Retinoblastom - Forum

 
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Autor Beitrag
christina
Mitglied

Beiträge: 92

New PostErstellt: 10.01.04, 12:40     Betreff: Re: Suche Kontakt zu Betroffenen Antwort mit Zitat  

Technoline BC 700 Akku-Ladegerät sch...
Liebe Brita!

Vielen Dank für deine Email. Wenn ich kann, helfe ich euch gerne. Für einen
Austausch stehe ich auf jeden Fall jederzeit zur Verfügung.

Ich weiß nicht, wie genau du die Einträge im Forum gelesen hast und ob du
schon auf meine Erzählung von meinen Kindheitserinnerungen gestoßen bist
(die Erinnerungen, die die Zeit in Essen betreffen). Im Anschluss daran
findest du eine kleine Biografie von mir. Der Eintrag insgesamt heißt
"Erinnerungen eines RB-Kindes" und zugegeben, der literarische Text muss vor
allem für eine Mutter sehr erschreckend sein. Ich glaube, meine eigene
Mutter hatte immer die Hoffnung, dass ich, so klein wie ich damals war,
vieles vergessen würde. Dass aber diese frühen Kindheitserlebnisse auch so
viele Jahre später noch immer so präsent in meinem Gedächtnis sind und wohl
auch recht prägend für meine Persönlichkeit waren, hatte sie weggeschoben.
Ich glaube, es ist kein spezielles Problem von Kindern mit RB, sondern eine
allgemeine Erfahrung, die Kinder machen, die lange Klinikaufenthalte und
anstrengende, schmerzhafte und demütigende Untersuchungen über sich ergehen
lassen müssen. Als ich letzten Sommer "zu Besuch" in der Uni-Klinik in Essen
war (sozusagen um mich meiner Vergangenheit zu stellen), habe ich das ganz
deutlich erlebt: Diese Kinder, die dort auf der Kinderstation liegen, sind
alles kleine Erwachsene, die viel zu früh erleben, wie schwer das Überleben
sein kann und dass sogar ihre Eltern sie nicht vor allen Gefahren beschützen
können, sondern genauso hilflos und verzweifelt sind wie sie. Als kleines
Kind - mit vier oder fünf Jahren - hatte ich das Gefühl, meine Mutter
trösten zu müssen, für sie stark sein zu müssen. Das geht vielen Kindern so,
wie ich gehört habe.
So lässt sich wohl auch die überdurchschnittliche Reife erklären, die du bei
deiner Tochter feststellst und die auch mir immer wieder bescheinigt wird.
Oft wird man durch solche Reife von den Altersgenossen ausgeschlossen bzw.
schließt sich selbst aus. Das hat nichts mit mangelnder Akzeptanz oder
eigener Unfähigkeit zu sozialen Kontakten zu tun. Ich habe oft einfach das
Gefühl, auf einem anderen Level zu denken, die Dinge um mich her manchmal
tiefer zu durchschauen als meine Altersgenossen. Da ist einfach ein
Vorsprung da, der in Kindergarten und Grundschule meist nicht so stark
auffällt, aber sich in der Pubertät und bei mir dann ganz stark in der
Oberstufe des Gymnasiums ausprägt. Teilweise kam ich mir durch diesen
Unterschied ausgeschlossen vor, konnte mit den Unterhaltungen und Interessen
der Altersgenossen nicht viel anfangen. Es war eine zeitlang sehr schwer für
mich, mich einfach anders zu fühlen als alle anderen. Mein größter Wunsch
war, in der Masse untertauchen zu können, nicht überall "bunter Hund" oder
eine Art "Wunderkind" zu sein, nicht immer so viel zu denken und so tief
blicken zu müssen, sondern auf einer Stufe mit den anderen zu stehen.
Dementsprechend hatte ich auch einfach Angst, ihnen zu zeigen, wer ich
wirklich war, das wusste ich selbst nicht so genau, aber wer weiß das schon
mit 14?
Inzwischen empfinde ich diese Reife als ein Geschenk. Es ist nicht immer
leicht zu tragen, aber ich würde es nicht zurückgeben wollen.

Das Problem mit RB-Kindern ist meines Emfpindens nach, dass, sobald die
regelmäßigen Behandlungen vorbei sind, alles verdrängt wird und die
Bearbeitung dieser Erlebnisse erst Jahre oder Jahrzehnte später folgt. Ich
war
unglaublich froh, als mir das zweite Auge entfernt wurde. Sehen konnte ich
nichts mehr, zumindest war mir der Unterschied von "vorher" und "nachher"
nicht bewusst. Wichtig war für mich die Gewissheit, dass ich nie wieder nach
Essen fahren musste und endlich in den Kindergarten gehen und den ganzen Tag
spielen konnte. Ich glaube, ich war im Alter deiner Tochter, als ich ab und
zu darüber nachdachte, wie es wäre, sehen zu können. Die eigentliche
Auseinandersetzung und Versuch einer Verarbeitung der Erlebnisse in Essen
kam aber viel später, begann vielleicht so mit 14 und fand dann bei mir sehr
stark in den letzten zweieinhalb Jahren statt.
Die Situation deiner Tochter ist etwas anders als meine, da sie ein Auge
behalten durfte und deshalb vielleicht andere Probleme haben wird als ich.
Trotzdem glaube ich schon, das ein Austausch hilfreich sein würde.
Von wem geht im Moment die Initiative aus? Beschäftigt sich deine Tochter im
Moment selbst viel mit ihrer Behinderung und ihrer überdurchschnittlichen
Sensibilität oder bist es eher du, die sie beobachtet und sich ihre Gedanken
darüber macht?
Wenn du willst, kannst du mir auch eine private Nachricht schreiben.

Herzliche Grüße

Christina
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