Grundsätze
Die Homöopathie ist eine weit verzweigte Praxis mit vielen
Varianten. Alle berufen sich auf Hahnemann und das Ähnlichkeitsprinzip,
weichen aber in anderen Punkten teilweise erheblich voneinander ab. Die
meisten Homöopathen sehen als Grundsätze der Homöopathie neben dem
Ähnlichkeitsprinzip die „Arzneimittelprüfung am Gesunden“, die Erhebung
des individuellen Krankheitsbildes durch eine ausführliche Anamnese und die „Potenzierung“ bei der Herstellung der homöopathischen Arzneimittel.
Ähnlichkeitsprinzip (Simile-Prinzip)
Das Ähnlichkeits- oder Simileprinzip – „similia similibus curentur"
(„Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt" – besagt, dass eine
Krankheit durch ein Mittel geheilt werden soll, das bei einem gesunden
Menschen ähnliche Symptome hervorrufen kann wie sie der Kranke
aufweist: „Man ahme der Natur nach, welche zuweilen eine chronische
Krankheit durch eine andere hinzukommende heilt und wende in der zu
heilenden Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere,
möglichst ähnliche künstliche Krankheit zu erzeugen imstande ist, und
jene wird geheilt werden; similia similibus curentur.“ (Samuel Hahnemann, 1796 [1])
Die Entwicklung dieses zentralen Prinzips der Homöopathie geht auf
einen Selbstversuch Hahnemanns zurück, mit dem er herausfinden wollte,
wie die damals schon als Mittel gegen Malaria bekannte Chinarinde wirkt.[2]
Bei diesem Selbstversuch nahm Hahnemann als gesunder Mensch
Chinarinde ein und beobachtete an sich das vorübergehende Auftreten von
Symptomen, die denen der Malaria ähnelten. Daraufhin vermutete er, dass
eine solche Fähigkeit, ähnliche Symptome zu erzeugen, möglicherweise
ursächlich für die Heilwirkung der Chinarinde bei Malaria sei. Er
unternahm nun weitere Selbst- und Fremdversuche und hielt Ausschau nach
weiteren Mitteln, auf die seine Vermutung zutreffen könnte. Schließlich
erhob er die von ihm angenommene Wirkungsweise zu einem allgemeinen
Prinzip der Arzneiwirkung, dem Ähnlichkeitsprinzip.
Hahnemann verzichtete zunächst auf Versuche einer theoretischen Begründung. In seinem Spätwerk[3] bezog er sich – offensichtlich bemüht um eine nach damaligen Maßstäben wissenschaftliche Begründung – auf vitalistische Vorstellungen („Umstimmung der Lebenskraft“).
Hahnemanns Selbstversuch mit Chinarinde war zwar von ihm selbst
schriftlich dokumentiert worden, konnte aber bis heute nicht
reproduziert werden. Inzwischen ist bekannt, dass Chinarinde bzw. das
darin enthaltene Chinin
durch Eingreifen in den Fortpflanzungszyklus der Malariaerreger wirkt
und dass das Mittel im Allgemeinen nicht die von Hahnemann
beschriebenen Symptome hervorruft. Möglicherweise handelte es sich bei
diesen um eine allergische Reaktion aufgrund einer Sensibilisierung für Chinin (Hahnemann hatte das Mittel bereits früher gegen ein „Quartanfieber“ eingenommen).[4]
In der Geschichte der Medizin lässt sich das Simile-Prinzip ansatzweise bereits im Corpus Hippocraticum und den Schriften des Theophrast von Hohenheim (Paracelsus) finden.[5] [6]
Voraussetzung für die Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips in der
Homöopathie ist zum einen die Kenntnis der Wirkung der homöopathischen
Mittel (siehe Homöopathische Arzneimittelprüfung) und zum anderen die
exakte Erfassung des Symptombildes des Patienten in der homöopathischen
Anamnese (siehe Wahl des Mittels).
Homöopathische Arzneimittelprüfung
Eine homöopathische Behandlung beruht auf der Kenntnis der Symptome,
die ein Mittel bei einem gesunden Menschen auslösen kann. Deshalb
werden in der Homöopathie sogenannte Arzneimittelprüfungen nur mit
gesunden Menschen durchgeführt.
Viele in der Homöopathie als Ursubstanzen verwendete Stoffe sind
giftig oder können aufgrund ihrer Herkunft und Weiterverarbeitung
gesundheitsschädlich sein. Für eine homöopathische Arzneimittelprüfung
werden deshalb entsprechend geringe Dosen der Ursubstanz oder
Verdünnungen, manchmal auch sog. Hochpotenzen verwendet (s.u.,
„Potenzierung“).
