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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Autor Beitrag
Gast
New PostErstellt: 27.03.07, 04:05     Betreff: Re: Jugendamt Osnabrück: Fall Kutzner vor dem EGMR Antwort mit Zitat  

Welt am Sonntag

10. Dezember 2006

Zu dumm für Kinder?;
ARD-Film "In Sachen Kaminski"

AUTOR: Freia Peters

POLITIK; S.14 Heft 50/2006

HIGHLIGHT: Am Donnerstag wird der ARD-Film "In Sachen Kaminski" mit dem Medienpreis Bobby ausgezeichnet. Er erzählt eine wahre Geschichte: Die der lernbehinderten Eltern Annette und Ingo Kutzner, denen das Jugendamt das Sorgerecht für ihre Töchter entzog. Bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieben Jahre später entschied: Den Kutzners ist ein Unrecht geschehen


Das rote haus der Kutzners steht direkt an einer Kreisstraße im Artland, einer feuchten Ebene in Niedersachsen. Drinnen lodert ein Feuer im Kaminofen. Opa Kurt Kutzner, mit 67 Jahren wegen seiner Zuckerkrankheit erblindet, sitzt im Jogginganzug auf einem braunen Cordsofa. Opa und Oma Kutzner leben hier gemeinsam mit ihrem Sohn Ingo und seiner Frau Annette. Die schneidet gerade Brötchen auf und belegt sie mit Mortadella, dann versammelt sich die Familie um den Wohnzimmertisch.

Wann immer die Sprache auf einen Gerichtsbeschluss, ein Dokument oder ein Gutachten kommt, springt Oma Anna Kutzner auf, sucht und zerrt kurze Zeit später das entsprechende Schreiben hervor, das den Kampf um ihre Enkeltöchter belegt. Sie hat alle Zettel ordentlich abgelegt und die Ordner in fünf schwarzen Koffern aus Lederimitat gesammelt. "Oma, hol doch mal das Papier von dem Menschengericht", sagt Opa Kutzner.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass den Kutzners ein Unrecht geschehen ist. Nach einem fünf Jahre währenden Prozessmarathon urteilten schließlich sieben Richter in Straßburg in der "Affäre Kutzner gegen Deutschland", dass die Kutzners "unverschuldet als nicht erziehungsfähig" eingestuft worden seien. Das war am 26. Februar 2002: "Das Gericht erinnert daran, dass allein die Tatsache, dass ein Kind in einem Rahmen aufwachsen könnte, der seiner Entwicklung förderlicher wäre, keine Rechtfertigung dafür ist, es mit Gewalt von seinen biologischen Eltern zu trennen."

"Das war ein glücklicher Tag", sagt Ingo Kutzner. Er macht den Moment nach, als er seine Tochter Nicola, damals zehn Jahre alt, am 1. Dezember 2003 aus dem Haus ihrer Pflegefamilie abholte, streckt seine Arme in die Höhe und ruft: "Papa, ich bin hier! Nimmst du mich mit?" Nicola und ihre ältere Schwester Corinna kehrten nach sieben Jahren wieder zu ihren Eltern zurück. Die Familie war getrennt worden, weil die Eltern Kutzner als lernbehindert gelten.

Angefangen hatte alles ganz harmlos. Ein Hausarzt empfahl der Familie, sich bei der Erziehung der Kinder vom Amt unterstützen zu lassen. Das war 1993, Corinna war drei Jahre alt, Nicola ein Jahr. Die Frühförderung informierte das Jugendamt, eine Familienhelferin kam und lieferte einen Bericht. Darin stellte sie fest, dass die Versorgung der Kinder mit Nahrung und Kleidung gewährleistet sei, die Kinder offensichtlich der Mittelpunkt der Familie seien und dass sie geliebt würden. Aber sie schrieb auch, dass die Kutzners sich verhielten, als seien sie selbst noch Kinder. Sie kam zu dem Schluss, dass es nur schwer vorstellbar sei, dass die Kindeseltern aufgrund eigener Defizite ihren Kindern eine gesunde Entwicklung ermöglichen können.

Das Jugendamt wandte sich an den Verein für Familienorientierte Sozialpädagogik, der Pflegefamilien vermittelt. Auch die Pädagogen befanden, dass die Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen sollten: "Ein Verflachung des Intelligenzquotienten ist vorprogrammiert. Eine Chance haben die Kinder durch eine neue Beelterung." Das Amtsgericht Bersenbrück entzog den Kutzners das Sorgerecht.

Ingo Kutzner arbeitet als Hausmeistergehilfe an einer Schule und säubert die Grünflächen. Annette Kutzner sortiert Hosen und Blusen in einem Altkleiderbetrieb, stopft sie in Säcke und beschriftet diese. Die Kollegen sagen, sie sei besonders zuverlässig. Annette und Ingo Kutzner können rechnen und schreiben, sie lesen jeden Morgen die "Bild"-Zeitung. Kennengelernt haben sie sich auf der Sonderschule. Einen Intelligenztest haben sie nie gemacht, sie kennen ihren IQ nicht. Der Durchschnitt liegt bei 100. Wer einen IQ von 120 hat, gilt als hochbegabt. Wer die 70 unterschreitet, als geistig behindert.

