Es ist ein altes Theater am Rande der Innenstadt.
Im Wochenende wird es für kleinere Aufführungen bekannter und unbekannter Stücke, und in der Woche für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt. Es ist ein Ort für die kulturell anspruchsvolleren Gesellschaften. Doch an einigen Nächten dient es einem anderen Zwecke.
In diesen Nächten ist es ein Treffpunkt der Kainiten. Hier wird Verkündet und Geurteilt. Keine Debatten und Abstimmungen. Der Prinz allein hat das Wort und Widerspruch wird nicht geduldet.
Einer dieser Nächte ist heute.
Die Gesellschaft der Camarilla hat sich eingefunden, auf Wunsch des Prinzen. Und wie immer finden sich auch die führenden Stimmen der Anarchen hier wieder.
Leises Getuschel geht durch die Reihen und Spekulationen unterschiedlichster Art machen ihre Runden. Alle Blicken sind auf die Bühne gerichtet, deren Vorhänge verschlossen sind.
Auf einem Balkon sitzt der örtliche Regent der Tremere, wie immer versteckt hinter seiner Sonnenbrille und dem schwarzen Filzhut. Abseits der ‚hohen’ Vampire, am Rand der Sitze sitzen zwei Nosferatu, die keinen Grund sehen hier eine Maske zu tragen. Einer der Toreador – ein Kind des Hüters des Elysiums „Nocturnal“ – wirft den Kanalratten einen abwertenden Blick zu. Diese erwidern dies nur mit einem Grinsen, dass ihre krummen und verwachsenen Zähne preisgibt. In der vordersten Reihe findet sich örtliche Baron der Anarchen, Christoph Spencer, und sein Kind.
Die Nächte in der Stadt werden immer gefährlicher. Gerüchte vom Sabbat verunsichern die Clans der Camarilla und jeder behält die Anarchen im Augenwinkel. Umso beunruhigender ist es, dass ein Treffen in dem Theater veranstaltet wird.
Irgendetwas ist im Gange. Ein dunkler Schleier legt sich auf die Stadt und erdrückt die Kainskinder.
Dann wird es ruhig. Mit einmal gehen alle Lichter aus und die Bühne wird erhellt.
Es befindet sich keine Dekoration darauf. Beinah jedenfalls. Auf eine Folterbank, die in die Vertikale gedreht wurde, hängt ein junger Vampir. Er hat ein Stück Holz in der Brust stecken, das scheinbar sein Herz durchbohrte und ihn lähmt. Daneben liegt eine Leiche deren Verwesungsstadium schon fortgeschritten ist.
Rechts von dem Tisch steht der Sheriff des Prinzen. Bobo – ein Brujah ohne jegliches Gewissen. Und der Prinz - Edgar Moore.
Der Prinz trägt einen teuren Anzug über seinem dürren, kleinen Leib und hat die Arme verschränkt. Er bildet einen kompletten Kontrast zu der Jeans und Lederjacke des Muskelpaketes Bobo.
Der Prinz tritt einen Schritt vor.
„Verehrte Kainskinder meiner Domäne.“ Fängt er mit Kraftvoller Stimme an. „es sind schwere Zeit für uns und unsere Art. Gerüchte und Verrat ziehen sich durch unsere sonst so friedlichen Reihen und sorgen für immer mehr Unruhe.“ Während er spricht, geht der Prinz auf der Bühne auf und ab. Plötzlich bleibt er stehen und zeigt auf den Körper, der dort auf dem Boden liegt.
„Wir haben Gesetze in meiner Domäne. Und ich dulde keinen Bruch dieser. Doch dieser Neugeborene glaubte, er könne sich über mein Wort und meine Gunst stellen.“ Wieder tritt der Prinz einen Schritt vor und brüllt. „Ohne meinen Segen zu erhalten, zeugte dieser Vampir in einem ...Anfall von Egoismus ein Kind.“ Er schaut über die Schulter zu der Leiche und spricht leise und ruhig weiter. „Und dafür musste er zahlen.“
In den Reihen wird es unruhig. Der Anarchen-Baron erhebt seine Stimme: „Sind das die Methoden, der…“ Er wird unterbrochen, als sein Kind ihm auf die Schulter fasst und ernst ansieht.
„Wenn... Mister Spencer mich dann weiter machen lässt…“ fährt der Prinz ruhig fort und stellt sich neben den Foltertisch. Sein Schoßhund Bobo stellt sich auf die andere Seite.
„Ich kann einen Bruch der Traditionen nicht dulden. Und somit möchte ich hier und jetzt, vor allen Anwesenden, ein Exampel statuieren. Ein Zeugnis dafür, dass wir solch Verrat an die Camarilla nicht nur nicht dulden, sondern auch in solch Zeiten nicht gebrauchen wollen.“ Er nickt zu seinem Sheriff und dieser zieht dem jungen Vampir den Pflock aus der Brust.
Einen Moment wird dem Vampir gegönnt um sich seiner Situation bewusst zu werden, bevor der Sheriff hinter den Tisch greift. Er holt ein Schwert hervor und hält es dem Kainskind an die Kehle. Der Prinz beugt sich vor, hält das Kinn des Küken fest und flüstert: „Vergib mir…“ Dann trennt der Sheriff dem Vampir den Kopf ab.
Während der Tremere ruhig sitzen bleibt, schmunzelt der Hüter des Elysiums. Irgendwo aus einer dunklen Ecke hört man ein morbides Kichern, das einem Kleinkind gleicht.
Dann springt der Baron auf. „Du faschistisches Arschloch, ich werde dich…“
„Spence, nicht hier…“ flüstert sein Kind ruhig, nachdem er sich ebenfalls erhoben hatte. Der Baron schaut sein Kind an, dessen schwarze Haare teils vor seinem Gesicht hängen, und nickt. „Ja, du hast Recht, Todd…“
„Die Versammlung wäre damit beendet.“ Sagt der Prinz und das Licht der Bühne erlischt, während die Ausgänge beleuchtet werden.
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Du führst Selbstgespräche. Ich bin gar nicht da.