Es gibt keine einheitlichen Vorschriften für Arzneimittelprüfungen.
Häufig ist der Ablauf wie folgt: Für die Prüfung nehmen die Prüfer in
regelmäßigen Abständen mehrere Tage bis Wochen lang das zu prüfenden
Mittel ein. Während dieser Zeit sollen sie sämtliche Veränderungen oder
Störungen, die sie an ihrem Körper, Geist, Befinden oder ihrer Stimmung
wahrnehmen, notieren. Sie halten außerdem während dieser Zeit Kontakt
zu einem betreuenden Homöopathen, der ihm geschilderte Symptome
ebenfalls notiert. Am Ende der Prüfung werden die Notizen von den
Prüfungsleitern sortiert, interpretiert und einem homöopathischen
Symptomregister zugeordnet. Das Ergebnis wird als Arzneimittelbild
bezeichnet. Sie werden in nach Mittel geordneten Arzneimittellehren (Materiae medicae) und in nach Symptomen geordneten Repertorien zusammengestellt.
Es gibt jedoch auch völlig andere Formen der Arzneimittelprüfung,
wie etwa die Traumprüfung, bei der die Prüfer das Mittel nicht
einnehmen, sondern es nachts unter ihr Kopfkissen legen und später ihre
Träume notieren oder Meditationsprüfungen,
bei denen eine Gruppe über ein Mittel meditiert, das sie in ihren
Händen halten. Die mit diesen Prüfverfahren gewonnenen
Arzneimittelbilder werden jedoch von vielen Homöopathen nicht anerkannt.
Homöopathische Arzneimittelprüfungen sind nicht mit Arzneimittelprüfungen gemäß dem Arzneimittelgesetz
(AMG) zu vergleichen. Bei homöopathischen Arzneimittelprüfungen wird
nicht eine erwartete Wirksamkeit überprüft, sondern beobachtet, ob und
welche Symptome durch ein homöopathisches Mittel hervorgerufen werden
können.
Die europäische Gesetzgebung sieht seit der Richtlinie 2001/83 ein
eigenes Zulassungsverfahren für homöopathische Arzneimittel vor. In der
Novelle zu dieser Richtlinie (2004/27) wird dieses vereinfachte
Zulassungsverfahren erstmals für alle Mitgliedsländer verpflichtend.
Die Richtlinie verlangt den Aufdruck (Zitat) „Homöopathisches
Arzneimittel ohne genehmigte Heilanzeigen“. [2]
Potenzierung
Hauptartikel: Potenzieren (Homöopathie)
Der nächste wichtige Grundsatz der Homöopathie ist die Verwendung „potenzierter“ Mittel. Unter Potenzierung ist die starke Verdünnung bei gleichzeitiger Dynamisierung (Verschüttelung oder Verreibung siehe unten) zu verstehen. Die Mittel werden durch stufenweise durchgeführtes Potenzieren aus Urtinkturen (pflanzlichen und tierischen Ursprungs: Symbol: Ø oder mineralischen und chemischen Ursprungs: Symbol O) und aus indifferenten Verdünnungsmitteln wie Alkohol, destilliertem Wasser, Glycerin und Milchzucker hergestellt.
Homöopathische Mittel werden flüssig (Dilution) oder als Globuli, in tiefen Potenzen auch in Form von Tabletten angewendet.
Aus der Sicht der Homöopathen ist die Wirkung einer bloßen
Verdünnung nicht mit einem potenzierten, also verschüttelten oder
verriebenen Mittel vergleichbar. Im Organon der Heilkunst (Anmerkung zu § 11) wird die Wirkung eines potenzierten Mittels nicht der körperlichen Substanz oder physischen Wirkung eines Arzneistoffes, sondern der immateriellen, daraus freigewordenen „spezifischen Arzneikraft“ zugeschrieben.
