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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Gast
New PostErstellt: 21.05.07, 13:36     Betreff: KG Berlin: Juni 1934 - Verdacht auf jüdische Vaterschaft Antwort mit Zitat  

Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus

Miriam Liebler-Fechner
Reihe: Juristische Schriftenreihe
Bd. 159, 2001, 312 S., ISBN 3-8258-5366-7

I. KG, Beschluß vom 22. Juni 1934 [FN 750]: Verdacht auf jüdische Vaterschaft

a) Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die arische Mutter zweier nichtehelicher Kinder im Alter von zwei und fünfzehn Jahren gab den jeweiligen Kindesvater dem Vormundschaftsgericht nicht an. Auf Vorhalt versicherte sie aber, daß die Väter keine Juden seien. Das Jugendamt beantragte daraufhin, der Mutter das Sorgerecht für beide Kinder zu entziehen. Durch ihre Weigerung, die Väter zu nennen, bestünden unübersehbare Nachteile für die Kinder, insbesondere könne die arische Abstammung der Kinder nicht nachgewiesen werden.
Nachdem die Vorinstanzen diesen Antrag abgelehnt hatten, entschied das Kammergericht folgendermaßen:
Die Voraussetzungen für einen Entzug gem. § 1666 I BGB lägen nicht vor [FN 751]. Indem die Mutter den Erzeuger nicht nenne, gefährde sie das Kindeswohl nicht, da nicht feststünde, ob bei der Nennung des Erzeugers tatsächlich die arische Abstammung nachgewiesen werden könne. Zwar sei richtig, daß nach den Richtlinien zum Beamtengesetz [FN 752] als Abstammung auch die außereheliche zu gelten habe. Unabhängig von der Frage, ob dies, nur für Beamte gelte, habe der Reichsminister des Innern aber erklärt, daß für den Fall, daß der Vater des unehelichen Kindes ungewiß sei, dieser als arisch anzusehen sei. Dieser Ansicht folgte das Kammergericht:
"Man wird nicht sagen können, daß es bei der Anzahl nichtarischer Elemente in Deutschland im Zweifel ungewiß sei, ob ein, insbesondere wie hier auf dem Lande geborenes Kind von einem arischen oder nichtarischen Erzeuger abstammt."
Zutreffend habe das Landgericht bereits die Tatsache festgestellt, daß das zweijährige Kind am besten von der Mutter betreut werden könne. Mit dn Entziehung des Sorgerechts oder des Rechts auf Aufenthaltsbestimung würde dem Kind nach Lage der Sache mehr geschadet als genützt. Bei der Frage, welche Maßregeln zur Abwendung einer dem Kinde durch der Verhalten der Sorgeberechtigten drohenden Gefahr zu ergreifen seien, aber stets das Interesse des Kindes entscheidend. In das Elternrecht dürfe auf Grund des § 1666 I BGB nicht weiter eingegriffen werden als das Wohl des Kindes es erfordere. Bei der Entziehung des Sorgerechts oder eines Teils davon würde das zweijährige Kind von der Mutter, bei der es gut aufgehoben sei, weggerissen werden. Es würde aber damit immer noch nicht feststehen, daß dann die Mutter den Namen des Erzeugers nennen würde und die Möglichkeit bestünde, dessen arische Abstammung festzustellen. Vor allem seien die Maßregeln des § 1666 I BGB nicht dazu da, um gegen die Mutter einen moralischen Zwang auszuüben und durch die Entziehung des Sorgerechts die Mutter dazu zu bringen, den Namen des Erzeugers zu nennen. Andernfalls gebrauchte man die Vorschrift des § 1666 I BGB nicht als Maßregel im Interesse des Kindes, sondern mißbrauchte sie als ein nicht zu billigendes Zwangsmittel gegen die Mutter.

