Nonamed Hero
Lehensherr 
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Erstellt: 11.08.04, 16:57 Betreff: Re: Halvar Lotus |
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[und weiter gehts]
5.Kapitel: Staub zu Staub
„Und wohin jetzt?“, fragte Halvar und sah sich ratlos um. „Ich würde vorschlagen in Richtung Süden nach Gorgon.“, meinte Kurin und blickte die Hauptstraße entlang. Halvar nickte und sie setzten sich in Bewegung. „Also dann, auf ins Reich des Wüstenkönigs.“ Sie verließen die prächtige Grenzstadt durch das Südtor und sofort schlug ihnen ein warmer Wind entgegen. Langsam stapften sie die Hauptstraße entlang und kamen nur schwerlich voran, da ihnen der Wind genau entgegen schlug. Plötzlich sah Halvar auf und fragte: „Was ist das dort vorne für eine Staubwolke? Es kommt mir vor als wäre ein gewaltiges Reiterheer auf dem Weg zu uns!“ „Das sind keine Reiter.“, erwiderter Kurin, „Da kommt ein Sandsturm. Wir sollten zusehen, dass wir es noch bis zu den Felsen dort vorne schaffen, denn ohne Deckung sind wir verloren.“ Eilig schlugen sie Die Mäntel fester zu und erhöhten ihr Tempo. Kaum hatten sie die Felsformation erreicht und sich in einer Schmalen spalte verkrochen tobte der Sturm auch schon über sie hinweg. Trotz des Unterschlupfes bekam Halvar seiner Meinung nach mehr Sand als genug ab. Als der Wind langsam wieder abebbte, standen sie auf und klopften sich den Staub aus den Kleidern. Nun ließ sich ihr Weg leichter fortsetzen, da der Wind nicht mehr so heftig war. „Woher weißt du eigentlich so viel über Gorgoron?“, wollte Halvar nach einiger Zeit wissen. „Als Kuriosität in einem Zigeunerlager kommt man viel herum Junge. Und auch als ich noch frei war. Sind doch wir Muhrckabar als Nomadenvolk erschaffen worden.“ Nach einer Weile näherte sich die Sonne dem Horizont und sie begannen im Schutz eines Dorngestrüpps ein Lager aufzuschlagen. Doch noch hatten sie eine Weile bis es vollends Nacht wurde und Halvar bekam seine erste Lehrstunde in Sachen Kampf. Für Kurin stellte sich der Junge als Naturtalent heraus. Es schien ihm beinahe, als wüsste er genau wie das Schwert auf jede Bewegung seiner Muskeln reagieren würde. Und auch im waffenlosen Kampf schien Halvar ihm leichtfüßiger, als er es je einem menschlichen Anfänger zugetraut hätte. Als sie sich schließlich müde von dem langen Tag auf ihr Lager niedersinken ließen, war Kurin mehr als zufrieden mit seinem neuen Schüler und prophezeite ihm eine große Zukunft. Am nächsten Morgen weckte Kurin Halvar noch vor Sonnenaufgang und sie setzten ihren Weg fort. Die Vegetation wurde von Wegstunde zu Wegstunde spärlicher und die Luft flirrender. Nur ein paar vereinzelte Felsen säumten den Weg und spendeten noch Schatten. Doch auch sie würden nach Kurins Meinung bald weniger werden. Mit einem Mal stoppte der Halbwolf und hielt Halvar zurück. Er kniff die Augen zusammen und schien in der Ferne etwas zu suchen. Halvar wollte etwas fragen, doch Kurin bedeutete ihm ruhig zu sein. „Wegelagerer...“, flüsterte er schließlich und deutete die Straße entlang, „Dort vorne zwischen den großen Felsen habe ich gerade einen von ihnen gesehen.“ Halvar wollte schon nach einem anderen Weg suchen doch Kurin hielt ihn abermals zurück. „Wir gehen weiter und tun so als hätten wir sich nicht bemerkt. Wir wissen nicht, ob sie es auf uns abgesehen haben und auf einen Hinterhalt sind wir allemal vorbereitet.“ Er setzte seinen Weg fort und ließ eine Hand langsam zu dem Kampfstab auf seinem Rücken gleiten. Halvar legte eine Hand auf den Schwertgriff und versuchte so ruhig wie möglich zu wirken, doch er merkte wie sehr seine Hand um den Knauf zitterte. Endlich hatten sie die Felsen erreicht, die sich wie zwei Türme zu beiden Seiten der Straße aufrichteten. Und da kamen sie auch schon. Der Erste kam wie ein Schatten zwischen den Steinen hervor und versperrte den beiden Wanderern den Rückweg. Zwei andere mit schweren Piken bewaffnet stellten sich vor ihnen in den Weg. „HALT!