"Wir sind nicht blöd im Kopf", sagt Annette Kutzner. "Wir können ziemlich gut nachdenken." Ihre Töchter jedenfalls kennt sie genau. Corinna wird laut, wenn ihr etwas nicht passt. "Die schreit alles aus sich raus." Und Nicola, die Kleine, ist eher still, so wie sie selbst. "Meine Frau hat damals alles in sich reingefressen", sagt Ingo Kutzner.

Am 14. Februar 1997 mussten die Kutzners ihre Kinder im Verein für Familienorientierte Sozialpädagogik abgeben. "Wir wollten sie schonen und haben gesagt, dass sie Urlaub machen, und da haben sie sich dann auch gefreut."

Das erste Mal wiedergesehen haben die Kutzners ihre Kinder zehn Monate später. Die Mitarbeiter des Vereins machten sie darauf aufmerksam, dass sie ihre Töchter nicht umarmen dürften. In den folgenden sechs Jahren haben Annette und Ingo Kutzner ihre Kinder ein Mal im Monat für eine Stunde in den Vereinsräumen getroffen.

Dieser bekam ein extra Honorar vom Jugendamt für die Vermittlung einer "Profifamilie" - ein Begriff, den sich die Pädagogen aus Meppen patentieren ließen. "Lehrers, Leute, wo im Büro sitzen, und Akademiker" bekämen diesen Titel, erklärt Ingo Kutzner. Seine Töchter kamen in unterschiedliche Familien, weil laut Bericht die Gefahr bestand, die ältere Schwester würde die jüngere dominieren. Dort steht auch, dass Nicola nicht aufhörte zu fragen: "Wo ist meine Schwester?"

Annette und Ingo Kutzner kannten die Familien nicht, bei denen ihre Kinder lebten. Aber sie mussten für die Unterbringung zahlen, monatlich 200 Mark. Das Jugendamt unterstützte die Pflegefamilien jeden Monat mit 7300 Mark. Damit hätten die Kutzners einen Privatlehrer rund um die Uhr bezahlen können. Eigentlich sollte ja die drohende geistige "Verflachung" der Mädchen verhindert werden.

Diverse Gegengutachten von Ärzten und Professoren, in Auftrag gegeben vom Verein Aktion Rechte für Kinder, empfahlen, Corinna und Nicola ihren Eltern zurückzugeben und begleitend zu unterstützen. Doch weder das Vormundschafts- noch das Amtsgericht revidierten das einmal gefällte Urteil. "Dass das Jugendamt so etwas macht, das versteht man einfach nicht", sagt Opa Kutzner.

Constanze Lohse arbeitet für die Lebenshilfe Braunschweig, die behinderte Eltern betreut. Sie erlebt, dass manche Mitarbeiter des Jugendamtes von vornherein ausschließen, dass Kinder mit lernbehinderten Eltern gut aufwachsen. Gerade jetzt. "Ich kann mir vorstellen, dass es ein Trauma jedes Jugendamtsmitarbeiters ist, für so etwas Schreckliches verantwortlich zu sein wie für den Tod des kleinen Kevin in Bremen", sagt Lohse.

In vielen Familien mit geistig Behinderten klappe das Zusammenleben jedoch prima. "Mangelnde Bildung kann man aufheben mit Krippenplätzen und integrativen Maßnahmen." Geistige Einschränkungen der Eltern seien nicht so schlimm wie emotionale. "Viele gehen besonders liebevoll mit ihren Kindern um. Sie sind oft nur unsicher, einen Erziehungsstil zu finden. Dabei muss man ihnen helfen", sagt Lohse. "Lernbehinderte oder geistig behinderte Frauen werden Kinder bekommen, das wird immer so sein. Wir müssen lernen, damit umzugehen."

Corinna Kutzner ist heute 15 Jahre alt, ihre Schwester Nicola 13 Jahre. Auf Wunsch der Eltern besuchen sie ein Internat, an den Wochenenden kommen sie nach Hause. "Im Internat können die besser bei den Hausaufgaben helfen", sagt Annette Kutzner. "Wir können ja auch gar kein Englisch." Doch die Mädchen haben Schwierigkeiten in der Schule, besonders Nicolas Zensuren werden schlechter. Ihr Pflegevater ist gestorben, kurz nachdem sie die Familie verließ. Nicola denkt, es sei ihre Schuld.

Ein Wochenende im Monat verbringen die Mädchen bei ihren Pflegefamilien. Während Nicola meist lieber zu Hause bleiben möchte, fiebert Corinna den Besuchen entgegen. Vor ein paar Monaten ist sie mit ihrer Pflegefamilie nach Hamburg gefahren und hat ein Musical besucht. Bezahlt hat das Jugendamt. "So was können wir uns nicht leisten", sagt Ingo Kutzner.

"Sie haben uns immer wieder vorgeworfen, wir könnten den Kindern nichts bieten." Das wollten die Kutzners nicht auf sich sitzen lassen, sie haben gespart und einen Esel gekauft, dem die Kinder den Namen Rasputin gegeben haben. Rasputin grast draußen auf der Weide in der Dämmerung. Ingo Kutzner legt einen Holzscheit nach, seine Frau macht sich daran, einen Kuchen zu backen. Morgen kommen die Kinder aus dem Internat.

Familie Kutzner versammelt sich am Küchentisch: Nicola, 13, Mutter Annette, Vater Ingo und Corinna, 15 (v.l.)

Nils-Hendrik Müller

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