärmt Naidoo, der ansonsten drei Tracks mit seinem Kompagnon Michael Herberger und einen mit Billy Davis geschrieben hat.
© Mannheimer Morgen - 29.10.2005
Quelle: www.morgenweb.de
"die Mundart is en geile Beat, wie Dynamit so explosiv..." (Christian "Chako" Habekost - "2 Mann und Xavier Naidoo")
|
|