“, rief einer der beiden Pikeniere und richtete seine Stange auf Kurin. „Wer hier vorbei will muss einen Wegzoll entrichten!“ „Und wie soll dieser Wegzoll aussehen?“, fragte Kurin scheinbar überrascht. „Der Zoll ist entweder in Form eurer ganzen Habe oder eures Lebens zu entrichten.“, meinte der Räuber schief grinsend und wartete siegessicher eine Antwort ab. Kurins Gesichtsausdruck verfinsterte sich zusehends und Halvar, der dicht neben ihm stand spürte förmlich wie der Halbwolf jeden einzelnen Muskel anspannte. „An Gütern haben wir, wie ihr seht nicht viel...und an unserem Leben hängen wir zu sehr, als das wir es Gesinde wie euch überlassen würden.“ Der Pikenier schien nun doch die Geduld zu verlieren. Er stampfte mit der Pike voraus auf Kurin zu und schnaubte wütend: „Du wagst es so mit...“ Weiter kam er nicht. Denn in dem Moment als die Spitze seiner Stange in Kurins Reichweite kam, wirbelte dieser herum, schlug die Pike mit seinem Stab beiseite und setzte mit einem gewaltigen Sprung über die beiden Männer hinweg. Auf dem Boden aufgekommen ließ er seinen Stab knapp über den Staub fliegen und zog so beiden Angreifern die Beine weg. Halvar hatte es inzwischen mit jenem aufgenommen, welcher sich von hinten angeschlichen hatte. Scheinbar mühelos parierte er die ersten Schläge mit dem Krummsäbel, welchen der Räuber führte. Mit etwas Glück schaffte er es die Waffe seines Gegners zur Seite zu drücken, sprang dann ein Stück weit auf seinen Kontrahenten zu und schlug ihm krachend die Faust ins Gesicht, woraufhin dieser im Dreck landete. Mit dem Fuß schoss er das Krummschwert einige Meter weiter weg und richtete die eigene Schwertspitze auf die Kehle des Entwaffneten. Plötzlich vernahm er da ein leises Rauschen in der Luft und im selben Moment wurde er von irgend etwas umgerissen. So schnell er konnte raffte er sich auf und sah sich um. Im letzten Augenblick sah er wieder die Klinge auf sich zu kommen und schaffte es gerade noch sie so abzulenken, dass es nur seine Wange schrammte. Jetzt erst erblickte er den seltsamen Angreifer, welcher einem Vogel gleich durch die Luft glitt. Den dritten Anflug sah Halvar rechtzeitig kommen und schaffte es sich kurz bevor der Vogelmann ihn erreichte, nach hinten fallen zu lassen und sein Schwert nach oben zu reißen. Er spürte irgendetwas getroffen zu haben und als er sich aufrichtete, lag sein Gegner einige Meter weit entfernt wimmernd im Staub und hielt sich seinen Arm. Der Mann mit dem Krummschwert war inzwischen geflohen. Halvar sah sich nach Kurin um, doch dieser schien ebenfalls alles unter Kontrolle zu haben. Einer der beiden Pikeniere lag leblos auf dem Boden, der andere krümmte sich unter dem Stab den Kurin ihn mit seiner blutverschmierten Pranke auf die Brust drückte. Kurin kniete sich auf den Unterlegenen und setzte nun seine Krallen bei ihm an die Kehle. Halvar musste sich abwenden und vernahm nur noch den erstickten Schrei des Opfers. Dann wandte er sich dem Vogelmann zu. Dieser wälzte sich noch immer mit schmerzverzerrtem Gesicht im Staub und hielt sich seinen linken Arm. Halvar und Kurin standen über ihm und betrachteten den Besiegten. „Ein Surs, Vogelwesen, würdet ihr sie nennen.“, meinte Kurin und hob eines der beiden Kris auf, welches der Vogelmann benutzt hatte. „Ich kenne sie.“, erwiderte Halvar, „Ich meine...ich habe Geschichten über sie gehört. Aber müssten sie sich nicht als ehrbare Boten verdingen, anstatt als Diebe?“ „Ganz im Gegenteil. Nur jene dieses Volkes werden zwangsläufig Boten, wenn sie die Gabe des Schleichfluges nicht beherrschen. Alle anderen werden nur zu gern als Späher oder Attentäter eingesetzt.“ „Und was machen wir jetzt mit ihm?“ „Ich kann ihn gesund pflegen, wenn du das willst. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er uns dafür auch dankbar sein wird.“ „Ja, heile ihn, bitte. Ich möchte wenigstens wissen, was man sich in seinem Volk vom heiligen Lotus erzählt und warum er als kleiner Dieb in der Wüste leben muss.“ „Deine Neugierde ist nicht zu beneiden...