b) Bei dieser frühen Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahr 1934 handelt es sich um den ersten veröffentlichten Fall zum Entzug der elterlichen Sorge gem. § 1666 I BGB, der rassenideologisch motiviert war. Die zentrale Fragestellung mit der sich die Gerichte beschäftigten, berührte nicht die grundsätzliche Frage nach dem Entzug der elterlichen Sorge wegen definitiv geklärter Zugehörigkeit eines Elternteils zu einer "nichtarischen Kasse". Vielmehr betraf der Sachverhalt eine ungeklärte Vaterschaft und die damit verbundene Ungewißheit über die Rasseeigenschaften des Erzeugers. Dieser Zweifel allein hatte das Jugendamt veranlaßt, den Entzug der elterlichen Sorge zu beantragen.
Bemerkenswert ist die Argumentation des Gerichts, daß die Weigerung der Mutter nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohles führe, sondern vielmehr diesem diene, da nicht feststünde, ob bei einer Nennung die arische Abstammung nachgewiesen werden könne. Mit dieser Feststellung legte das Gericht das Tatbestandsmerkmal des "Kindeswohls" im § 1666 I BGB allein im Interesse des Kindes aus und ordnete die rassenideologischen Ziele des nationalsozialistischen Staates diesem unter. Alle Instanzen hatten eine Instrumentalisierung der Norm abgelehnt. Sie schlossen sich nicht der Auffassung des Jugendamtes an, welches das Gesetz zum Vehikel für die Erfüllung des nationalsozialistischen Zieles der Reinerhaltung der gebrauchen wollte.
Hirsch bezeichnete diesen Beschluß als "Vorbild großen Richtertums" und gab zu bedenken, daß Carl Schmitt ein Jahr zuvor die Drohung der Nationalsozialisten, gegen jeden nicht parteitreu urteilenden Richter konsequent vorzugehen, deutlich ausgesprochen hatte [FN 753]. Es gehöre "persönlicher Mut" zu einem solchen Beschluß [FN 754]. Ob dieser Beurteilung gefolgt werden kann, ist zweifelhaft. Schließlich hatten die beteiligten Spruchkörper die Rasse als Argument für den Entzug elterlicher Sorge keinesfalls in Frage gestellt, sondern nur die Ungewißheit über die Rassenzugehörigkeit des Vaters beurteilt. Angesichts der in den Entscheidungsgründen angeführten Stellungnahme des Reichsministers, daß ein uneheliches Kind bei ungeklärter Vaterschaft als arisch zu gelten habe und ein "auf dem Lande geborenes Kind" mit nur geringer Wahrscheinlichkeit von nichtarischen "Elementen" abstamme, dürfte dem "persönlichen Mut" der Richter ein nicht allzu hoher Stellenwert beizumessen sein. Dennoch ist festzuhalten, daß die Richter in ihren Erwägungen dem Kindes wohl den Vorrang einräumten. Die Rassenpolitik des nationalsozialistischen Staates verlangte ein striktes Vorgehen gegen alles "Rassefremde". Sie hätte den Entzug des Sorgerechts - auch als Druckmittel für die Benennung des Vaters durch die Mutter - gebilligt, um die potentielle Zugehörigkeit zur "jüdische Rasse" zu erforschen.
Hirsch war zudem irrtümlich der Überzeugung, daß der vorliegende Beschluß eine große Ausstrahlungskraft auf Entscheidungen in ähnlichen Fällen besessen habe. Diese Fehleinschätzung beruht auf einem unzulässigen Rückschluß zu einer Behauptung Maßfellers aus dem Jahr 1936. Dieser hatte lediglich geäußert, daß in der Folgezeit der Entscheidung des Kammergerichts andere Gerichte in gleichgelagerten Sachverhalten nur vereinzelt das Sorgerecht entzogen, in den meisten Fällen jedoch einen Eingriff abgelehnt haben [FN 755]. Einen dogmatischen Zusammenhang wollte Maßfeller, der sich in seinen Ausführungen über "Der Vormundschaftsrichter im Dienste der Erb- und Rassenpflege" von den Entscheidungsgründen des vorliegenden Beschlusses inhaltlich zu distanzieren versucht hatte, aber keinesfalls gelten lassen.