Die Verdünnung unter die chemische Auflösungsgrenze (ab D23 - siehe auch Avogadro-Konstante) ist jedoch kein zwingendes
Element der Homöopathie. Viele Heilpraktiker und einige Ärzte arbeiten
in Deutschland auch mit Niedrigpotenzen (D4, D6), in denen die Stoffe
noch in nennenswerter Konzentration vorliegen. Eine D6 enthält den
Ausgangsstoff in der Verdünnung von 1:1.000.000 (1: 10 hoch 6),
also in µg/g. Bei diesen nur schwach verdünnten Mitteln sind die
regulären Dosis-Wirkungs-Beziehungen des verwendeten Stoffes zu
beachten und unerwünschte Wirkungen möglich. Neben der bekanntesten
D-Potenzierungsreihe (1:10) gibt es noch die C-Reihe (1:100) und die
LM- oder Q-Reihe (1:50000).
Die Lehre der chronischen Krankheiten
Nach jahrelangen praktischen Erfahrungen mit der Homöopathie stellte
Hahnemann fest, dass bestimmte Krankheitsverläufe homöopathisch nicht
zu heilen waren. Ab 1816 entwickelt er deshalb eine Methode zur
Behandlung chronischer Krankheiten. 1828 veröffentlichte er die
Ergebnisse seiner Forschung in einem fünfbändigen Werk mit dem Titel Die chronischen Krankheiten. Nach seiner Theorie liegt den chronischen Krankheiten ein Miasma, eine Art tief liegendes „Ur-Übel“, zugrunde. Hahnemann unterteilte die Miasmen in Psora (als Folge der Krätze), Sykosis (Feigwarzenkrankheit als Folge der Gonorrhoe) und Syphilis. Hahnemanns Arbeit nach der Erkenntnis der Miasmen war der Versuch, die Psora auszumerzen, wie er schrieb.
Sein Verständnis der chronischen Krankheiten bewegt sich im Rahmen
der damaligen medizinischen Erkenntnisse. Die praktischen Konsequenzen
seiner Theorie werden jedoch in der klassischen Homöopathie bis heute
berücksichtigt.
Entwicklung
Geschichte
Samuel Hahnemann übersetzte eine englische Arzneimittellehre, die u. a. auch die bereits wohlbekannte Heilwirkung von Chinarinde bei Malaria
beschrieb. Er empfand die in dem Werk bemühten Erklärungen als
willkürlich und verfiel deshalb auf die Idee, als gesunder Mensch
Chinarinde einzunehmen. Daraufhin beobachtete er an sich das
vorübergehende Auftreten einer Reihe von Symptomen,
die er vom „Wechselfieber“ her kannte. Dies wiederholte sich bei
weiteren Selbstversuchen. Hahnemann stellte auf dieser Basis die
Vermutung an, dass die Fähigkeit, „ähnliche“ Symptome zu erzeugen,
ursächlich für die Heilwirkung von Chinarinde bei Malaria sein könne.
Hahnemanns Versuchsergebnisse konnten nicht reproduziert werden, doch
wurden in relativ seltenen Fällen bei Malaria-Prophylaxe mit Chinin vergleichbare Symptome festgestellt. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine allergische Reaktion aufgrund einer Sensibilisierung für Chinin (Hahnemann hatte das Mittel bereits früher gegen ein Quartanfieber
eingenommen). Hahnemanns Annahme, hier das wirksame Prinzip der
Chinarinde bei Malaria gefunden zu haben, ist heute nicht mehr haltbar:
Die Chinarinde wirkt durch Eingreifen in den Fortpflanzungszyklus der Malaria-Erreger und somit nicht nach dem homöopathischen Ähnlichkeitsprinzip. Vgl. dazu Bayr 1989.
Jedenfalls stellte Hahnemann auf der Basis seiner neu gewonnenen
Hypothese eine Serie von Selbst- und Fremdversuchen mit anderen Drogen
an und sichtete vorhandene Heilungs- und Vergiftungsbeschreibungen auf
Indizien hin, die das Ähnlichkeitsprinzip empirisch abstützen könnten.
Er notierte die auftretenden Symptome und begann Kranke, die ähnliche
Symptome aufwiesen, mit diesen Mittel zu behandeln. Zunächst um ihre
Toxizität zu verringern, verdünnte er die Stoffe. In späteren Jahren
behauptete er, beobachtet zu haben, dass die Heilwirkung bei seinen
Verdünnungs- und mechanischen Bearbeitungsprozeduren nicht nur nicht
verschwand, sondern sich sogar verstärkte.