“, murmelte Kurin schließlich und sammelte den Verletzten auf. Sie verbrachten die Nacht zwischen den Felsen und Kurin verband den verletzten Arm, und die Federn daran, mit einer speziellen Kräutermischung. Als Halvar am nächsten Morgen erwachte, erhob sich die Sonne gerade über die Dünen am Horizont. Kurin saß in einiger Entfernung auf einem Felsen und hielt Wache, Der Surs kauerte neben der Feuerstelle und hielt sich einen Arm. „Wie geht es euch?“, fragte Halvar und setzte sich auf. „Es ist zu ertragen.“, erwiderte der Vogelmann ohne aufzublicken. „Was auch immer euer Freund mit meinem Arm gemacht hat, es scheint zu helfen.“ Halvar nickte, kramte aus einem der Rucksäcke zwei Stück Dörrfleisch heraus und warf eines davon dem Surs zu. Dieser verschlang es gierig, so als hätte er seit Tagen nichts gegessen. „Danke, dass ihr mich am Leben gelassen habt.“, meinte er schließlich, als Halvar schweigend über seinem Frühstück saß. „Ohne meine Flügel bin ich völlig wertlos.“ - „Wertlos ist niemand. Und wenn er noch so schwach ist.“, erwiderte Halvar. Der Vogelmann lächelte: „Für euer junges Alter sprecht ihr ungewöhnlich weise, Mensch.“ - „Mein Name ist Halvar. Und der eure?“ - „Larcs nennt man mich. Sagt mir, warum habt ihr mich gerettet?“ - „Ich habe einige Fragen an euch, das ist alles.“ Der Surs überlegte kurz und meinte dann knapp: „Ihr glaubt, dass ich nun in eurer beider Schuld stehe, nicht wahr? Aber ist euch nicht bewusst, dass ich ein Leben als Dieb führe, ohne Reue und ohne Ehre? Jederzeit könnte ich euch in den Rücken fallen, schon eben, als ihr noch schliefet!“ - „Das wäre keine gute Idee. Ihr wäret eurer Lunge befreit, ehe ihr auch nur eine Feder gerührt hättet.“, knurrte Kurin, der sich nun wieder zu den anderen gesellte und drohte Larcs mit seiner Kralle. „Oh tapferer Halbwolf, es sieht euch ähnlich euren Gegner vor euch selbst zu warnen. Doch ist es mehr als seltsam einen eures Volkes mit einem jungen Menschen als Anhängsel durch die Wüste ziehen zu sehn.“ - „Er ist kein Anhängsel, sondern eher ein Schüler. Und viel mehr noch: Mein Freund.“ Der Surs lächelte undurchsichtig und lehnte sich zurück. „Also, Halvar. Ihr hattet Fragen an mich?“ Halvar sah auf. Während sich Larcs und Kurin stritten, war er in Gedanken versunken. „Ich...ja ich habe einige Fragen. Sehr viele sogar. Aber vorerst nur eine: Was hat euch in diese Wüste verschlagen? Und warum führt ihr solch ein karges Leben bei euren Fähigkeiten?“ - „Ihr solltet Zählen lernen, Mensch. Das waren gleich zwei Fragen. Aber gut ich will es euch verraten. Nun ist genug Zeit vergangen um diese alten Wunden nichtmehr schmerzen zu lassen. Einst war ich der Lieblingsschüler des großen Lehrmeisters Sucuri und man sagte mir eine große Karriere bei der Armee des Suradepts voraus. Doch dann wurde ich aufgrund eines Tricks meines Vetters aus dem Horst verbannt. Lange zog ich ziellos umher bis ich den Räuberkönig Daresch traf. Naja und der Rest dürfte Geschichte sein.“ Halvar schwieg und dachte über das Gehörte nach. Über diese Dinge hatte er noch nie etwas gehört. In keiner der Geschichten hatte der Großvater etwas von einem Räuberkönig erwähnt und auch nichts von einer Armee der Surs. Bislang hatte er geglaubt sie seien ein umherziehendes Volk, dass sich höchstens als Söldner verdingt. Doch Kurin schien nichts neues gehört zu haben, weshalb Halvar nicht weiter fragte und darauf vertraute, dass Larcs die Wahrheit gesagt hatte. Schließlich war es Zeit weiter zu ziehen. Sie brachen das Lager ab und ließen den Schatten der Felsen hinter sich. Vor ihnen sahen sie nunmehr blanke Sanddünen und keinerlei Anzeichen von Leben mehr. „Nun kommt der schwierigste Teil unserer Reise. In den nächsten vier Tagen wird uns kein Lebewesen größer als eine Schlange mehr begegnen und keine Wasserstelle mehr zu finden sein. So lange bis wir die Gorgon die Oasenstadt erreichen.“, sprach Kurin und deutete in die Wüste hinaus.
<<<<<<<<<<°>>>>>>>>>> Bote der Tage von Einst
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Stirb richtig - Die Happy!
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