KerstinB
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Erstellt: 22.04.08, 22:16 Betreff: Re: DsdS |
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Wenn jemand Fernsehformate sprengt: Thomas Godoj und die DSDS-Maschine Michael Freitag. Medien/Kommentar: In der samstäglichen TV-Dauer-Werbepause zappst Du Dich flink durch die Schwachmatenprogramme, rückst die Schüssel mit den Gürkchen zurecht, Fernsehabend und nix zu sehen. DSDS (Dumme Schüler im Didä-Medienmixer) – bäh, weiter … und während der Finger über der Neun auf der Fernbedienung schwebt, fängt da jemand an zu singen.
„Shadow Of the Day" von Linkin Park gesungen von Thomas Godoj - laut Einblendung, denn es klingt besser als im Original. Nach wenigen Sekunden ist eine Frage klar: Was hat dieser echte Typ in einer solchen Sendung verloren?
Thomas Godoj singt „Shadow Of the Day" von Linkin Park (bei Youtube)
http://de.youtube.com/watch?v=dN6evEksYvY&feature=related
Niemand schaute nach der letzten Staffel noch wirklich bei DSDS interessiert zu (was bei fast 19 Prozent Marktanteil eigentlich gelogen ist – aber wer zählt das und wie?), zumindest wollte es keiner mehr zugeben – jaja, Fernseher zu Hause wegen der Nachrichten. Nach dem „Sieg" Mark Medlocks und sein musikalischer Abstieg in die seichte Bohlen-Zone, längst verblasste Erinnerungen an die vorherigen Gewinner, der rüde Crash mit Max Buskohl – dem deutlichen Zugpferd der letzten Staffel und vor allem das zunehmend demütigende Geplapper des Europoppers Bohlen, hatte die Stars-Show bei vernunftbegabten Menschen schwer in Schlagseite gebracht.
Im Grunde widerlich, wie hier mit jungen, oft nur mäßig begabten Talenten umgegangen wurde und wird – Kamera an, fremde Lieder zersingen lassen, anschließend kreative Beschimpfung und die finale Abschiebung durch das teuer votende Publikum – DSDS stand für das so genannte Unterschichten-TV schlimmster Sorte. Einige Kandidaten taugten besser, andere schlechter zum Watschenmann und Pausenclown – allen war aber die Aufgabe irgendwie zugedacht – Quoten-Prostitution für den Jugendtraum vieler Jugendlicher: Musiker sein und Geld damit verdienen.
DSDS hat schlicht (Quoten)Schwein gehabt, als Bohlen sich im Casting in einer ungeheuerlichen Arroganz seine Meinung zum arbeitslosen technischen Zeichner Godoj zum Besten gab, ihm jedoch zumindest gering begeistert einen Fahrschein in den Recall gab. Was er da vor sich stehen sah, konnte der „Popgigant" aufgrund seiner ganzen Haltung zum Leben nicht erkennen – ein Talent, wie noch in keiner Staffel vorher. Wen er da mit dem Spruch „wie einer, dem schon dreimal der Sargdeckel auf den Kopf gefallen ist", versuchte zu erniedrigen, ist ihm jetzt in jeder Sendung aufs neue klar – jemand, der mehr Gesangstalent im kleinen Finger hat, als der ganze Bohlen in all den teils unerträglichen Jahren.
Thomas Godoj - ehrlich, gradlinig, "ohne Plan B" neben der Musik und mit einem Grinsen, das mittlerweile die Foren mit Liebesbezeugungen überquellen lässt. Last but not least - eine Stimme, die trotz Erkältung eben besser ist als die Bono..s (U2) mit seinem direktem Liveton-Nachmix bei den Auftritten. Irgendwo in der Nähe von Ville Valo (HIM), dem er im Auftreten nicht unähnlich ist und eben Bono, bewegt er wie selbstverständlich die Herzen. Ein überaus ernst zu nehmenden Musiker mit jahrelanger Bühnenerfahrung in Bands wie Wink und Tonk! (ohne Playback, Herr Bohlen) und vor allem: ein Typ, aus dem die Frauenträume gemacht sind – die echten.
