4you
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Erstellt: 16.12.05, 08:19 Betreff: Re: interviews und presseberichte |
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Warum nicht Preise für alle Einsender? Es sind doch nur 136 (bei x-tausend Fans)! Ansonsten bin ich auch füreine Auslosung.
Meinungs- und Pressefreiheit hoch 3:
Sag mir, wo die Seele ist HipHop ist globalisiert, der Soul verschwindet - ein Lexikon aus Mannheim betreibt liebevolle Pflege des Erbes VON KLAUS WALTER
Wer Schuld an den brennenden Banlieues hat, ist ja nun bekannt: der HipHop mit seinen "rassistischen und gewaltverherrlichenden Botschaften" war's. Das zumindest haben französische Parlamentarier behauptet. Gleichzeitig fordern deutsche Politiker juristische Schritte gegen Rapper aus dem Berliner Aggro-Label, weil sie deren Texte für jugendgefährdend halten. Der Aggro-Berlin-Rapper Fler zum Beispiel setzt auf die nationale Karte. "Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz", verkündet er mit Pitbull-Charme und stellt klar: "Bis aufs Blut bin ich ein deutscher MC".
Vielleicht sollte er sich lieber einen deutschen MZ nennen. MC ist nämlich amerikanisch und steht für Master Of Ceremony.
Was lernen wir daraus? Dass Politiker gerne Ursache und Wirkung verwechseln und sich ratlosen Eltern mit Haudraufparolen anbiedern, ist nichts Neues. Dass sich stolze Arier der afroamerikanischen Kunstform HipHop bemächtigen, um echt deutschen Rap zu machen, ist neu, war aber nur eine Frage der Zeit. Interessanter an der Quersumme dieser News ist die Abwesenheit von Soul. Und die Tatsache, dass Soul in diesen News gar nicht vermisst wird. Die Arisierung von HipHop ist der vorläufige Höhepunkt einer schleichenden kulturellen Auslöschung, die sich aus zwei destruktiven Quellen speist: Amnesie und Exorzismus.
Amnesie: schon vergessen? HipHop ist entstanden in den Inner Cities der USA, deren Blues schwarze Frauen und Männer sangen, von Marvin Gaye bis Gil Scott-Heron. Raps verdanken ihre suggestive Kraft oft genug musikalischen Vorlagen aus der reichen Geschichte der Soulmusic.
Exorzismus: HipHop ist ein ebenso erdumspannendes wie branchenübergreifendes Geschäft. Folglich wäre es geschäftsschädigend, die Geldmaschine HipHop für immer an ihren afroamerikanischen Wurzeln festzubinden. Warum sich auf die Klientel einer einzigen ethnischen Minderheit beschränken, wenn man jeder Nation ihren eigenen HipHop verkaufen kann? Zu diesem Zweck muss die Erinnerung an Soul ausgelöscht werden, der Geist von Soul ausgetrieben. Also hat sich im Zuge der fortwährenden Aufmischung von Lebensbedingungen, die Globalisierung zu nennen wir uns ergeben haben, der HipHop vom Soul entkoppelt. Apokalyptiker würden sagen: HipHop hat sich seiner Seele beraubt. Zurück in die Nische
Wie viele Künste, die einst alle angingen, geht der Soul jetzt nur noch wenige an und geht zurück in die Nische. Damit verliert Soul seine Existenzbedingung - den Massenappeal, den er ironischerweise der bis in die Neunziger ungebrochenen angloamerikanischen Pop-Hegemonie verdankte.
Soul wird nur Soul, wenn er relevante Seelenmassen erreicht, wie einst Aretha Franklin und Diana Ross. Stattdessen wird er heute von Subkulturen und Kennerkreisen gehegt wie ein kostbares Gemälde, von dem die Farbe abblättert.
Im Mutterland spaltete sich die Soulgeschichte gegen Ende des letzten Jahrhunderts in HipHop und R&B. Das Kürzel R&B kommt zwar von Rhythm & Blues, steht aber heute für hiphop-kompatiblen Hi-Tech-Pop, den sich schwarze wie weiße Frauen auf den Leib produzieren lassen, Mariah Carey wie Britney Spears, Mary J.Blige wie Christina Aguilera. R&B ist nämlich eine Frauendomäne. Während im Soul Männer und Frauen -oft auch miteinander - sangen, hat sich in den Nachfolgegenres eine Arbeitsteilung der Geschlechter etabliert: Frauen singen, Männer rappen. Bis auf wenige Ausnahmen ist der männliche R&B-Sänger in den USA ausgestorben, vermutlich gilt Singen in der Testosteron-Zone HipHop als unmännlich.
