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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Gast
New PostErstellt: 10.02.08, 20:32     Betreff: Re: Kampusch erwägt Klage gegen Österreich Antwort mit Zitat  

© ZEIT online 8.2.2008 - 22:53 Uhr
* Schlagworte:
* Oesterreich
* Regierungskrise
* Korruption
* Kampusch

Wiener Watergate

Von Nina Horaczek

Der Großen Koalition in Österreich droht das Ende: Das Innenministerium hat Ermittlungspannen bei der Suche nach dem Entführungsopfer Natascha Kampusch vertuscht
Entführungsopfer Natascha Kampusch:Hätte Sie befreit werden können, wenn die Polizei nicht geschlampt hätte? Österreichs Bevölkerung erschüttert ein veritabler Korruptionsskandal. Die Regierung befindet sich in einer tiefen Krise

Entführungsopfer Natascha Kampusch:Hätte Sie befreit werden können, wenn die Polizei nicht geschlampt hätte? Österreichs Bevölkerung erschüttert ein veritabler Korruptionsskandal. Die Regierung befindet sich in einer tiefen Krise

© MARKUS LEODOLTER/AFP/Getty Images

„Wütend und entsetzt.“ So lautete die erste Reaktion von Natascha Kampusch. Das prominente Entführungsopfer, das 1998 als Grundschülerin von einem Fremden in ein Auto gezerrt wurde und sich erst acht Jahre später befreien konnte, musste vor wenigen Tagen erfahren, dass die Polizei sie bereits kurz nach ihrer Entführung finden hätten können, wäre sorgfältig ermittelt worden.

Vergangene Woche stand Herwig Haidinger, mittlerweile abgesetzter Chef des österreichischen Bundeskriminalamts (BKA), dem Innenausschuss des Parlaments Rede und Antwort. Und löste mit seinen Aussagen einen veritablen innenpolitischen Skandal aus. Der ehemalige BKA-Chef erzählte den Abgeordneten, er habe 2006, nachdem das Entführungsopfer Kampusch sich befreien konnte, eine interne Evulation des Falles angeregt. Schließlich hatte die Polizei den Namen von Kampuschs Entführer Wolfgang Priklopil in den Akten, hatte den Mann aber nicht sorgfältig überprüft.

Und das, obwohl ein Polizeihundeführer ein Monat nach dem Verschwinden des Mädchens auf Priklopil hinwies. Der Polizist nannte zwar nicht dessen Namen, sehr wohl aber die Adresse des Hauses, in dem Kampusch festgehalten wurde, sowie, dass dieser Mann ein Eigenbrötler sei mit einem „Hang zu Kindern in Bezug auf seine Sexualität“.

Zwei Beamten besuchten Priklopil daraufhin in seinem Haus. „Priklopil gab an, am 2.3.1998, den ganzen Tag über zu Hause gewesen zu sein. Er war alleine und kann daher kein bestätigtes Alibi anbieten.“ Sie verzichteten jedoch darauf, das Haus zu durchsuchen. Kampusch war zu diesem Zeitpunkt in einem Verlies im Keller des Hauses eingesperrt.

Haidinger wollte im Spätsommer 2006 zumindest nachträglich klären, wieso bei den Beamten damals nicht alle Alarmglocken läuteten – und wurde laut eigener Angaben von höchster Stelle im Innenministerium gestoppt. Per mündlicher Weisung habe ihm ein Mitglied des Ministerkabinetts im Spätsommer 2006 Nachforschungen untersagt. Anfang Oktober 2006 standen Nationalratswahlen an und die damalige Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) wolle keinen Polizeiskandal, sei ihm mitgeteilt worden.

Die Enthüllung der polizeilichen Schlampereien im Fall Kampusch und das Vertuschen der Behörden sorgen in Österreich für weitreichende Empörung. Die Sozialdemokraten, die mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eine Koalition bilden, deuteten ihrem Regierungspartner bereits an, dass sie sich auch Mehrheiten abseits der Volkspartei suchen könnten. SPÖ-Fraktionssprecher Josef Cap drohte der ÖVP auch mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. ÖVP-Vertreten bezeichneten solch einen Ausschuss gegen ihre Parteimitglieder eine „Kriegserklärung“ der Sozialdemokratie.

