The Phantom's Rose

 
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Raoul
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New PostErstellt: 24.07.06, 18:06     Betreff: Re: The Phantom's Rose Antwort mit Zitat  

Raouls schnelle Schritte und sein keuchender Atem hallten laut in der Stille des düsteren Gewölbes nieder. Die steinerne Treppe schien ihm endlos und bei einem Blick über das Geländer hinab in die schwarze Tiefe der Katakomben wurde ihm schwindelig. Er war Madame Giry dankbar, dass sie ihm den Weg zum Versteck des Phantoms gezeigt hatte, doch er hatte sie kaum wahrgenommen. Zu laut dröhnten die Stimmen in seinem Kopf, zu widersprüchlich brodelten die Gefühle seit der Aufführung des Don Juan in ihm. Immer wieder schalt er sich selbst einen Narr, wie hatte er nur so achtlos sein können, sich von einem kurzen Anfall menschlichen Mitgefühls überwältigen zu lassen.
Und Mitgefühl für wen? Für den Mann, der ihm Christine genommen hatte, kaum dass er ihr nach Jahren endlich wieder begegnet war? Für einen entstellten Wahnsinnigen, der das Leben anderer Menschen kontrollierte, bestimmte und tötete, ohne mit der Wimper zu zucken? Raoul schüttelte den Kopf und bedauerte zum wiederholten Male, das Phantom nicht schon bei ihrem Duell auf dem Friedhof getötet zu haben. Er war kurz davor gewesen, doch etwas hatte ihn in allerletzter Sekunde zurück gehalten. War es wirklich Christines flehende Stimme gewesen? Oder war es der verwundbare Ausdruck in den Augen des Phantoms, der ihm heute Nacht auf der Bühne für einen kurzen Moment zum zweiten Mal begegnet war?
Und noch während die rasenden Stimmen in seinem Kopf eine Antwort auf diese Frage suchten, brach plötzlich der Boden unter Raouls Füßen weg und eisiges Wasser umfing ihn. Er verlor die Orientierung, fühlte sein Bewusstsein schwinden und nahm doch noch das verrostete Eisengitter wahr, dass sich scheinbar unaufhaltsam auf ihn niederzusenken drohte. Du Mörder, dachte er, du skrupelloser Bastard! Seine Wut und der Hass auf den Mann, für den er gerade wieder einen Anflug von Mitleid empfunden hatte, kamen heftiger zurück als je zuvor. Sie gaben ihm die Kraft, den Atem anzuhalten, unterzutauchen und die Mechanik umzukehren, die das Eisengitter hinabsenkte - und damit die Kraft, sich in letzter Sekunde wieder aus seinem wässernen Grab zu befreien, welches das Phantom ihm offenbar ohne jede Spur von menschlichem Mitgefühl geschaufelt hatte.





[editiert: 24.07.06, 18:08 von Raoul]
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