Als historisches Verdienst der Lehre Hahnemanns gelten eine Reihe
von Innovationen, die eine sinnvolle Alternative zu den damaligen
medizinischen Heilverfahren (die von ihm „Allopathie“ genannt wurden) darstellten. Mikroorganismen
waren damals noch nicht als Krankheitserreger erkannt worden. Viele
damals gängige Mittel und Behandlungen, die oft keineswegs auf uralter
Erfahrung beruhten, sondern erst im 17. Jahrhundert nach der
alchimistisch geprägten Lehre des Paracelsus
eingeführt worden waren, gefährdeten den Patienten mehr als sie
halfen – nicht ganz umsonst nannte man diese Art der Medizin auch
„heroische Medizin“. So wurden sogenannte Drastika mit Wirkstoffen wie
beispielsweise Bleiacetat oder Quecksilberchlorid
verabreicht, was nicht wenige Patienten tötete. Dies erklärt die
Forderungen Hahnemanns, nur jeweils ein einziges Mittel geduldig
anzuwenden und sich eingehend mit dem Patienten zu beschäftigen. Seine
oftmals fast wirkstofflosen „Mittel“ trugen ebenfalls zur Durchsetzung
eines „sanfteren“ Weges der Medizin generell bei.
Status im deutschsprachigen Raum
Homöopathie ist in Deutschland eine anerkannte Besondere Therapieform im Sinne des Sozialgesetzbuches. Seit 1978 bekennt sich der deutsche Gesetzgeber im Arzneimittelgesetz zum Wissenschaftspluralismus der Medizin und wird dafür heftig kritisiert. Darunter werden derzeit die Medizin einerseits und andererseits drei Besondere Therapierichtungen verstanden:
Die Mittel der besonderen Therapierichtungen können zugelassen und
dürfen verordnet werden, auch ohne dass für sie ein
Wirksamkeitsnachweis erbracht wurde; siehe auch homöopathisches Arzneimittel.
2006 betrug der Anteil homöopathischer Arzneimittel im deutschen
Apothekenmarkt am Umsatz 1,08 %, an der Zahl der verkauften Einheiten
3,16 %.[7]
In Österreich ist die Homöopathie seit dem Arzneimittelgesetz 1983 ein anerkannter Teil der Medizin.
In der Schweiz wurden seit 1999 Mittel der fünf Klassen der Komplementärmedizin, darunter die der Homöopathie, von der Krankenkassen-Grundversicherung übernommen, sofern sie von einem Arzt verschrieben wurden. Am 30. Juni 2005 hat das Bundesamt für Gesundheit, Teil des Eidgenössischen Departements des Inneren,
diese Leistungspflicht nach den Ergebnissen der von ihm in Auftrag
gegebenen Studie „Programm Evaluation Komplementärmedizin“ wieder
gestrichen.
Homöopathie in weiteren Ländern
Seit etwa Mitte der 1820er Jahre breitete sich die Homöopathie in
den deutschlandnahen Ländern aus, seit Mitte der 1830er auch darüber
hinaus. Hahnemanns Werke wurden früh in verschiedene Fremdsprachen
übersetzt, erstmals 1824 ins Französische und Italienische. In
einzelnen Ländern gab es mitunter aber erhebliche Widerstände. So war
die Homöopathie in Österreich zwischen 1819 und 1837 durch Metternich
behördlich verboten. In den USA gab es zeitweise Regelungen, nach denen
Mitglieder aus medizinischen Gesellschaften rigoros ausgeschlossen
wurden, wenn sie mit Homöopathen zusammengearbeitet haben. Die
Entwicklung der Homöopathie in den USA verlief stürmisch: die erste
homöopathische Zeitung in den USA wurde 1835 von Hans Burch Gram
gegründet. Der in Sachsen geborene Constantin Hering kam 1833 nach Amerika und gründete mit anderen Homöopathen die erste homöopathische Hochschule in den USA (Nordamerikanische Akademie der homöopathischen Heilkunst, Allentown). 1844 wurde, ebenfalls unter Herings Beteiligung, als erste nationale Ärztevereinigung das American Institute of Homeopathy gegründet. 1848 entstand die erste Ausbildungsstätte für Frauen, das Homoeopathic Boston Female Medical College.
Für große Teile der Bevölkerung galt die Homöopathie in dieser Zeit als
wissenschaftlicher als die „Schulmedizin“, weil sie auf festen
Prinzipien aufbaut. Heilerfolge bei Gelbfieber- und Choleraepidemien
trugen zu ihrer Etablierung bei. Eine Laienbewegung wie in Deutschland
entstand jedoch nicht. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1864)
begann die Blütezeit der Homöopathie in den USA. In den späten 1870er
Jahren gab es rund 4000 homöopathisch Tätige; 1898 wurden 20
homöopathische Colleges, 140 homöopathische Krankenhäuser und 57
homöopathische Ambulatorien betrieben; es gab mehr als 100
homöopathische Gesellschaften und 31 homöopathische Zeitschriften. Ein
1876 erstmals in Philadelphia ausgerichteter internationaler
homöopathischer Ärztekongress unterstreicht die Bedeutung der
Homöopathie in den USA. Ungeachtet der Quantität der Verbreitung wird
die Qualität der Ausbildung und Praxis rückblickend aber kritisiert.
