Stand vom 17.11.2004
Kind verhungert: Bewährungsstrafe für Eltern
Junge starb an Unterernährung, Austrocknung, Lungenentzündung
Zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren sind die Eltern eines Jungen verurteilt worden, der im Alter von 16 Monaten wegen Mangelernährung gestorben war. Das Paar hatte den Sohn streng vegan, also ohne tierische Fette, ernährt.
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Video Tod durch veganes Essen?
[Aktuelle Stunde (17.11.04), 2'35]
Schild der Staatsanwaltschaft; Rechte: WDR
größeres BildAuch die Anklage ist von diesem Fall erschüttert
Das Landgericht Paderborn sah es am Mittwoch als erwiesen an, dass die Eltern aus dem ostwestfälischen Bad Driburg mit ihrem Kind nicht rechtzeitig zum Arzt gegangen waren und somit zum Tod des Jungen im März beigetragen hatten. Das unterernährte Kind war erkrankt und hatte sein Essen ohne jedes tierische Fett am Ende völlig verweigert. Nahrungsmangel und Lungenentzündung waren tödlich.
Die Staatsanwaltschaft hatte zweieinhalb Jahre Haft für die Eltern gefordert. Die Bilder des an Unterernährung und Lungenentzündung gestorbenen Kindes seien schrecklich anzusehen, sagte der Ankläger am Mittwoch (17.11.04) beim Prozess vor dem Landgericht Paderborn.
Das 16 Monate alte Kind war im März 2004 an den Folgen von Unterernährung, Austrocknung und einer Lungenentzündung gestorben. Die Eltern, eine 36-jährige Krankenschwester und ein 44-jähriger Schreiner, lebten zu der Zeit strikt vegetarisch als so genannte Veganer. Das heißt, sie verzichteten bei ihrer Ernährung auf jede Form von tierischen Fetten. Sie standen wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Landgericht Paderborn.
Gutachter hat Mangelernährung festgestellt
Vor Gericht sagte ein Gutachter, der als Zeuge geladen war, dass die Mangelernährung in Kombination mit einer Lungenentzündung zum Tode des Kindes geführt habe. Die Mutter hatte den Jungen unter anderem mit Milchersatz aus Mandeln und Kokosnuss gefüttert. Dass ihr Kind immer dünner wurde, sei ihr aufgefallen. "Er ist merklich schlapper geworden", ergänzte sie. Sie habe aber nie damit gerechnet, dass das Kleinkind sterben könne, betonte die arbeitslose Krankenschwester. Am Tag bevor das Kind starb, hatte sie sich zum Arztbesuch am nächsten Tag entschlossen.
Vor wenigen Wochen war die Frau zum vierten Mal Mutter geworden. Das Jugendamt des Kreises Höxter verzichtete nach einer Prüfung trotz des Strafverfahrens auf den Entzug des Sorgerechts für die drei Kinder. Die Eltern hatten sowohl regelmäßigen Arztbesuchen als auch einer Umstellung des Speiseplans zugestimmt. Die Familie ernährt sich jetzt zwar vergetarisch, es gibt allerdings auch Eier, Fisch und Milch zu essen.
'Bleibende neurologische Schäden'
Audios
Audio Der Prozessauftakt in Paderborn
[WDR 2 Westzeit (17.11.04) 3'58]
Audio Ist vegane Ernährung gefährlich?
[WDR 2 Morgenmagazin (17.11.04) 2'49]
Die Eltern selbst waren es, die die vegane Ernährung des Kindes gegenüber den Ermittlern als Todesursache angaben. Experten halten eine streng vegane Ernährung von Kindern für gefährlich: Dr. Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung sagte Mittwoch (17.11.04) im WDR 2-Morgenmagazin, wer Kinder rein vegan ernähre, verzichte auf Eiweiße, Kalzium und Vitamin B12, die für die körperliche und geistige Entwicklung lebensnotwendig sind. Die Folge können "bleibende neurologische Schäden" sein.
http://www.wdr.de/themen/panorama/kriminalitaet03/kind_verhungert/prozessauftakt.jhtml