Haidingers Vorwürfe betreffen aber nicht nur die schlechten Ermittlungen im Fall Kampusch. Der einstmals hohe Kriminalbeamte enthülle auch eine Reihe weiterer Skandale im Innenministerium. Er erzählte, dass Philip Ita, der Kabinettchef der damaligen Innenministerin Prokop, ihn aufgefordert habe, Akten über den sogenannten Bawag-Skandal zuerst dem ÖVP-Klub im Parlament zu übergeben und erst danach den im Banken-Untersuchungsausschuss vertretenen Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. Die Bawag, eine österreichische Bank, die damals noch im Besitz der Gewerkschaft stand, verursachte durch hochriskante Finanzgeschäfte einen Milliardenskandal, der just vor der vergangenen Nationalratswahl bekannt wurde. Da die Gewerkschaft der SPÖ nahe steht, war dieser Skandal gefundene Wahlkampfmunition für die konservative Partei.

Ita soll aber nicht nur politisch, sondern auch in eigener Sache interveniert haben: So soll der Kabinettschef laut Haidinger in alkoholisiertem Zustand einen Autounfall verursacht und diesen in den Akten vertuscht haben lassen. Das „Büro für interne Angelegenheiten“, die internen Korruptionsermittler im Innenministerium, überprüft diesen Fall gerade. Ita weist jegliche Beschuldigungen von sich. Er sei „an Aufklärung interessiert“, ließ er durch seinen Anwalt ausrichten.

Weitere im parlamentarischen Innenausschuss publik gewordene Affären reichen sogar eine weitere Legislaturperiode zurück. So soll Prokops Vorgänger im Innenministerium, ihr Parteikollege Ernst Strasser, eine Weisung erteilt haben, gegen die Rechtsanwälte Nadja Lorenz und Georg Bürstmayr Ermittlungen wegen Schleppereiverdachts einzuleiten – und dies, obwohl der für Menschenschmuggel zuständige Abteilungsleiter im Bundeskriminalamt betont habe, dafür keine strafrechtlichen Gründe sah.

Die beiden Anwälte sind bekannt für ihr Engagement für Flüchtlinge und ihre Kritik an der im europäischen Vergleich äußerst restriktiven Asylgesetzgebung in Österreich. Ziel dieser Intervention aus dem Ministerkabinett sei gewesen, die Reputation der Anwälte zu zerstören und Bürstmayrs Neubestellung im Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums zu verhindern. Dieser Beirat prüft Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Polizei.

Warum Haidinger erst jetzt mit diesen Anschuldigungen herausrückt, alle Vorwürfe liegen schließlich mehr als ein Jahr zurück, dürfte wohl auch an seiner tiefen Enttäuschung über die Nichtverlängerung seines Vertrages als Bundeskriminalamts-Chef liegen. Ebenfalls Anteil daran, dass diese Vorwürfe publik wird, hatte der grüne Nationalratsabgeordnete und passionierte Aufdecker Peter Pilz, der auf seinem Weblog www.peterpilz.at bereits zahlreiche Dokumente online gestellt.

„Ich habe Haidinger vergangene Woche getroffen. Als er mir diese Geschichten im Detail erzählt hat, bat ich ihn, vor dem parlamentarischen Innenausschuss auszusagen“, erzählt Pilz. Gegen die Stimmen der ÖVP wurde der Ex-Beamten dann auch offiziell ins Parlament geladen.

Noch können nicht alle Aussagen bis ins letzte Detail überprüft werden, „einiges, etwa die Vorwürfe in der Causa Kampusch oder der Versuch der Kriminalisierung der Rechtsanwälte Bürstmayr und Lorenz, konnte ich aber bereits anhand von Akten belegen“, sagt Pilz. Die Opposition spricht ob solch schwerwiegender Anschuldigungen bereits von einem „Watergate“ in Österreich. Die Grünen berufen eine Sondersitzung des Nationalrats ein, das schärfste Instrument, das einer Oppositionspartei im österreichischen Parlament zur Verfügung steht.

Für die Konservativen kommt diese Korruptionsaffäre allerdings zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: In wenigen Wochen wird in Niederösterreich, einem großen und politisch wichtigen Bundesland, gewählt. Dort versuchen die Konservativen, ihre absolute Mehrheit im Landtag zu verteidigen. Eine Krise kann die Partei genau zu diesem Zeitpunkt am allerwenigsten brauchen. Momentan sprechen sich nur die Oppositionsparteien für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus, der die Korruptionsvorwürfe prüfen soll. Stimmt die SPÖ, wie bereits angedeutet, auch zu, wäre dies wohl das Ende der Großen Koalition in Österreich.

ÖVP-Parteichef und Vizekanzler Wilhelm Molterer fordert nun zwar eine Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Doch laut Meinungsforschern wird diese Krise vor allem den Konservativen schaden. „Das Grundvertrauen in die Behörden ist völlig zerstört", kommentierte der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer, Chef des Österreichischen Instituts für Marketing, die Stimmung in der Bevölkerung.
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