Trotzdem entstanden wichtige Arbeiten, von denen unter anderen die James Tyler Kents
weltweit Bedeutung gewinnen. Kents Hauptwerke sind bis heute neben
Hahnemanns Schriften für viele Homöopathen maßgeblich; am
verbreitetsten ist sein Repertorium. Mit der Jahrhundertwende
kam es zu einem Niedergang der Homöopathie in den USA. Seit den 1970er
Jahren ist wieder ein Aufschwung zu beobachten. Die Zahl der in den USA
praktizierenden Homöopathen stieg von weniger als 200 in den 1970ern
auf etwa 3000 im Jahr 1996.
Diese Renaissance fand sich auch in anderen Ländern. Sie ist
mitgeprägt durch den Einfluss charismatischer Persönlichkeiten, vor
allem durch Georgos Vithoulkas.
Vithoulkas, 1932 in Athen geboren, arbeitete ursprünglich als Ingenieur
in Südafrika und kam dort mit der Homöopathie in Berührung. 1966 wurde
er am Indian Institute of Homeopathy approbiert. 1967 begann er mit der Ausbildung griechischer Ärzte in Athen. Seine 1970 gegründete Athenian School of Homeopathic Medicine wurde zu einer Keimzelle der Homöopathie-Renaissance. 1996 wurde ihm der Alternative Nobelpreis verliehen. Auch in Deutschland gewann Vithoulkas eine große Anhängerschaft.
Ein zweites international bekanntes Zentrum der Homöopathie wurde
Indien. Dort war sie schon während der Kolonialzeit in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Johann Martin Honigberger
und weiteren europäischen Medizinern eingeführt worden. Behandlungen
erfolgten hier auch im Bereich der Seuchenbekämpfung, wie asiatische Cholera und häufig wiederkehrende Pestwellen.
Bald interessierten sich auch einheimische Ärzte und Laienheiler für
die Homöopathie, da sich deren medizinische Konzepte mit der indischen
Heiltradition und den Methoden der modernen westlichen Medizin
verbinden ließen. Seit 1973 ist die Homöopathie staatlich voll
anerkannt. In Indien arbeiten ca. 300.000 qualifizierte Homöopathen; es
gibt 180 Colleges, 7.500 government clinics und 307 Krankenhäuser.
In Frankreich werden homöopathische Medikamente von ungefähr einem
Drittel der Hausärzte angewandt. Da das französische staatliche
Gesundheitssystem die Homöopathie 1965 anerkannt hat, werden die Kosten
der Medikamente und der Behandlung erstattet.
In Großbritannien praktizieren homöopathische Ärzte seit den 1830er Jahren. An der Faculty of Homoeopathy
kann nach einer dreijährigen Ausbildung ein staatlich anerkanntes
Examen abgelegt werden. Seit 1950 werden die Kosten einer
homöopathischen Behandlung vom staatlichen Gesundheitswesen getragen.
Das relativ hohe gesellschaftliche Prestige der Homöopathie wird
dadurch unterstützt, dass die englische Königsfamilie öffentlich für
diese Therapieform eintritt.
In Brasilien hat die Homöopathie eine lange Tradition. In Rio de
Janeiro wurde bereits 1843 ein homöopathisches Ausbildungsinstitut
gegründet. Seit 1980 ist die Homöopathie staatlich anerkannt und an den
Universitäten vertreten. Sie spielt auch in den medizinisch
unterversorgten Regionen des Landes eine wachsende Rolle.
Homöopathie im Nationalsozialismus
siehe ausführlicher: Homöopathie im Nationalsozialismus
In der so genannten Neuen Deutschen Heilkunde sollten die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend naturwissenschaftlich fundierte „Schulmedizin“
und die „biologischen Heilverfahren“ zusammengefasst werden. Die
homöopathischen Laienvereine bekannten sich häufig begeistert zur
nationalsozialistischen Bewegung. In der Laienzeitschrift
„Homöopathische Monatsblätter" erschienen Aufsätze zur „Rassenhygiene“ und zu Nationalistisch-Völkischem, sogar zum Wert der Homöopathie für die Behandlung von Erbkrankheiten.
