Agence France Presse -- German
Donnerstag, 16. November 2006
Presse: Resozialisierung deutscher Jugendlicher in Polen "Fiktion"
Deutsche Jugendliche, die vom Jugendamt zur Resozialisierung nach Polen geschickt werden, werden nach Presseberichten dort häufig als billige Arbeitskraft ausgenutzt und kaum pädagogisch betreut. "Ihre Resozialisierung ist eine Fiktion", schrieb die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" am Donnerstag. Die deutschen Jugendämter brächten die Minderjährigen mit Problemen in polnischen Familien unter, um sie "aus ihrem pathologischen Umfeld herauszuholen". Als Vermittler träten dabei jedoch dubiose Vereinigungen und Stiftungen mit Sitz in Polen auf, die daran "ein Vermögen" verdienten. Die Jugendlichen würden bei Bauern im Norden und Osten Polens untergebracht, die oft nicht einmal Deutsch sprächen, berichtete die Zeitung weiter.
Zudem verschweigen dem Bericht zufolge die Vermittler den Gastfamilien häufig die Vergangenheit der Jugendlichen. Die Bauern erhielten bis zu 4000 Euro monatlich und hätten zudem eine "kostenlose Arbeitskraft". Am Abend sollte zum selben Thema eine Fernsehreportage des privaten Senders TVN ausgestrahlt werden.
In der Region von Suwalki in Nordostpolen hatte vergangenen Monat die Vergewaltigung einer 82-jährigen Frau durch einen 15-jährigen betrunkenen Deutschen für Empörung gesorgt. Der Jugendliche war zur Resozialisierung bei einem Bauern in der Nachbarschaft untergebracht. Der Direktor des polnischen Einwanderungsamtes, Jan Wegrzyn, erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, er habe keine Informationen über die Aktivitäten privater Stiftungen in dem Zusammenhang. Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union dürften sich EU-Bürger in Polen frei aufhalten, sagte Wegrzyn. "Ihre Registrierung ist freiwillig, es sei denn, sie begehen eine Straftat."