Über die Liebe von Seelen und Körpern wurde im schwarzen Pop immer gesungen, zur Hochzeit des Soul gab es allerdings auch Welthits von politischem und gesellschaftlichem Gewicht, von "Respect" und "What's goin'on" bis "Sign of the times" von Prince. Auch hier fand eine Spaltung statt: politischer Rap und problembewusster Postsoul führen eine Nischenexistenz, die Charts sind Schauplatz von Verteilungskämpfen unter selbststilisierten Gangstern und hart kalkulierenden Sex-Arbeiterinnen.
Mitten hinein in diese Aporien kommt ein Soullexikon ausgerechnet aus einer Stadt, die für eine besonders grässliche Schwundstufe von Soul steht: der Soul ist ein Retter aus Deutschland. Mannheimer Schwundstufe
Aus Mannheim kommt nämlich der Mann, der den Retter im Namen führt. Xavier, gesprochen Saviour, rettet suchende Seelen aus der Sinnkrise, indem er ihnen das Beste aus Bibel, Buddha, Bin-Laden und Bin-Betroffenbesoffen um die Ohren schmalzt, wie deutsche Einheitsradios "Das Beste aus den 80ern, 90ern und von heute" - inklusive Xavier Naidoo. Die frömmelnde Du-bist- Deutschland-Lebertrantüte hat ihre Produktpalette mit einem geklonten Haufen seiner selbst erweitert: Den Söhnen Mannheims, die übrigens beweisen, dass Frauen die besseren Menschen sind. Keine Tochter dabei. Xavier Naidoo aber blockiert zur Zeit mit seiner neuen Solo-Platte Telegramm für X gnadenlos die Spitze der deutschen Albumcharts.
Womöglich haben die Mannheimer Verbrechen am Soul die Mannheimer Stefan Hoffmann und Karsten Tomnitz dazu gebracht, sich mit einer Fleißarbeit beim Soul zu entschuldigen. Ihr Buch Rare Soul - Das Who is Who der Soul Ära ist der Versuch bekennender Fans, die disparate Geschichte einer hybriden Gattung im alphabetischen Raster zu erzählen. "Mainstream-Soul-Lexika gibt es auf dem angloamerikanischen Markt genug, aber Rare Soul, Northern, Modern, Sweet und Two Step finden da nicht statt. Diese Lücke wollten wir schließen und einen Kanon der beliebten Rare-Soul-Stücke abbilden", sagt Hoffmann. Zwischen "rar" und "Kanon" sehen sie keinen Widerspruch. Rare Soul habe sich als "Sammelbezeichnung für alle Genres und Lieblingsplatten der Soulsubkultur durchgesetzt." Die Soulsubkultur arbeitet akribisch an der Kanonisierung ihrer ästhetischen Neigungen: Kaum eine andere Szene kennt einen so strengen Stilkodex wie gealterte Mods, die sich Woche für Woche in zu eng gewordene Anzüge zwängen, um zu den selben ultrararen Stompern von obskuren Labels zu tanzen. Vom analen Sammlerwahn der Soulbuchhalterkaste sind die Rare-Soul-Autoren aber nicht befallen. Sie misstrauen den falschen Zuschreibungen, die immer lauern, wenn weiße Europäer sich für schwarze Kunst begeistern. Und sie folgen nicht der Verfallslogik, die sich aufdrängt, wenn die Agonie des Soul beweint wird.
Dem "Kulturpessimismus" der Soulnostalgiker begegnen sie mit Skepsis, in diesen Kreisen wohlfeile Ressentiments gegen Disco und HipHop werden nicht bedient. Das wird den Puristen missfallen. Aber purer Soul, das ist der ihm innewohnende Widerspruch, taugt ja nicht für Puristen.
Rare Soul
Das Buch: Stefan Hoffmann, Karsten Tomnitz: Rare Soul - Das Who is Who der Soul Ära (Ventil Verlag), 14,90 Euro. Musiktipp: Funk-Altmeister George Clinton: How late do U have 2BB4UR Absent (Groove Attack), mit einem großartigen Prince als Gaststar. fr
no comment!!!!
Und wenn Du nicht mehr stauenen kannst, tust Du mir leid Dann hast Du keine Chance mehr Und wenn Du nicht mehr fühlen kannst ist es vorbei, dann bleibst Du ewig leer...
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