Intern könnte sich das unpolitische Selbstverständnis der meisten
Vereinsmitglieder durchgesetzt haben. Hierüber ist bisher wenig
bekannt. Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte vollzog 1933 die Gleichschaltung und wurde 1935 Mitglied der „Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde“.[8]
Erstmals in ihrer Geschichte genoss die Homöopathie staatliche
Unterstützung. Bei allen vordergründigen Erfolgen und aller Hoffnung
von Homöopathen auf Anerkennung gab es jedoch auch frühzeitig kritische
Stimmen, die vor einer Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus
warnten. Man befürchtete durch die Zusammenschließung mit anderen
Methoden eine Verwässerung der Lehre und einen Verlust der
Eigenständigkeit.[9]
Auf staatlicher Seite erlahmte andererseits das Interesse an der
Homöopathie aus unterschiedlichen Gründen. Der wichtigste dürfte eine
Untersuchung der Homöopathie im Auftrag des Reichsgesundheitsamts
zwischen 1936 und 1939 gewesen sein. Es wurden klinische Versuche,
Arzneimittelprüfungen und Quellenstudien zu einzelnen homöopathischen
Arzneien durchgeführt. Die klinischen Versuche hatten keinerlei Erfolg
gezeigt. Die Nachprüfungen homöopathischer Mittel konnten die
Ergebnisse vorheriger Prüfungen nicht reproduzieren.[10]
Über das Schicksal jüdischer Homöopathen ist bisher nur wenig
bekannt. In der homöopathischen Presse wurden teilweise eindeutig
antisemitische Äußerungen verbreitet. Die 1933 beginnende
„Ausschaltung“ jüdischer, sozialdemokratischer und marxistischer Ärzte
bedeutete auch für die Homöopathie einen großen Verlust. Prominentestes
Opfer der Ausschaltung innerhalb der Homöopathie war der jüdische Arzt Otto Leeser (1888-1964). Er galt als herausragender Vertreter der naturwissenschaftlich-kritischen Richtung der Homöopathie in Deutschland.[11]
Richtungen in der Homöopathie
Homöopathie ist keine einheitliche Lehre. Es gibt verschiedene
Richtungen, die sich teilweise gegenseitig bekämpfen. Auch können
Heilpraktiker oder Schulmediziner, die Homöopathie anwenden, nicht
generell einer Richtung zugeordnet werden. Die folgende Aufzählung
deutet nur das große Spektrum an: Klassische Homöopathie, genuine
Homöopathie, Bönninghausen-Methode, Boger-Methode, miasmatische
Homöopathie, wissenschaftliche Homöopathie,
naturwissenschaftlich-kritische Richtung, prozessorientierte und
kreative Homöopathie, Impuls-Homöopathie, Resonanzhomöopathie,
Seghal-Methode, Herscue-Methode, central delusion, C4-Homöopathie, quantenlogische Homöopathie usw.
Klassische Homöopathie
Der Begriff „Klassische Homöopathie“ entstand aus der Not, sich vom
großen Spektrum der als „homöopathisch“ bezeichneten Heilmethoden
abzugrenzen. Grundlagen der Klassischen Homöopathie sind die Lehre
Hahnemanns und die sich daran orientierenden Weiterentwicklungen der
Heilmethode (zum Beispiel durch Bönninghausen, Hering, Kent u. a.). Im
Gegensatz zu vielen anderen Richtungen der Homöopathie wird in der
Klassischen Homöopathie immer nur ein Mittel auf einmal verabreicht,
meistens in einer mittleren oder hohen Potenz. Arzneimittel werden nach
gründlicher Anamnese grundsätzlich nach dem individuellen Symptombild des Kranken ausgewählt.
Klassische Homöopathen behandeln sowohl akute Krankheiten als auch chronische Leiden (konstitutionelle Behandlung).
Naturwissenschaftlich-kritische Homöopathie
Die sogenannte naturwissenschaftlich-kritische Homöopathie ist eine Richtung der Homöopathie, die auf der Grundlage der schulmedizinischen Lehre
homöopathische Arzneimittel als Ergänzung zu anderen Therapieformen
einsetzt. Häufig werden niedrige Potenzen bis D12 verwendet, in denen
noch ein chemisch nachweisbarer Rest der Arzneisubstanz vorhanden ist.