Dabei hat Thomas Godoj mit seiner Band auch vor seiner Teilnahme selber alles ganz gut gemacht – Wink war bereits auf der Soundwave Tour einer großen Getränkemarke am Start und begeisterte die Hallen – zum Durchbruch hat es aber wie bei vielen guten Musikern nie gereicht. Was er aber scheinbar mehr als gut verstanden hat – versuch neben den unerlässlichen Details Dein Privatleben aus dem Job rauszulassen.
Aber was ist ein Star eigentlich? Jemand, der für viele Normale den Traum auslebt, mit Musik Geld zu verdienen, geliebt zu werden und Anerkennung für Kreativität und Können mittels rammelvoller Konzerthallen gleich säckeweise mit nach Hause nehmen zu dürfen. Hier ist jemand, der genau dies unaufgeregt tut, jede Nummer, die ihm die Jury zuteilt, zu seiner eigenen macht und sich frei singt, sobald die ersten Sekunden der Aufregung vorüber sind. Dabei ist es fast mit Händen zu greifen, dass dies seine Chance ist, dem Leben als Ausfahrer von Medikamenten und 2,5-jähriger Arbeitslosigkeit zu entkommen. Er kniet förmlich in jedem seiner fast immer getroffenen Töne, während die Fans zu seinen Füßen liegen. Die Dramaturgie stimmt in dieser Staffel wieder, solang Thomas Godoj nicht den Buskohl macht und hinschmeißt.
Wünschen wir Thomas Godoj den zweiten Platz und dass Papa Bohlen ihn in Ruhe lässt – es käme einer Vergewaltigung gleich, wenn dieser Ausnahmerocker in die Hände der 90er-Jahre Popper im Umfeld des Geld-gegen-Flachmusik-Produzenten Didä fällt.
Zumindest kann man beim Jurymitglied Andreas „Bär" Läsker (Mitbegründer von Four Music, Fanta 4-Entdecker und heutiges Management der Leipziger „Die Prinzen") schon die Dollarzeichen im Auge blitzen sehen, wenn er nach dem Linkin Park Cover-Song in die Halle schreit: „Ich weiß nicht, auf wen ich stolzer sein soll. Ich hab den Song so geil rausgesucht. Das haben wir echt gut gemacht, wir Beiden." Die Schlacht um Verträge und Zukunftsaussichten des 30-Jährigen scheint begonnen zu haben, während er sichtlich um seine Qualität wissend, beim Song „I still haven't found what I'm looking for" (U2) seiner Mutter die Hand schüttelt, lacht und den Text vergisst. Völlig egal - das Publikum rastet nach dem letzten Ton komplett aus, als ob sie beim Rock am Ring wären.
Und so hat der Sänger aus Recklinghausen nichts und doch alles zu verlieren. Er hat bereits jetzt einen Ruf, welcher beginnt, das Format DSDS zu sprengen und dessen Herr er nach dem wahrscheinlichen Gewinn der Staffel möglichst bleiben sollte. Eigene Band, eigene Identität und vor allem – vernünftige Texte und Kompositionen – umsetzen kann es dieser Newcomer schon jetzt professioneller als viele seiner Kollegen.
Denn obwohl es sich wirklich empfiehlt, solche Formate wie DSDS tot zu ingnorieren – für einen hoffentlich bald mit einer vernünftigen Band tourenden Thomas Godoj ist es legitim, ein Wort der Achtung auf den staubigen Bühnenboden zu werfen.
Kommenden Samstag, 26. April, ist für wenigstens 3,5 Minuten der RockenTöneLive-Sender im Terminkalender einbetoniert – wenn Thomas Godoj on stage die Konkurrenten deklassiert und man Dieter Bohlen danach beim Verbeugen vor echtem Talent beobachten kann.
Die Quote dürfte dann bei den 14- bis 49-Jährigen deutlich über 35 Prozent, also weit jenseits der Sechs-Millionen-Grenze in der werberelevanten Zielgruppe liegen – Thomas sei Dank, da hat auch Dieter gut lachen.
quelle: leipziger internet zeitung
____________________ "Try to get away for good Leaving on a train Find that all that matters to me Blew away with the wind"
[editiert: 22.04.08, 22:22 von KerstinB]
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