Sarali erzählt von der letzen Nacht und mit jedem Wort springen ihr neue Bilder davon in den Verstand. Mit der Zigarette im Mund und den Armen verschränkt hört Todd aufmerksam zu. Doch fällt es ihm nicht leicht, seine Konzentration auf Sarali zu richten, denn das Ehepaar zwei Stockwerke über ihnen wirft sich gegenseitig im immer lauter werdenden Ton Flüche um die Ohren. Geschirr scheppert und dumpfe Schläge sind zu hören.
Er hasst diese Gegend und glaubt nicht wirklich sich jemals daran gewöhnen zu können, egal wie lange er hier schon lebt und noch leben wird.
Sarali erzählt von allen und Todds Blick ruht auf ihren Augen. Er kennt dies irgendwo her…
Er hat selbst nur von gehört, von dem Clan des Tiers, die mit dem Alter immer mehr animalische Züge annehmen. Mit jeder Raserei bricht das Tier in ihnen hervor und manifestiert sich für die Ewigkeit. Ist sie auch einer der Gangrel? Ihre Fingernägel, die Geschichte über die Krallen und ihre Augen sprechen deutlich dafür. Doch wer soll ihr Erzeuger sein? Todd traf bislang noch keinen Gangrel und wüsste auch von keinem, der in dieser Domäne lebt.
Er versucht ihr zuzuhören, doch schweifen seine Gedanken immer mehr ab. Er sieht die junge Walker vor sich und es fällt ihm immer noch schwer zu akzeptieren, was passierte.
Die Methoden der Camarilla werden mit jeder Nacht härter. Letzte Nacht wurden zwei Vampire von ihrer Justiz ausgelöscht. Eins davon war ein Küken wie Sarali. Sie müssen vorsichtig sein, wer von ihr erfährt.
Er spielt mit dem Gedanken ihr von der letzen Nacht zu erzählen, doch beschließt es zu lassen. Sie hat schon mit genug Dingen zu kämpfen. Wenn sie wüsste, dass sie ein Bruch der Gesetze ist… Nein.
Als sie fertig ist, mit erzählen, nickt er nur knapp.
„Ich bin mir nicht sicher“ fängt er an „aber wie es aussieht kommen deine körperlichen Veränderungen mit dem Ausbruch des Tiers. Pass auf, Walker… Versuch dich unter Kontrolle zu haben.“
Das sagt der richtige. Allein sie als Vampir zu sehen trieb ihn an den Rand der Raserei. Wie muss sie sich da erst fühlen?
Doch wenn sie wirklich einer der Tiere ist, sollte sie mehr denn je darauf achten, das Tier zu kontrollieren. Er würde ihr vorerst nichts von dem erzählen, was er über die Gangrel weiß. Es würde alles zuviel werden und sie soll erstmal mit der Vampirwerdung fertig werden.
Sie muss lernen zu überleben und unterzutauchen. Sie muss für sich allein kämpfen können.
„Ich will es nicht schön reden.“ Wieder denkt er an die letzte Nacht. „Das sind die wohl beschissensten Nächte um Vampir zu werden. Du kannst niemandem vertrauen. Niemanden außer dir. Es wird Zeit, dass du für dich selbst sorgen kannst in einer Welt voller Monster.“
Sagt er da wirklich etwas Neues? War es in ihrem Leben bisher anders?
Sie war schon immer von Monstren umgeben. Ihre Eltern, Zuhälter und andere Kriminelle. Ihr ganzes Leben war doch ein Kampf ums Überleben. Sie wusste für sich selbst zu sorgen.
Doch nun wichen die mehr symbolischen Monstren und machten Platz für wahre Monster.
Wächst das alles über sie hinaus? Ist es das schon längst?
Es fühlt sich an, als wäre man verloren.
Todd geht einige Stufen der rostigen Treppe hinauf.
„Komm, ich werd dir einen Crashkurs in Sachen Kampf geben. Lass uns sehen, was in dir steckt.“
Trotz all den Umständen – und besonders dem wahrscheinlichen Erbe von Sarali – ist er gespannt, wie sich das Blut der Kainskinder in ihr entwickelt. Wenn sie wirklich ein Gangrel ist, so denkt er sich, könnte sie auf lange Sicht nützlich sein. Während er die Treppe hoch geht schüttelt er den Kopf um den Gedanken loszuwerden, der Sarali eben als Objekt dastehen ließ.
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Du führst Selbstgespräche. Ich bin gar nicht da.