Arzneimittel werden außerdem nicht nach dem oft sehr komplexen gesamten
Symptombild des Kranken, sondern nach Pathologie
(Krankheit) verordnet. Das erleichtert besonders die Findung des
passenden Arzneimittels, weil zum Beispiel für eine Erkältungskrankheit
nur noch aus einer Liste von wenigen Mittel ausgewählt werden muss.
Dieses Vorgehen steht jedoch im Widerspruch zu Hahnemanns Lehre, der in
seinem Organon einer Vermischung der Homöopathie mit
nicht-homöopathischen Behandlungsmethoden entgegentritt und alles
andere als Verrat anprangert:
„§ 52: Es giebt nur zwei Haupt-Curarten: diejenige
welche all' ihr Thun nur auf genaue Beobachtung der Natur, auf
sorgfältige Versuche und reine Erfahrung gründet, die (vor mir nie
geflissentlich angewendete) homöopathische, und eine zweite, welche
dieses nicht thut, die (heteropathische, oder) allöopathische.
Jede steht der andern gerade entgegen und nur wer beide nicht kennt,
kann sich dem Wahne hingeben, dass sie sich je einander nähern könnten
oder wohl gar sich vereinigen liessen, kann sich gar so lächerlich
machen, nach Gefallen der Kranken, bald homöopathisch, bald
allöopathisch in seinen Curen zu verfahren; diess ist verbrecherischer
Verrath an der göttlichen Homöopathie zu nennen!“
Beliebt ist auch die Verwendung von „Komplexmitteln“,
d. h. einer Vermengung von verschiedenen Mitteln, die für eine
bestimmte Krankheit zusammengestellt wird. Die Therapie mit
Komplexmitteln widerspricht jedoch ebenfalls grundlegend dem Wesen der
ursprünglichen Homöopathie; Hahnemann selbst schreibt in seinem Organon:
„§ 273: In keinem Fall von Heilung ist es nöthig und
deßhalb allein schon unzulässig, mehr als eine einzige, einfache
Arzneisubstanz auf einmal beim Kranken anzuwenden. Es ist nicht
einzusehen, wie es nur dem mindesten Zweifel unterworfen sein könne, ob
es naturgemäßer und vernünftiger sey, nur einen einzelnen, einfachen,
wohl gekannten Arzneistoff auf einmal in einer Krankheit zu verordnen,
oder ein Gemisch von mehreren, verschiednen. In der einzig wahren und
einfachen, der einzig naturgemäßen Heilkunst, in der Homöopathie, ist
es durchaus unerlaubt, dem Kranken zwei verschiedne Arzneisubstanzen
auf einmal einzugeben.“
Laienhomöopathie
Zur Ausbreitung der Homöopathie haben nicht nur Ärzte beigetragen,
sondern auch Patienten und Laienbehandler. Im 19. Jahrhundert gewann
die Homöopathie besonders in Kreisen des Adels und bei gebildeten
Bürgern Anhänger und Multiplikatoren. Auch stand die Homöopathie von
Anfang an der Religion nahe. Viele der ersten Homöopathen waren
Pfarrerssöhne oder Theologiestudenten. In Frankreich trat der Klerus
offen für Hahnemanns Lehre ein. Viele auf dem Land lebende Pfarrer
praktizierten Homöopathie, ganz besonders in Österreich. Aber auch
Gutsbesitzer, Kaufleute und andere waren an der Verbreitung der
Homöopathie beteiligt. Gefördert wurde diese Entwicklung durch die so
genannte homöopathische Hausarztliteratur, die seit Ende der 1820er
Jahre erschien. In ihr wurde die Behandlung häufiger Krankheiten mit
einfachen Mitteln geschildert. Daneben gab es ab etwa 1830
Zeitschriften, die sich vor allem an Laien richteten. In diese Zeit
fallen auch die ersten homöopathischen Vereinsgründungen.
Laienvereine
Die deutschen homöopathischen Laienvereine sind ein weltweit
einmaliges Phänomen. Zwischen 1870 und 1933 wurden 444 solcher Vereine
gegründet, vor allem in Württemberg,
Sachsen, Preußen und Baden. 1914 waren zwei Prozent der
württembergischen Bevölkerung Mitglied in einem homöopathischen Verein.
