Das Metal der Feuertreppe klirrt unter den Schritten der beiden.
Sonst herrscht absolute Stille. Todd macht keine Anstalten auf Saralis Frage zu antworten. Und selbst das Ehepaar schweigt.
Die Stille ist erdrückend und der Weg nach oben scheint unendlich.
Zwei Treppen. Es kommt Sarali vor, wie eine Ewigkeit. Doch sie kommen grade an dem Fenster der Streitenden vorbei. Ein leises, kindliches Wimmern ist zu hören.
Eine graue Gasse. Der Himmel ist grau. Der Wind pfeift leise, das Metal klirrt und ein kleines Mädchen weint.
Trostlosigkeit.
Als sie oben ankommen, stellt sich Todd auf die Mitte des Daches und schaut in Richtung Innenstadt. Er hat Sarali den Rücken zugewandt und bindet seine Haare zu einem Zopf zusammen.
„Als Freund…“ fängt er an. Seine Stimme ist so leise, dass sie beinah vom Nachtwind verschluckt wird. „…würd’ ich sagen ‚Ja, mir kannst du vertrauen’. Aber ich werde nicht immer da sein und es besser du gewöhnst dich gleich an den Gedanken, allein zu sein.“
In seiner leisen Stimme liegt nur Härte. Wo ist das ganze Gerede von Freundschaft und Hilfe hin?
Etwas beschäftigt Todd und hält ihn fernab von diesem Ort. Etwas Schlimmes muss passiert sein. Die Luft ist erdrückend. Es ist kalt und dunkel und trostlos. Es schnürt einem die Kehle zu.
Jeder Schatten scheint im Augenwinkel zu lachen. Jeden Moment könnte etwas von hinten angreifen.
Du bist nicht allein… Von überall scheinen einen Augen anzustarren.
Sarali kennt dieses Gefühl. Sie erlebte es bei der Jagd. Als sie sich versteckte. Ihr Jäger war immer bei ihr. Hinter ihr, ja sogar neben ihr. Er wird sie finden.
Und so ist er auch jetzt hier. Sie spürt ihn genau. Sie kennt seine Präsenz und wird das Gefühl, gejagt zu werden, nie vergessen.
Es wird wohl ewig ein Teil von ihr bleiben.
Er könnte auf jedem Dach hier sein. Dieser Schatten. Dieser dunkle Fleck, der schon immer da war. Diese roten Augen.
Todd dreht sich zu ihr um.
„Du musst schneller denken, als dein Gegenüber. Kraft und Geschwindigkeit allein reichen nicht. Einen Mann trittst du in die Eier und er kippt um. Ein Vampir braucht mehr. Gerissenheit. Dunkelheit. Du musst wissen, wie du ungesehen bleibst, um zu überleben. Doch wenn du einen falschen Schritt machst…“
Seine Worte sind noch nicht verklungen, als er plötzlich nur noch eine verschwommene Gestalt seiner selbst ist.
Auf einmal packt etwas sie von hinten.
„Lauf.“ Sagte diese tiefe Stimme. „Lauf, wenn du leben willst!“
Todd umgreift Sarali von hinten und hält ihre Arme fest an ihren Körper gepresst.
Wie kam er so schnell dorthin? Eben sprach er noch mit ihr, und plötzlich, in nur einem Herzschlag, war er hinter ihr und hielt sie fest.
„Es ist Krieg, Walker. Und du bist mittendrin.“ Flüstert er in ihr Ohr und stößt sie nach vorne Weg.
Sie stolpert einige Schritte vorwärts.
Er steht einfach nur da. Durch seine Sonnebrille scheint er sie zu fixieren und zu warten, welchen Schritt sie als nächste tat. Er ist leicht in der Hocke und bereit, jeder Zeit loszurennen – oder zu springen. Die Gasse ist Dunkel und die schwachen Lampen des Clubs werfen Schatten in sein Gesicht. Das, und das lauernde Grinsen, verleihen ihm die Züge eines Raubtiers.
Sie weiß, ihr Jäger wird nicht zögern, sich zu nehmen, was er will, wenn sie nicht reagiert.
Lauf! Schreit eine Stimme in ihr.
Todd geht langsam einige Schritte auf Sarali zu. „Du musst lernen dass Blut zu nutzen. Angesichts der schlimmsten Bedrohung musst du die Ruhe bewahre und dich auf deine Fähigkeiten konzentrieren.“
Er steht direkt vor ihr.
Sie sieht ihr Spiegelbild in der Sonnebrille. Sie sieht Angst in ihren Augen.
Ihr Jäger hat sie eingeholt.
„Du hast mir Spaß gemacht, Sterbliche, aber nun ist die Jagd vorbei.“
Sein Spiel ist zu Ende.
Er legt den Kopf in den Nacken und breitet die Arme aus. Dann schnellt er vor und packt sie. Sie wehrt sich. Vergebens.
Sie hört wie etwas Kleines auf den Boden fällt. Dann wird ihr schwarz vor Augen. Das einzige, was diese Dunkelheit noch einen Atemzug lang durchbricht, ist das glühen seiner Augen. Dieser Moment sollte ihr letzter Atemzug sein.
Todd breitet die Arme aus.
„Schlag mich, Walker.“
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Du führst Selbstgespräche. Ich bin gar nicht da.