Irina
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Erstellt: 09.07.10, 22:06 Betreff: Re: WM 2010 |
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Löws Jungs nach dem Halbfinal-Aus
Der Kater nach dem Fest
Von Jan Christian Müller
Mesut Özil schlich wie ein mehrfach unbarmherzig windelweich geprügelter Hund aus der Kabine, mit einem stummen Kopfschütteln an den Mikrofonen vorbei zum Mannschaftsbus. Sami Khedira folgte Özil auf dem Fuß, wortlos mit starrem Blick nach vorn. Manuel Neuer machte immerhin kurz Halt und sagte ´was von: "Enttäuschung sehr groß", "klar verdient verloren", "Mut gefehlt". Gute Worte nach einem schlechten Spiel.
Bald folgte Toni Kroos und erklärte, wieso er, bald nach seiner Einwechslung schon, die beste deutsche Chance vergeben hatte: "Der Ball springt kurz vorher noch mal auf, er war schwierig zu nehmen, ich konnte eigentlich nur meinen Fuß gegenhalten." Der viel zu brave Schuss konnte von Iker Casillas in der 69. Minute leicht entschärft werden. Es wäre das 1:0 gewesen. Vier Minuten später rammte der gänzlich unbeachtete Carles Puyol den Ball mit zehn Metern freiem Anlauf per Kopf ins deutsche Tor. "Puyol ist von Spanien einer der wenigen kopfballstarken Spieler", ärgerte sich Kroos noch, ehe er davonschlappte in die Dunkelheit.
Es machte die Enttäuschung der deutschen Spieler noch ein Stück gewaltiger, dass ihnen von den gewieften Spaniern auch noch die Lufthoheit genommen worden war. "Da muss natürlich ein Mann bei Puyol stehen", rüffelte Neuer die krass versagende Raumdeckung bei gegnerischen Ecken. Philipp Lahm pflichtete dem guten deutschen Torwart bei: "Wir haben schon lange bei Standards kein Gegentor mehr bekommen, umso ärgerlicher, dass das diesmal passiert ist."
Aber es waren nicht nur die entscheidenden Szenen, die die "beste Mannschaft der Welt" (Bastian Schweinsteiger) für sich entschied. Es waren viele, viele kleine Begebenheiten, es war die Ordnung der Spanier mit und ohne Ball, die den am Ende ebenso verzweifelt wie chancenlos anrennenden Deutschen die Luft abschnürte. "Man muss den Spaniern ein Kompliment machen", sagte Miroslav Klose leise, "sie haben zur richtigen Zeit ihr bestes Spiel gemacht. Und haben verdient gewonnen." In der Kabine, erinnerte sich Klose noch, sei "Stille" gewesen.
Man merkte allen deutschen Spielern unten im Bauch des Stadions von Durban ihre Ernüchterung darüber an, wie groß der Abstand zum Europameister auch zwei Jahre nach dem ganz ähnlich chancenlos verloren gegangenen EM-Finale geblieben ist. So groß, dass die im Würgegriff des hochüberlegenen Gegners ohne Mumm Fußball spielenden Deutschen noch nicht einmal eine robuste Zweikampfführung zeigen konnten. Es gab keine einzige Gelbe Karte in diesem seltsam undramatisch endenden WM-Halbfinale und nur 16 auf beide Seiten fast gleichmäßig verteilte Fouls.
Die Deutschen kamen in diesem Hase-und-Igel-Spiel nämlich gar nicht erst zu Zweikämpfen, der Ball war immer schon weg. Und nach vorn fehlte dann ohne Thomas Müller und den fast unsichtbaren Mesut Özil Kraft und Mut für scharfe Konter. "Wir mussten sehr viel hinterherlaufen, um die Löcher zu schließen", erklärte Klose und ruckelte mit seinem Ziehköfferchen hin und wieder her, "man läuft vom einen zum nächsten, und wenn man dann mal in Ballbesitz kommt, hat man nicht die Frische. Das war ausschlaggebend."
Beim letzten hohen Ball von Mesut Özil in der dritten Minute der Nachspielzeit war der fast zwei Meter große Per Mertesacker in Mittelstürmerposition, hoffnungslos umzingelt von drei Spaniern, gar nicht mehr hoch gekommen. Noch eine Viertelstunde nach dem Abpfiff saß der Lange neben Manager Oliver Bierhoff auf der Ersatzbank, mental und körperlich völlig ausgelaugt. Später rang der Turm in der ungleichen Schlacht nach Worten und fand dann doch sehr passende: "Wir haben es wieder nicht geschafft, zum richtigen Zeitpunkt unsere Leistung abzurufen." Wie 2006 im Halbfinale von Dortmund gegen Italien, wie 2008 im EM-Endspiel von Wien gegen Spanien, so gelang es Deutschland auch jetzt wieder nicht, sich mehr als eine einzige klare Torchance zu erarbeiten. "Wir sind ans Limit gestoßen", sah Mertesacker ein.
Das Limit geben auch im Jahr 2010 noch die Spanier vor, deren Trainer es sich leisten kann, einen perfekten Mittelfeldspieler wie Cesc Fabregas nicht ein einziges Mal während dieser WM in die Startelf zu nominieren. Soweit ist Deutschland noch nicht. "Aber", bedeutete Lukas Podolski tapfer, "wir brauchen uns um die Zukunft keine Sorgen zu machen." Jedenfalls dann nicht, wenn Joachim Löw bereit sein sollte, seine Mission nicht auf schon erstaunlich weit fortgeschrittener Wegstrecke jäh zu beenden. "Ich hoffe, dass er in den nächsten Tagen seinen Vertrag verlängert", sagte Podolski, und ganz ähnlich äußerten sich alle anderen, die man fragte. Miro Klose zum Beispiel, der Löw ein Vorbild sein will und es dabei sogar schaffte, den Frust der Nacht von Durban mit einem Witzchen zu überspielen: "Ich bin weiter dabei, ich bin ja erst 32."
Hör nicht auf für das zu Leben an was Du glaubst - Glaub an Dich!
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