Die Vereine boten neben Geselligkeit und Freizeitgestaltung vor allem
Zugang zu homöopathischem Wissen und Behandlung in Form von
Selbsthilfe. Sie schafften homöopathische Hausarztliteratur an und
machten diese ihren Mitgliedern zugänglich. Herzstücke der Vereine
waren die homöopathischen Vereinsapotheken mit teilweise großen
Vorräten homöopathischer Arzneien, fast immer in tiefen D-Potenzen.
Vereinsmitglieder durften sich kostenlos, abgesehen vom
Mitgliedsbeitrag, die gewünschten Mittel herausgeben lassen. Diese
Praxis war jedoch von Beginn an juristisch umstritten und wurde
schließlich untersagt.
In der „Krise der Medizin“ in den 1920er Jahren fanden Naturheilkunde, Lebensreformbewegung
und alternative Heilverfahren verstärkt Zulauf. Die naturheilkundlichen
und homöopathischen Laienverbände gewannen viele Anhänger auch unter Arbeitern und Kleinbürgern. Der Dachverband Reichsbund für Homöopathie und Gesundheitspflege umfasste im Jahr 1930 348 Vereine mit 38.200 Mitgliedern. Der Nationalsozialismus griff mit der „Neuen Deutschen Heilkunde“
diese sich zu einer Massenbewegung entwickelnde Tendenz auf und
vereinnahmte sie für seine Ziele. Die homöopathischen Laienvereine
wurden davon zunächst mit erfasst. Im Laufe der Zeit nahm ihre
Aktivität aber deutlich ab; am Ende des „Dritten Reiches“ war das
homöopathische Laienwesen weitgehend zerstört. Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurden zwar einige Vereine wiedergegründet, erreichten aber
nicht annähernd die frühere Bedeutung.
Seit Mitte der 1970er Jahre erlebt die Homöopathie mit der Zunahme der Beliebtheit alternativer Heilmethoden
aber auch bei Laien wieder einen Aufschwung. Homöopathische Mittel sind
von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht rezeptpflichtig und können frei
in der Apotheke
bezogen werden. Sie gelten als ungefährlich, da sie allenfalls minimale
Mengen von Arzneisubstanz enthalten und daher unerwünschte
substanzielle Wirkungen nicht zu befürchten sind. Vor allem Klassische
Homöopathen warnen aber vor der Behandlung von mehr als nur harmlosen
Erkrankungen durch Laien. Sie weisen darauf hin, dass ein Mittel nicht
schon deshalb als „homöopathisch“ zu bezeichnen ist, weil es durch Potenzieren hergestellt wurde, sondern nur, wenn es mit seinen typischen Symptomen zu den Symptomen des Patienten passt. Sonst könnten ihrer Auffassung nach auch Homöopathika eine allopathische Wirkung haben.
Homöopathie in der Veterinärmedizin
Die Homöopathie wird in der Tierheilkunde fast ebenso lange angewendet wie in der Humanmedizin. Die erste Veröffentlichung (Vorschläge zur zweckmäßigen Behandlung kranker Tiere) stammt aus dem Jahr 1815. Von Samuel Hahnemann selbst ist ein handgeschriebenes Redemanuskript über die Homöopathische Heilkunde der Hausthiere überliefert. Darin vertritt Hahnemann den Standpunkt, dass „… Thiere …
mit einem Worte durch die homöopathische Heilart wenigstens ebenso
sicher und gewiß, als die Menschen zu heilen (sind)“.
Gustav Wilhelm Groß (1794–1847), Arzt und Mitbegründer der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung,
veröffentlichte im Jahre 1830 einen Aufsatz, in dem er die Ansicht
vertritt, Tierheilungen auf homöopathischem Wege seien der beste
Beweis, dass die Wirkung der Homöopathie nicht auf Suggestion beruhe.
Einzelne Autoren bezweifeln jedoch besonders im Hinblick auf die
tierartspezifischen Unterschiede eine Übertragbarkeit der
„Arzneimittelbilder“ vom Menschen auf das Tier und fordern vor der
Anwendung homöopathischer Mittel die Durchführung von
Arzneimittelprüfungen am Tier.
Im 19. Jahrhundert war es den Tierärzten nicht überall erlaubt,
Tiere homöopathisch zu behandeln. Ende des Jahrhunderts ließ das
Interesse an der Tierhomöopathie nach und setzte erst in den 1920er
Jahren wieder ein. Neben Haustieren werden auch Nutztiere
homöopathisch behandelt. In Deutschland, in den USA, in Brasilien und
in der
[editiert: 11.06.08, 19:15 von Graf von Zemeron]