Die nach dem Krieg von Hirsch als "Offenheit" bezeichnete Argumentation des Gerichts, daß die Weigerung der Mutter, den Namen des Erzeugers zu nennen, nicht das Wohl des Kindes gefährde, sondern vielmehr dem Kind nur dienlich sei, wurde seinerzeit von Maßfeller als "unhaltbar" bezeichnet; die einzige Parallele zu gleichgelagerten Fällen sei die Feststellung, daß § 1666 I BGB grundsätzlich nicht als Druckmittel gegen die Mutter verwendet werden dürfe, denn § 1666 I BGB solle dem Richter allein die Möglichkeit geben, drohende Gefahren vom Kind abzuwenden. Die von Maßfeller freilich angenommene Gefährdung des Kindeswohls, nämlich die Unmöglichkeit der Abstammungsfeststellung, ließ sich auch nach seiner eigenen Überzeugung durch die reine Entfernung des Kindes von der Mutter nicht lösen. Das gesetzliche Instrument des Entzuges der Personensorge wäre damit als zweckwidrige Beugestrafe gegen die Mutter gesetzeswidrig eingesetzt worden.
Um den Bestrebungen der Rassepflege dennoch gerecht zu werden, schlug Maßfeller folgende Lösung vor:
"Wenn sich später bei dem Kinde Merkmale zeigen, die darauf hindeuten, daß es - obgleich die Mutter deutschblütig ist - Träger artfremden Blutes ist, wird der Vormundschaftsrichter Bestrebungen des Jugendamtes, eine rassenbiologische Untersuchung des Kindes vornehmen zu lassen, unterstützen. Wenn die Mutter sich weigert, das Kind für eine solche Unterstützung zur Verfügung zu stellen, kann gegen sie mit Maßnahmen aus § 1666 BGB vorgegangen werden [FN 756]."
Der Wortlaut "kann gegen sie vorgegangen werden" legt die ganze Widersprüchlichkeit der Argumentation Maßfellers offen. Um den rassepolitischen Zielen letztendlich doch noch gerecht zu werden, empfiehlt er bei Anzeichen "artfremden Blutes" eine "rassebiologische Untersuchung". Eine solche Untersuchung, die durch parawissenschaftliche Methoden wie Schädelvermessung selbst nach damaligen Erkenntnissen nicht die Rassezugehörigkeit zu bestimmen vermocht hätte, sollte notfalls gegen den Willen der Mutter durchgeführt werden. Somit wäre der Einsatz der Vorschrift des § 1666 I BGB als Instrument gegen die Mutter lediglich um ein paar Jahre herausgeschoben. Unterstellt, die jüdische Abstammung des Kindes hätte sich eindeutig erweisen lassen, so wäre gleichwohl der Entzug alles andere als zum Wohl des Kindes erfolgt. Wie später die Gerichte entschieden, gab nämlich die Erziehung eines Mischlingskindes durch ein arisches Elternteil grundsätzlich keinen Anlaß für einen Sorgerechtsentzug. Vielmehr hatten solche Kinder weitaus günstigere Zukunftsperspektiven als in der Obhut jüdischer Eltern, besaßen sie doch die Chance der teilweisen gesellschaftlichen Integration [FN 757].
Dieser Fall offenbart die große Unsicherheit der Rechtspraxis und Lehre im Umgang mit dem Sorgerechtsentzug aus ideologischen Gründen in der Anfangsphase der nationalsozialistischen Machtherrschaft. Sie dokumentiert den Übereifer der Jugendämter, die neuen Anschauungen radikal umzusetzen. Die Gerichte zeigten sich indes in diesem Fall durch alle Instanzen gesetzestreu und gingen den Pfad zum Mißbrauch des § 1666 I BGB noch nicht mit.

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750 ZblJJ 26. Jg., 1935, 241; JW 1934, 2622.
Entscheidungen sind in zeitlicher Abfolge dargestellt. Es fällt au l, <lf die Zahl der Veröffentlichungen ihren Schwerpunkt in den Jahren 1934- 1

751 Die Ausführungen des Gerichts zu § 1666 II BGB sind an dieser Stelle nicht dargestellt

752 RGBl. 1933 I., 575.

753 Vgl. Fn. 673.

754 Hirsch, Entzug und Beschränkung des elterlichen Sorgerechts, 62.

755 Maßfeiler, Der Vormundschaftsrichter im Dienste der Erb- und Rassenpflege, DFG 1936,(67)68.

756 Maßfeller, Der Vormundschaftsrichter im Dienste der Erb- und Rassenpflege, DFG 1936, (67)69.

757 Vgl. Fall XI.
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